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# taz.de -- Schwul und „zukunftsblind“: Steile Thesen über Keynes
> Ein Harvard-Professor verblüfft mit Aussagen über die sexuelle
> Orientierung des britischen Ökonomen. Später bedauert er sie. Keynsianer
> vermuten eine Kampagne.
Bild: Er ist für die Keynes-Kontroverse verantwortlich: Harvard-Professor Nial…
BERLIN taz | Mucksmäuschenstill soll es gewesen sein. Die rund 500 Zuhörer
auf der Investorenkonferenz im kalifornischen Carlsbad waren nämlich baff
über die Thesen, die ihnen der Harvard-Professor Niall Ferguson auftischte.
Der renommierte Wirtschaftshistoriker fragte, ob jemand im Raum wisse, wie
viel Kinder der Ökonom John Maynard Keynes wohl gehabt habe. Keins,
antwortete Ferguson: Der 1946 verstorbene Wirtschaftswissenschaftler sei
zwar mit einer Ballerina verheiratet gewesen. Aber mit ihr habe er lieber
über „Poesie“ gesprochen, als sich fortzupflanzen.
Die Zukunft, so Ferguson, habe Keynes nämlich nicht gekümmert. Kernthese:
Des Briten wirtschaftliche Überzeugungen seien schließlich durch dessen
Homosexualität geleitet, der Ökonom ohnehin „verweichlicht“ gewesen. Ein
„offensives“ Statement, bemerkt der Wirtschaftsblog „Businessinsider“.
Ferguson ging es weniger um private Vorlieben eines der wichtigsten
ökonomischen Vordenkers des 20. Jahrhunderts. Vielmehr wollte der
konservative Harvard-Mann Keynes’ vorgebliche Neigungen als Vehikel
benutzen, um auf Keynes’ Theorien einzudreschen: Dabei geht es um die
Frage, welche Rolle Regierungen in Wirtschaftsflauten übernehmen sollen:
investieren, um Jobs zu schaffen – oder sparen, um die Staatshaushalte zu
sanieren.
Auch in der Eurokrise ist das der Kern vieler Debatten: Ist das Spardiktat
für Griechenland oder Spanien für Elend und hohe Arbeitslosigkeit in den
Krisenländern verantwortlich? Oder: Kann der Staat nachhaltiger agieren,
wenn seine Finanzen gesund sind?
„Ich bin Keynesianer“, sagt der emeritierte Bremer Wirtschaftsprofessor
Rudolf Hickel. Er sieht in Fergusons Äußerungen sogar einen Teil einer
Kampagne: „Es wird vor nichts zurückgeschreckt, um die Theorien Keynes’ zu
denunzieren.“
## Ferguson rudert zurück
„Dumm und taktlos“ seien die Äußerungen gewesen, schreibt Ferguson
inzwischen selbst in seinem Blog. Er habe sich nur „spontan“ auf Keynes’
bekanntestes Zitat bezogen „In the long run we are all dead“ – „Auf lan…
Sicht sind wir alle tot“. Damit wollte Keynes Anfang der 20er Jahre etwas
gegen die Langfristbetrachtung seiner Zunft setzen – und zwar Lösungen, die
sofort helfen. Die Meinungsverschiedenheit mit Keynes hätte nichts mit
sexuellen Orientierungen zu tun, betont Ferguson.
„Doppelt dumm“ sei die Vorhaltung gewesen, weil „auch Leute, die keine
Kinder haben, sich um künftige Generationen kümmern“, schreibt er auf
seiner Website. Im Aufsatz „Ökonomische Möglichkeiten für unsere Enkel“
hatte Keynes genau darüber geschrieben. „Zweitens“, so Ferguson, „hatte …
vergessen, dass Keynes’ Frau Lydia eine Fehlgeburt hatte“.
6 May 2013
## AUTOREN
Kai Schöneberg
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