# taz.de -- Uranabbau im Kongo: Kongos strahlendes Geheimnis | |
> Das Bergbaurevier von Katanga wird zum geheimen Eldorado der | |
> Atomindustrie. Wer darüber recherchiert, begibt sich in Gefahr. | |
Bild: Schmuck aus Kupfererz – auch der kann winzige und gefährliche radioakt… | |
LUBUMBASHI taz | Es sind Bilder wie aus einem Horrorfilm, die Doktor | |
Gabriel Kapya auf seinem Schreibtisch ausbreitet. Sie zeigen Embryos: ohne | |
Kopf oder mit offener Bauchdecke, einer ist zweigeschlechtlich. Der | |
Gynäkologe verzieht vor Ekel das Gesicht, dabei hat er diese Babys selbst | |
entbunden. „Der kopflose Embryo war sogar am Leben“, sagt er. | |
Der kongolesische Arzt sitzt in seinem Büro in der Poliklinik Nummer 17 in | |
Lubumbashi, der Hauptstadt der Provinz Katanga im Süden der Demokratischen | |
Republik Kongo. Im Wartezimmer warten dutzende hochschwangere Frauen, die | |
meisten machen ein besorgtes Gesicht. | |
Doktor Kapya gilt als Spezialist in der Früherkennung von Missbildungen – | |
unfreiwillig hat er damit in den 31 Jahren seiner Berufslaufbahn viele | |
Erfahrungen gemacht, weil er als Betriebsarzt für das größte staatliche | |
Mineralienunternehmen Gécamines die Schürfer und deren Familien versorgte. | |
Zum Höhepunkt des globalen Rohstoffbooms 2007, als die Kupferpreise in die | |
Höhe schossen und tausende Schürfer illegal in die verlassenen | |
Tagebaugelände strömten, seien besonders viele Fälle aufgetaucht. „Ich | |
hatte damals innerhalb von drei Monaten sechs Fälle ganz seltener | |
Missbildungen“, sagt er. Auch das Kind ohne Kopf war dabei. | |
„Das Schlimme war immer, dass wir den Frauen die Föten nicht zeigen | |
konnten. Sie wären schwer traumatisiert worden“, sagt Kapya. Doch was ist | |
der Grund für diesen Horror? Der Arzt schweigt einen Moment. „Die einzige | |
Erklärung, die wir dafür finden konnten, war, dass wohl beide Elternteile | |
in den Minen über lange Zeit hinweg radioaktiver Strahlung ausgesetzt | |
waren.“ | |
## Heute Sperrgebiet | |
Die Provinz Katanga mit der Hauptstadt Lubumbashi liegt mitten im Herzen | |
des Kupfergürtels, der sich vom Süden des Kongo nach Sambia zieht. Hier | |
lagern in abertausenden Schichten unter der Erde die seltensten Rohstoffe | |
in weltweit einmaliger Konzentration: Kupfer und Kobalt, seltene Erden – | |
und Uran. Berühmt und berüchtigt wurde diese Gegend durch die US-Atombomben | |
auf Hiroshima und Nagasaki 1945. Das Uran dafür stammte aus der Mine | |
Shinkolobwe, 120 Kilometer entfernt. | |
Heute ist Shinkolobwe Sperrgebiet. Uranabbau und -export wurde 2004 per | |
Präsidialdekret verboten. Offiziell buddeln im Umland viele internationale | |
und lokale Rohstoffunternehmen sowie eine Armada an selbständigen Schürfern | |
nur nach Kupfer oder Kobalt. Doch in der Schattenwirtschaft dreht sich in | |
Katanga nach wie vor alles um das seltene, strahlende Uran. | |
UN-Ermittlungen haben ergeben, dass Geheimdienstler den Schmuggel über die | |
Grenzen nach Sambia und Tansania orchestrieren. Von dort aus geht es auf | |
den Weltmarkt: auch nach Iran und Nordkorea, so die Ermittler. Die | |
offiziell geschlossenen Minen würden von der Präsidentengarde bewacht. | |
## Immer auf der Hut | |
Deswegen gilt der Uranhandel als Kongos Staatsgeheimnis Nummer eins. „Uran | |
lagert nicht nur in Shinkolobwe, sondern überall, vermischt mit Erzen“, | |
erklärt Jean-Claude Baka von der Menschenrechtsorganisation Asadho | |
(Afrikanischer Verband zur Verteidigung der Menschenrechte). Man könne in | |
jeder Mine auf Uran stoßen. | |
Der Anwalt sitzt in einem der feinen Hotels der Innenstadt. Aus seiner | |
Tasche holt er einen türkisgrünen Klumpen, ein Stück Kupfererz. „Auch hier | |
sind in winzig kleinen Anteilen radioaktive Elemente drin“, sagt er. | |
Der kleine hagere Mann gilt in Katanga als der Frontmann im Kampf gegen | |
Verstrahlung. Asadho hat Langzeitstudien veröffentlicht. Seit 2004 besucht | |
Baka regelmäßig die Siedlungen entlang des Flusses Kafubu, rund 30 | |
Kilometer südöstlich. Hier gefährden laut Asadho nicht nur giftige | |
Chemikalien die Gesundheit, sondern auch radioaktive Strahlung. | |
## Wegen Landesverrats verhaftet | |
Bakas Chef Golden Misabiko hatte 2009 einen Deal aufgedeckt, in dem | |
Präsident Joseph Kabila dem französischen Nuklearkonzern Areva das Gebiet | |
um Shinkolobwe zusicherte. Misabiko wurde vom Geheimdienst verhaftet, wegen | |
Landesverrats. Er kam erst auf internationalen Druck wieder frei. Heute | |
lebt er im Exil in Südafrika, Kollege Baka hält in Lubumbashi die Stellung. | |
Vorerst noch. | |
Baka guckt sich immer wieder nervös um. Mit Journalisten gesehen zu werden, | |
ist gefährlich für ihn. Als sich Männer am Nebentisch im Hotelgarten | |
niederlassen und schweigend in die Luft gucken, wird Baka misstrauisch. Er | |
spurtet durch die Lobby zum Auto: „Ich muss immer achtsam sein“, sagt er. | |
Die gut geteerte Straße in Richtung Südosten führt zuerst durch das | |
Stadtviertel, wo das staatliche Unternehmen Gécamines ansässig ist, in dem | |
Doktor Kapya so lange gearbeitet hat. Die elfstöckige Firmenzentrale, | |
umgeben von Arbeitersiedlungen, ragt wie ein Flaggschiff in den Himmel: | |
Einst belgischer Kolonialbetrieb zur Ausbeutung des Kupfergürtels, fuhr der | |
Gigant nach der Unabhängigkeit 1960 enorme Gewinne ein. Dann wurde der | |
Konzern unter der Mobutu-Diktatur von korrupten Beamten restlos | |
ausgemolken, bis er unterging wie die „Titanic“. Seine Minen lagen brach | |
und wurden Objekt der Begierde von Schürfern und Schmugglern. | |
## LKWs verteilen den Staub | |
Jenseits der Firmenzentrale zeigt Baka auf einen gewaltigen Haufen. Ein | |
Förderband führt an der Flanke den Hügel hinauf, ein Trog kippt oben die | |
Schlacke ab, die bei der Kupferverhüttung anfällt. Seit Gründung von | |
Gécamines wächst dieser Haufen, genannt „Terril de Lubumbashi“, gen Himme… | |
Auch die Zweitverwertung der Schlacke ist ein lukratives Geschäft. „Damit | |
lassen sich Straßen ausbessern“, erklärt Baka und zeigt auf einen | |
vollbeladenen Lastwagen, der das Fabrikgelände verlässt. | |
Bergbaufirmen sind gesetzlich verpflichtet, als Entschädigung für die | |
Umweltverschmutzung Straßen zu reparieren. „Das Problem ist, dass sich auch | |
in diesen Überresten radioaktive Partikel befinden“, sagt Baka und kurbelt | |
schnell das Autofenster hoch. „Diese Lkws verteilen den radioaktiven Staub | |
überall in der Stadt.“ Später im Hotel messen wir mit dem Geigerzähler den | |
Staub auf der Fensterbank, und tatsächlich – er schlägt aus. | |
Rund 30 Kilometer außerhalb biegt Baka zwischen Hügeln und Maisfeldern auf | |
einen Feldweg ein. Am Ende stehen drei ärmliche Holzhütten. Dahinter liegen | |
einige künstliche Fischteiche. Sie werden mit Wasser aus dem Kafubu-Fluss | |
gespeist. Wenige Kilometer flussaufwärts liegt die Mine Luiswishi. | |
## Verseuchtes Wasser | |
Seit fast zehn Jahren besucht Baka hier regelmäßig Ariette Kapinga. Die | |
alte Frau erzähle ihm immer schreckliche Geschichten, sagt er. Tote Fische | |
im Teich, der Mais wachse nicht, Kinder stürben an Durchfall, | |
Hautreizungen. „Das liegt an den Überresten der Chemikalien aus dem Bergbau | |
im Wasser, doch manchmal messen wir auch Radioaktivität“, sagt Baka. Er | |
beugt sich in den Tümpel, um eine Plastikflasche zu füllen. Dann hantiert | |
er mit dem digitalen Geigerzähler. Doch er piepst nur ganz schwach. | |
Auf dem Rückweg wird Bakas Wagen gestoppt: Fünf Männer in Zivil, mit | |
Funkgeräten und Pistolen am Gürtel, prüfen die Papiere. Sie kennen Baka, | |
Baka kennt sie. Die gleichen Leute hatten 2009 auch seinen Boss Misabiko | |
festgenommen. Als sie Journalisten sehen, winken sie: mitkommen. Baka | |
lassen sie gehen. | |
## Weihnachtslieder | |
Katangas Geheimdienstzentrale wirkt wie eine Ruine. Die Fensterscheiben | |
sind kaputt, die Farbe ist von den Wänden abgeblättert. Nirgends steht ein | |
Computer. Im Treppenhaus riecht es nach Urin. Im Wartezimmer des Chefs | |
sitzen Männer mit Sonnenbrillen und Funkgeräten. Im Hintergrund laufen | |
Weihnachtslieder, dabei ist Weihnachten schon lange her. | |
Im Chefbüro brummt die Klimaanlage. Hier ist es gefühlte 20 Grad kälter. | |
Der Chef, der einen feinen Anzug und eine goldene Uhr trägt, lehnt in | |
seinem Ledersessel, er beäugt die Flachbildmonitore. Sie übertragen Bilder | |
von Überwachungskameras. In der Ecke steht ein Maschinengewehr. „Was wollt | |
ihr?“, fragt er ohne Begrüßung. | |
Für 200 Dollar lässt er sich breitschlagen. Er verspricht unter | |
Begleitschutz eine „Minentour“. In einem klapprigen Geländewagen fahren uns | |
die Männer zuerst in eine Kneipe, Bier trinken. Anschließend auf einen | |
Touristenmarkt in einem Dorf nahe Luiswishi. Dort gibt es Armreifen und | |
Anhänger aus Erz. | |
Erst nachts treffen wir Baka heimlich in einer dunklen Gasse. „Der ganze | |
Staatsapparat ist bemüht, das Geheimnis zu hüten“, sagt er kopfschüttelnd. | |
Dann fragt er nach den Armreifen. „Auch die können strahlen“, warnt er. | |
Doch der Geigerzähler schlägt nicht aus. | |
## Mächtiger Honorarkonsul | |
Aus der Mine Luiswishi soll laut UN-Ermittlern illegal gehandeltes Uran | |
stammen, wenn auch nur schwach radioaktives. Die Mine betreibt CMSK | |
(Minenunternehmen Süd-Katanga), ein Konsortium aus Gécamines und der | |
privaten Forrest Group. | |
Ein künstlicher Wasserfall rauscht die Glasfassade des Forrest-Firmensitzes | |
in Lubumbashi hinunter. Masken und Holzstatuen schmücken den Korridor. Im | |
Chefbüro trinkt Katangas Gouverneur Moise Katumbi Kaffee mit seinem Freund | |
George Forrest, Kongos mächtigstem Privatunternehmer. | |
## Türöffner für internationale Konzerne | |
Laut Wikileaks-Depeschen wird Forrest verdächtigt, Uran in den Iran | |
verkaufen zu wollen. Auch die Luiswishi-Mine wird genannt. Die UN-Ermittler | |
stießen auf ähnliche Hinweise. Forrest ist auf die Frage vorbereitet: „Man | |
beschuldigt uns immer, aber noch keiner hat auch Beweise geliefert“, sagt | |
er patzig. Er werde dagegen vor Gericht ziehen. | |
Der alte Forrest hat ein lukratives Image zu verteidigen. In der Branche | |
gilt er als Türöffner für internationale Konzerne, die in Katanga Fuß | |
fassen wollen. Als Honorarkonsul Frankreichs hatte er auch den Areva-Deal | |
zur Urankonzession von Shinkolobwe mit eingefädelt. | |
Areva interessiert sich nicht nur für kongolesisches Uran. Auch in Mali, | |
Niger und der Zentralafrikanischen Republik hat der Weltmarktführer in der | |
Atomenergiebranche Konzessionen erworben. Das Wettrennen um Afrikas Uran | |
hat begonnen. | |
6 Jun 2013 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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