# taz.de -- Schweizer Konzern als Umweltsünder: Gesundheitsschäden sind der L… | |
> Das Schweizer Unternehmen Glencore baut Kupfer in Sambia ab. Doch die | |
> Mine verpestet die Umwelt und macht die Arbeiter und ihre Familien krank. | |
Bild: Saures Wasser im Garten. Auch die Kinder von Familie Mwansa leiden schon … | |
MUFULIRA taz | Der kleine Ball fliegt in hohem Bogen durch die Luft. Die | |
groben Nähte halten die graue Lumpenkugel zusammen, die Jungen rennen dem | |
Fußball hinterher. Sie spielen auf dem roten Sandweg vor den | |
schachbrettartig angeordneten Häusern in einer etwas heruntergekommenen | |
Arbeitersiedlung. Die Gemeinde Butondo gehört zu der Stadt Mufulira im | |
Norden Sambias, wo sich die Copperbelt-Provinz, das größte | |
Kupferabbaugebiet Afrikas, befindet. | |
Hinter dem Spielplatz der Kinder ragt ein großer grauer Hügel aus | |
kiesartigem Gestein wie ein Meer von Hochhäusern am Gemeinderand empor. Er | |
ist mit grünen Plastikplanen bedeckt. Sie sollen den gesundheitlichen | |
Schaden begrenzen, den der Wind transportiert: Bläst er in Richtung | |
Butondos, nimmt er eine gehörige Portion Schwefelsäure vom Hügel mit und | |
treibt sie den Anwohnern in die Augen, Lungen und unter die Haut. | |
Der Berg ist ungesund, sagen die Dörfler. „Er macht unsere Leute krank.“ | |
Aber bringt enormen Profit für das Schweizer Bergbauunternehmen Glencore. | |
Der Konzern hat die Mopani-Mine in Mufulira 2001 dem Staat Sambia abgekauft | |
und sich mittlerweile 73 Prozent der Anteile an einer der größten | |
Minengesellschaften Sambias gesichert. Die Mopani-Mine gewinnt wertvolles | |
Kupfermetall, das bei Aufsprühen von Säure dem Erzgestein entzogen wird. | |
Durch die offenen Fenster weht eine leichte Brise in das schlichte Haus der | |
Familie Mwansa. Silas sitzt in einem schweren dunklen Sessel im Wohnzimmer | |
und wartet auf Schichtbeginn. Der 39-Jährige arbeitet seit acht Jahren im | |
Mopani-Werk. Wenn er untertage fährt, bekommt er Panikattacken. „Ich kriege | |
nur schwer Luft“, sagt er mit schleppender Stimme. Seit einem Jahr hat er | |
Asthma, „von der Säure“. | |
## Nasenbluten, Atemnot und Kopfschmerzen | |
Seine Frau Fiona sitzt mit besorgtem Blick neben ihm. Auch ihre drei Kinder | |
klagen über Nasenbluten, Atemnot und Kopfschmerzen. Die 32-jährige | |
zierliche Frau greift ins Wandregal, in dem viele Schachteln stecken. | |
Medikamente, Atemmasken. Der zweieinhalbjährige Fabulous blickt zur Seite, | |
seine Mutter streicht ihm über den Kopf. „Er braucht oft eine. Besonders | |
nachts, wenn er aufwacht und keine Luft bekommt.“ Der sechsjährige Fedlan | |
fasst sich an die Stirn. „Da tut es weh“, sagt er. | |
Auch sein großer Bruder Fortune leidet unter schweren Asthma-Anfällen. | |
„Nachher stirbt noch eins meiner Kinder“, fürchtet Fiona. Es gibt keine | |
Ambulanz, die nachts die Patienten in ein Krankenhaus fahren kann, wenn die | |
örtliche Klinik schon geschlossen hat. | |
Silas ist schweigsam. Die Bedingungen im Schacht sind nicht gut, der Lohn | |
ist karg. 3,5 Millionen Kwacha erhält er – rund 600 US-Dollar im Monat. | |
Überstunden werden selten bezahlt. Silas muss wie viele Arbeiter in der | |
Siedlung eine große Familie ernähren, insgesamt acht Verwandte. Hinzu kommt | |
noch das Schulgeld. Die Firma zahlt nur seine Arztkosten. Protestieren will | |
er nicht. „Ich fürchte um meinen Job.“ Die Angst geht um in Butondo. „Wir | |
wollen saubere Luft atmen und uns sicher fühlen“, sagt Fiona bestimmt. | |
„Sogar das Gemüse im Garten geht ein – der Boden ist sauer.“ | |
Im Hof sitzt Fionas Großmutter unter einem Baum. Sie überwacht, wie Fiona | |
ihren kleinen Sohn in einer Plastikschüssel im Garten badet. „Unser Wasser | |
ist oft sauer. Es kommt aus der Erde“, erklärt die Nachbarin und zeigt auf | |
ein schlammiges Loch. Die Palmenblätter biegen sich leicht im Wind, der vom | |
Hügel kommt. Der liegt wie ein bedrohlicher Schatten am Horizont. „Unser | |
Leben ist eine Selbstmordmission“, sagt die Nachbarin aufgebracht. Dann | |
geht sie mit Fiona und Fionas Mutter zum Treffen der Gemeindevertreter. | |
## Warten auf den Report | |
„Wir wollen umgesiedelt werden“, fordert Fionas Mutter unterwegs. Sie trägt | |
eine schwarze Lockenperücke und hat das gleiche Lächeln wie ihre Mutter und | |
ihre Tochter. „Sie bringen uns langsam um, von innen heraus“, sagt sie. | |
„Aber wir geben nicht auf, wir kennen unsere Rechte.“ Die in Kitwe | |
ansässige Umweltorganisation Citizens For A Better Environment (CBE) hat | |
die Menschen von Butondo über die Gesundheitsschäden des sauren Regens | |
aufgeklärt. Von terre des hommes finanziell unterstützt, arbeitet CBE seit | |
2007 mit der Gemeinde zusammen. | |
„Wir haben nicht nur Nasenbluten und Hautausschläge, sondern verlieren auch | |
unsere Zähne“, sagt eine Frau in der Versammlung und zeigt in ihren Mund. | |
Zwölf Menschen sind zusammengekommen, sie sprechen für die Gemeinde. Die | |
Frauen auf einer Seite des Wohnzimmers, die Männer auf der anderen. Die | |
rundliche Hausherrin stellt Plätzchen auf den Tisch und nickt auffordernd. | |
Newton Chansa führt meist das Wort: „Der Reichtum, den die Bergwerke | |
gewinnen, ist unser Reichtum.“ Die Menschen in Butondo warten ungeduldig | |
auf die Ergebnisse eines von der Regierung in Auftrag gegebenen | |
Gesundheitsberichts. „Darin wird alles bestätigt, das ist die Basis zum | |
Handeln“, sagt Chansa und wedelt mit einem braunen Umschlag durch die Luft. | |
Er enthält eine Einladung für den Leiter des Gesundheitsamts zum Gespräch | |
am nächsten Tag. | |
Chansa hat sein weißes Hemd geöffnet, es ist heiß im Raum. Er ist | |
Vorsitzender der Regierungspartei im Ort, ein charismatischer Typ. Seine | |
freundliche Stimme wird fordernd: „Entweder die Mine schließt, oder wir | |
gehen.“ Doch wohin? Der Ort lebt von den Arbeitsplätzen im Bergwerk. | |
## Dürftiger Schutz | |
Die Einwohner von Butondo haben in der Vergangenheit schon mehrfach gegen | |
die hohe Luftverschmutzung demonstriert. Die staatliche Umweltbehörde Zema | |
(Zambia Environmental Management Agency) schaltete sich daraufhin im März | |
2012 ein. Untersuchungen bestätigten SO2-Ausstöße, die weit über den | |
internationalen Grenzwerten lagen. Sogar Sambias neuer Vizepräsident Guy | |
Scott kam zur Inspektion. | |
Aber nachdem das Werk einige Auflagen erfüllt hatte, durfte es Ende April | |
die Arbeit wieder aufnehmen. Seither deckt die Plane einen Teil des Hügels | |
ab. Und die Säure wird nur noch getröpfelt, nicht gesprüht. „Weht der Wind | |
stärker zu uns, wird die Anlage auf dieser Hügelseite abgeschaltet“, | |
berichtet Chansa. Schnell wachsende Bäume seien entlang des Werkszaunes | |
gepflanzt worden. „Das alles reicht aber nicht als Schutz für 10.000 | |
Einwohner“, ruft er empört in die Versammlung. | |
Immerhin nimmt Francis Imasiku, Gesundheits- und Umweltsprecher der | |
Mopani-Mine, das Telefon ab. Er darf aber nichts aus | |
Unternehmensperspektive sagen. Laut Untersuchungen der sambischen | |
Umweltbehörde 2011 ist der Langzeitrichtwert für Schwefeldioxid in Mufulira | |
um 100 Prozent überschritten. Glencore bezeichnete damals die Vorwürfe der | |
Gesundheitsschäden als nicht fundiert. Die sambische Umweltbehörde hat nun | |
dem Großkonzern eine Frist bis zum Jahr 2015 gesetzt, um die Kupferhütte zu | |
sanieren. Glencore behauptet, mit Neuinvestitionen langfristig 97 Prozent | |
aller Emissionen zu verhindern. | |
In der nahen Bergbaustadt Kitwe trifft Chansa auf seinen Kontaktmann in | |
Sachen Umweltschutz: Peter Sinkamba, Leiter der Umweltorganisation CBE, | |
sitzt dort in einem kleinen Büro. Infomaterial und Untersuchungsberichte | |
kommen frisch aus der Druckmaschine, die Telefone klingeln, das Faxgerät | |
ist in Arbeit. An den Wänden kleben Fotos wie auf einer riesigen Pinnwand | |
nebeneinander. Sie zeigen die Umweltsünden des Bergbaus im Kupfergürtel. | |
Verschmutzte Wasserläufe, schwarzer Rauch aus Schornsteinen, brennende | |
Müllhalden. Peter Sinkamba grinst gelassen: „Wir haben viel zu tun in | |
Sambia.“ | |
## Mehr Druck auf die Konzerne | |
Sambias einseitige Abhängigkeit vom Kupferbergbau hat zu schwerwiegenden | |
Umweltproblemen geführt. So werden beim Raffinieren der Kupfererze der | |
Minen im Norden des Landes große Mengen an Arsen und Kohlendioxid frei. | |
Viele Bergbaubesitzer exportierten Kupfer im Wert von Milliarden Euro, | |
haben aber bisher kaum Steuern gezahlt. Glencore ist da kein Einzelfall, | |
aber einer der größten Verschmutzer. | |
Der neue sambische Präsident Michael Sata hatte versprochen, das zu ändern. | |
Er ist seit einem Jahr im Amt. Sata hätte schon Druck auf Glencore und | |
andere Konzerne ausgeübt, meint der CBE-Leiter. Die Konzernleitung habe | |
Auflagen bekommen. Zu wenig sei aber getan worden, um die Menschen zu | |
schützen. „Die Politiker in Sambia meinen es mit dem Umweltschutz nicht | |
ernst“, sagt Peter Sinkamba. Im Haushalt stünden weniger als ein Prozent | |
Mittel dafür bereit. Sinkamba setzt – wie die Einwohner von Butondo – auf | |
den Gesundheitsreport: „Darin muss die Gegend zum Katastrophengebiet | |
erklären werden.“ | |
In Butondo sind die Stimmen leiser geworden. Die Einwohner sitzen in ihren | |
Häusern. In Fionas Nachbarstraße spielen die Kinder nicht mehr – der | |
lumpige Fußball ist mit den Jungen verschwunden. Die Mütter haben sie | |
hereingeholt, denn der Wind hat sich gedreht. | |
4 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Martina Schwikowski | |
Martina Schwikowski | |
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