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# taz.de -- Alternative Geldwirtschaft: Gesundes Schrumpfen
> Das ewige Wachstum ist die heilige Kuh des Kapitalismus. Ein Unternehmer
> und ein Wirtschaftstheoretiker wollen sie schlachten.
Bild: Immer weiter, immer wachsen - muss das wirklich sein?
BERLIN taz | Mit Zahlen kennen sich die beiden aus. 20 Milliarden Paar
Schuhe, seien im letzten Jahr weltweit produziert worden, drei Viertel
davon in China, Indien oder Vietnam, sagt Heini Staudinger. Und pro Paar
werde so viel CO2 produziert, das man damit über 2.500 Luftballons füllen
könnte, ergänzt Niko Paech. Das sei Wahnsinnn. „Ich finde es schlicht
unanständig, Schuhe zu tragen, die bei der Produktion zweimal um die Welt
gereist sind“.
„Geld oder Leben – Wie sieht es aus das gute Leben ohne Wachstum?“heißt …
Podium beim taz.lab. Heike Holdinghausen, taz-Wirtschaftsredakteurin und
hier Moderatorin, muss kaum etwas fragen. Staudinger, der Praktiker, und
Peach, der Theoretiker, haben dermaßen absurde Erfahrungen mit der
überglobalisierten Weltwirtschaft gesammelt, dass allein ihre Erzählungen,
die 90 Minuten gut füllen würden.
Staudinger ist Geschäftsführer der Firma Waldviertler, die in Österreich
Schuhe herstellt, was angesichts der Konkurrenz aus den Billiglohnländern
in Fernost an sich schon wie ein nerdiges Unterfangen wirkt. Zudem legt er
aber auch noch Wert darauf, das seine Produkte lange halten – und nicht
gleich kaputt gehen. Kein Wunder, dass er in Unternehmerkreisen lange als
Außenseiter galt.
Neuerdings werde er aber als Fahnenträger der Unternehmer gefeiert, erzählt
Staudinger. Denn er hat sich mit der Bankenbranche angelegt. Die Banken
hatten seiner Firma notwendige Kredite verweigert. Ihre Begründung: er habe
keine Sicherheiten. Zwar hat er allein im Lager Waren im Wert von 5
Millionen Euro, aber das wurde genauso wenig akzeptiert, wie die
Firmengebäude, denn die liegen schließlich in einer Krisenregion, können
folglich nichts wert sein. Also lieh sich Staudinger das Geld von Freunden
und Unterstützern, für 4 Prozent Zinsen.
Positiver Nebeneffekt: „Ich leide nicht mehr unter dem Joch des Kapitals,
sondern bin beflügelt, da alle Geldgeber ein echtes Interesse am
Unternehmen haben“, erzählt Staudinger. Negativer Nebeneffekt: Die
österreichische Finanzmarktaufsicht will bis zu 100.000 Euro von
Staudinger, weil er ein Geschäft betreibe, das ausschließlich Banken
zustehe. Immerhin begeistert dieses Rebellentum nicht nur ähnlich geplagte
Unternehmer, sondern auch die Kunden. Das Schuhgeschäft, freut sich
Staudinger, laufe gerade gut wie nie.
Bei allem grundsätzlichen Lob für Staudingers Ansatz, sieht der
Volkswirtschaftler Niko Paech genau in diesem Erfolg ein Problem. Denn
jeder Gewinn, jedes Wachstum von Geld führe zu weiterer Nachfrage. Der
Gastprofessor an der Uni Oldenburg plädiert daher für eine subversive
Betriebswirtschaft, die sich letztlich selbst überflüssig macht. Als
Beispiel nennt er eine Genossenschaft, die ein lokales Stromnetz übernehmen
will – aber dezidiert auf jeden Gewinn verzichtet. Überflüssiges Geld will
sie für die Energieberatung der Kunden ausgeben, so dass die im Extremfall
gar keinen Stromlieferanten mehr bräuchten.
Mitarbeiter müssten dann nur noch 20 Stunden pro Woche arbeiten, erklärt
Paech. Sie könnten „Prosumenten“ werden, die ihre neue Freizeit nutzen, um
Dinge zu reparieren oder – etwa im Garten – selber zu produzieren. Dadurch
würde die Wirtschaft weiter schrumpfen. Es sei weniger Geld im Umlauf. „Und
wo kein Geld ist“, so Paech“, „können die Banken auch nichts falsch
machen“. Das Publikum applaudiert. Denn darin sind sich hier im Raum alle
Paech einig. Die renditeorientierte Finanzwirtschaft ist eins der zentralen
Probleme.
20 Apr 2013
## AUTOREN
Gereon Asmuth
Gereon Asmuth
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Banken
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