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# taz.de -- Ex-Goldman-Banker verurteilt: Sündenbock für Finanzkrise
> Sechs Jahre nach Ausbruch der Krise wird in den USA ein Investmentbanker
> wegen Betrugs verurteilt. Auch die Deutsche Bank ist im Visier der
> Börsenaufseher.
Bild: Schuld an allem: Fabrice Tourre.
BERLIN taz | Die Finanzkrise wird so langsam juristisch aufgearbeitet.
Jetzt hat ein New Yorker Gericht einen ehemaligen Händler der mächtigen
Investmentbank [1][Goldman Sachs] wegen Betrugs verurteilt. Fabrice Tourre,
zu seinen besten Zeiten bekannt als der „fabelhafte Fab“, soll ahnungslosen
Investoren US-Hypothekenpapiere als besonders werthaltige Anlagen angedreht
und gleichzeitig Wetten auf deren Wertverfall zugelassen haben.
Als die Immobilienblase 2007 platzte, wurden viele Hypotheken nicht mehr
weiter abbezahlt – und die davon abgeleiteten Wertpapiere de facto wertlos.
Das bedeutete den Ruin für viele naive Investoren wie auch die deutsche
Bank IKB, aber Milliardengewinne für diejenigen, die dagegen spekuliert
hatten.
Im Mittelpunkt des jetzigen Gerichtsverfahrens standen Wertpapierdeals, bei
denen Goldman Sachs mit dem Hedgefonds Paulson & Co. kooperierte. Die
Investmentbanker hatten die minderwertigen US-Hypotheken aufgekauft und in
eine Art Investmentfonds namens Abacus gepackt. Dort schnürten sie die
Immobiliendarlehen zu neuen hochkomplexen Wertpapierpaketen zusammen, die
sie anschließend an Anleger in aller Welt weiterverscherbelten.
## Strafmaß wird erst später bekanntgegeben
Gleichzeitig erlaubten sie Paulson gegen Geld einen näheren Einblick in die
neu verpackten Wertpapiere, ja sogar ein Mitspracherecht bei der Auswahl
der Papiere. Mit diesem Insiderwissen ausgestattet, wettete der
Hedgefondsmanager dann auf deren Kursverfall. Je mehr der Immobilienmarkt
in die Knie ging, desto größer waren seine Gewinne.
Dass der große Paulson gar nicht in Abacus investierte, sondern dagegen
spekulierte, wussten die anderen Kunden der Bank nicht. Die Jury befand
nun, Tourre hätte die Käufer seiner Wertpapiere zumindest auf den
Interessenkonflikt aufmerksam machen müssen. Das Strafmaß wird das Gericht
erst später bekanntgeben. Der Schuldspruch gilt aber schon jetzt als großer
Erfolg der US-Börsenaufsicht SEC, die damit erstmals einen individuellen
Banker zur Verantwortung zog. Die SEC hatte die Krise zwar nicht
verhindert, treibt aber als eine Art Wiedergutmachung deren Aufarbeitung
umso energischer voran. Und das im Übrigen nicht nur im Fall Goldman Sachs.
Auch die Deutsche Bank ist ins Visier der Börsenaufseher geraten.
Die Fälle Deutsche Bank und Goldman Sachs weisen viele Gemeinsamkeiten auf.
Beiden Großbanken war es auf scheinbar wundersame Weise gelungen, ohne
Kratzer durch die Finanzkrise zu navigieren. Beide hatten minderwertige
("subprime") Hypothekenpapiere verkauft, und beide kooperierten mit
Paulson. Ein Zivilverfahren gegen Goldman Sachs in den USA endete bereits
2010 mit einem Vergleich. Die Bank gab Fehler zu und zahlte 550 Millionen
Dollar Schadenersatz, unter anderem an die deutsche KfW, die die IKB
gerettet hatte. Eine eigene Schuld erkannte Goldman Sachs jedoch nicht an.
Die Deutsche Bank musste im März dieses Jahres im US-Bundesstaat
Massachusetts wegen ihrer Hypothekengeschäfte eine Geldbuße von 17,5
Millionen Dollar zahlen. Damit sind ihre juristischen Probleme aber nicht
beendet, weswegen sie gerade erst einen Gewinneinbruch melden musste. Rund
3 Milliarden Euro an Rückstellungen hat die Bank zur Sicherheit schon
vorgenommen. Und derzeit rollt in den USA eine weitere Klagewelle im
Zusammenhang mit der Finanzkrise. Dabei geht es um so genannte
Kreditausfallversicherungen (CDS), mit denen sich auf die Pleite von
Unternehmen oder Staaten wetten lässt.
## Toxische Darlehen für "Witwen und Waisen"
Die SEC ist in den USA allerdings durchaus auch in die Kritik geraten. Sie
habe mit Tourre nur einen relativ kleinen Fisch an die Angel genommen, die
wirklich Großen aber in Ruhe gelassen. Die Behörde wehrt sich dagegen mit
dem Hinweis darauf, dass sie bereits 66 hohe Manager für Verfehlungen im
Rahmen der Finanzkrise vor den Kadi gebracht habe. Man müsse sich aber
dabei eben auf die Fälle konzentrieren, wo klare Beweise vorlägen.
Tourre hatte dummerweise per E-Mail selbst einen Beweis dafür geliefert,
dass er sehr wohl wusste, was er da tat. Er verkaufe toxische
Immobiliendarlehen an „Witwen und Waisen“, schrieb er seiner Freundin.
Zumindest in dieser Hinsicht sah er nun seine Schuld ein: Das sei
geschmacklos gewesen, erklärte er dem Gericht.
2 Aug 2013
## LINKS
[1] http://www.goldmansachs.com/
## AUTOREN
Nicola Liebert
## TAGS
Krise
Wirtschaft
Goldman Sachs
Zypern
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