| # taz.de -- SPD-Schattenminister Matthias Machnig: Im Leerlauf | |
| > Zweimal verhalf er Schröder zur Kanzlerschaft. Trotzdem kann Matthias | |
| > Machnig als Energieexperte im Schattenkabinett der SPD nicht punkten. | |
| Bild: Bleibt immer irgendwie im Hintergrund: Matthias Machnig. | |
| BERLIN taz | Matthias Machnig hat lange gewartet. Im Foyer des | |
| Willy-Brandt-Hauses drängen sich die Journalisten. Kameras klicken, die | |
| Sitzplätze reichen nicht, die Presseunterlagen müssen nachkopiert werden. | |
| Braungebrannt und offensiv lächelnd steht er hinter dem Rednerpult in der | |
| SPD-Parteizentrale, die Beine über Kreuz, die Hände mal in die eine, mal in | |
| die andere Hosentasche vergraben, dann greift er dynamisch nach dem Pult. | |
| Hier kann es einer kaum erwarten, endlich wieder vor großem Publikum zu | |
| Wort zu kommen. | |
| Es ist Mitte August, die erste große Pressekonferenz, seitdem Machnig von | |
| Peer Steinbrück offiziell in sein „Kompetenzteam“ aufgenommen wurde als | |
| Experte für Energiepolitik. Der SPD-Kanzlerkandidat steht an diesem Morgen | |
| neben Machnig, sie stellen gemeinsam ein „10-Punkte-Sofortprogramm für eine | |
| erfolgreiche Energiewende“ vor. Steinbrück hat den Vorteil, als Erster | |
| sprechen zu dürfen. Als Machnig anschließend das Wort hat, lässt er es sich | |
| nicht so schnell wieder nehmen. | |
| Während Steinbrück nach einer Frage noch kurz Luft holt, hat Machnig schon | |
| die Antwort parat. Ist der Kanzlerkandidat doch mal schneller, fällt | |
| Machnig ihm ins Wort. Selbst die Grimassen, mit denen sich Steinbrück auf | |
| offener Bühne über seinen redseligen Schattenminister lustig macht, können | |
| Machnig nicht stoppen, wenn er sich über den „massiven Strompreisanstieg“ | |
| ereifert, für den er das „Herum-Merkeln“ und die „lose verkoppelte | |
| Anarchie“ der Bundesregierung verantwortlich macht. | |
| Machnig ist auf Entzug – die Hauptstadt und die große Politik scheinen ihm | |
| zu fehlen. In den Wahlkämpfen 1998 und 2002 war er als Leiter der „Kampa“ | |
| für die Siege von Gerhard Schröder mitverantwortlich, wurde in Zeitungen | |
| als „Maschinist der Macht“ und „Stimmenfänger“ gefeiert. Nach einem | |
| Zerwürfnis mit Schröder und einer dreijährigen Auszeit als | |
| Unternehmensberater kehrte er unter Sigmar Gabriel als Staatssekretär im | |
| Bundesumweltministerium auf die politische Bühne zurück. | |
| ## Die Menschwerdung | |
| Doch dann verschlug ihn der Machtverlust der SPD auf Bundesebene in die | |
| Provinz. Um entsprechend seiner früher einmal gegebenen Definition – „In | |
| der SPD fängt der Mensch erst beim Minister an“ – die eigene Menschwerdung | |
| zu vollenden, geht Machnig 2009 nach Thüringen – als Superminister für | |
| Wirtschaft, Arbeit und Technologie unter CDU-Ministerpräsidentin Christine | |
| Lieberknecht. | |
| Seitdem besteht das politische Leben des Großstrategen aus | |
| Grundsteinlegungen in Neustadt oder Jena, Potenzialanalysen für das | |
| Thüringer Handwerk und Förderkonzepten für den lokalen Tourismus. Dass er | |
| sich in Thüringen unterfordert fühlt, bestreitet er öffentlich. Stattdessen | |
| verkündet er freudig, mit 82 Prozent einen Spitzenwert an Bekanntheit unter | |
| den Landesministern einzunehmen. | |
| Doch auf die Frage, was für ihn den Höhepunkt seiner Ministertätigkeit | |
| ausmacht, folgt eine vielsagende Pause – dann berichtet er mit ernsthaftem | |
| Stolz, dass er als erster Minister die öffentliche Investitionsförderung | |
| erfolgreich an eine Obergrenze für Leiharbeit geknüpft hat. Um schließlich | |
| nachzusetzen: „Mir sind die Grenzen von Landespolitik bewusst.“ | |
| Jetzt also der Anlauf zu einem Ministeramt auf Bundesebene. Dafür | |
| verzichtet der Genussmensch nicht nur wochenlang völlig auf Alkohol und | |
| weitgehend auf Fleisch. Er tut sich auch ein noch stressigeres Programm an | |
| als ohnehin üblich. Um halb acht am Morgen holt ihn der Fahrer ab, gegen | |
| Mitternacht bringt er ihn an vielen Tagen zurück. Dazwischen liegen Termine | |
| in ganz Deutschland, bei denen er für eine andere Energiepolitik trommelt. | |
| So wie an diesem Augustmontag im Industriegebiet von Braunschweig. In | |
| Begleitung der SPD-Abgeordneten Carola Reimann besucht Machnig das | |
| Unternehmen Solvis, einen mittelständischen Hersteller von Solarmodulen und | |
| Heizkesseln. Er tut, was Politiker bei solchen Terminen so tun: | |
| interessierte Fragen stellen („Was macht ihr hier so?“), von eigenen | |
| Erfahrungen berichten („Ich habe auch mal gebaut“), mit dem Firmenchef vor | |
| einem Solarkollektor für die Fotografen posieren („Sie erklären und ich | |
| höre zu“). | |
| ## Geringer Werbeeffekt | |
| Doch außer der taz sind keine Medien erschienen. Auch als Matthias Machnig | |
| einige Tage später von Erfurt nach Berlin reist, um mit den Umweltschützern | |
| der Klimaallianz sein Programm zu diskutieren, verläuft sich nur eine | |
| Handvoll Journalisten in die SPD-Zentrale. Die entscheidende | |
| Oppositionsstimme zur Energiepolitik der Regierung, das muss er in solchen | |
| Momenten schmerzhaft erfahren, sind nach wie vor die Grünen. | |
| Beim ihm, dem designierten Umweltminister der SPD, interessieren sich viele | |
| Journalisten mehr für seine Einschätzung der Wahlkampagne seiner Partei. | |
| Als ehemaliger Kampagnenchef, der als genauer Planer, als Perfektionist | |
| gilt, dürfte er angesichts des chaotischen Wahlkampfs der SPD Qualen | |
| leiden. Doch er schweigt eisern. „Ich kommentiere keine Wahlkämpfe, ich | |
| führe sie“, sagt Matthias Machnig. Einen Tipp an den Kanzlerkandidaten kann | |
| er sich dennoch nicht verkneifen: „Ironie würde ich zurückstellen.“ | |
| Matthias Machnig weiß, dass er lange als einer galt, dem es um Macht geht, | |
| nicht um Inhalte. Zur Umwelt- und Energiepolitik ist er eher zufällig | |
| gekommen, im Gefolge seines Vertrauten Sigmar Gabriel. Doch auch | |
| innerparteiliche Gegner bescheinigen ihm, dass er sich schnell | |
| eingearbeitet hat. Und in Thüringen, wo viele Unternehmen der Solarbranche | |
| ihren Sitz haben, ist ihm die Energiewende tatsächlich zu einem Anliegen | |
| geworden – sie ist nun Inhalt und Schlüssel zur Macht gleichermaßen. | |
| Im Machnigs Privatleben angekommen ist das Thema allerdings noch nicht. Das | |
| Haus in Bonn, das jetzt seine Exfrau bewohnt, hat noch eine alte, | |
| ineffiziente Ölheizung, räumt Machnig während des Firmenbesuchs in | |
| Braunschweig ein. Und von den Stadtwerken Erfurt bezieht er einen jener | |
| überteuerten Grundversorgertarife für Strom, gegen die er bei der | |
| Vorstellung des 10-Punkte-Programms am lautesten gewettert hat. | |
| Nicht nur in dieser Hinsicht ähnelt er dem CDU-Minister Peter Altmaier, den | |
| er gern beerben würde. Beide bezeichnen ihr persönliches Verhältnis als | |
| gut; im letzten Jahr handelten sie gemeinsam eine geringere Vergütung für | |
| Solarstrom aus. Doch schon im Frühjahr blockierte Machnig Altmaiers | |
| Strompreisbremse rigoros – obwohl die inhaltlichen Differenzen überschaubar | |
| waren. Und im Wahlkampf lässt er eigentlich kein gutes Haar an seinem | |
| Gegenspieler, verspottet ihn als „Weltmeister im Ankündigen“. | |
| In der direkten Begegnung gelingt die Abgrenzung nicht immer. Ende August | |
| im Studio der SWR-Talkshow „2+Leif“ gegenüber vom Bundestag trifft Machnig | |
| erst kurz vor Beginn der Aufzeichnung ein. Der Smalltalk mit Altmaier ist | |
| kurz, aber freundlich. „Geht’s gut?“, fragt Machnig. „Sie nehmen ab – | |
| passend zu den Umfragewerten“, scherzt Altmaier. Als die Kamera läuft, | |
| setzt Machnig auf Angriff, doch Altmaier lässt den Herausforderer | |
| auflaufen. „Wenn Rot-Grün ihn ließe, dann würden wir uns schnell einig“, | |
| stichelt er. | |
| „Nice try“, ruft Machnig und verzieht das Gesicht zu einem Grinsen. Doch | |
| den Eindruck, dass die SPD mit ihrer Haltung zu Industriesubventionen und | |
| Kohlekraftwerken weiter von den Grünen als von der Union entfernt ist, kann | |
| er kaum widerlegen. „Das riecht alles nach Großer Koalition“, lautet das | |
| Resümee des SWR-Moderators Thomas Leif. | |
| ## Ramelow hofft auf ihn | |
| In einem solchen Bündnis regiert Machnig auch in Thüringen. Rot-Rot-Grün | |
| wäre dort rechnerisch möglich gewesen und ist ernsthaft verhandelt worden. | |
| Doch obwohl die Linkspartei als stärkste Fraktion mit Rücksicht auf die SPD | |
| bereit war, auf das Amt des Ministerpräsidenten zu verzichten, entschied | |
| sich diese am Ende für die Union. Mit CDU-Ministerpräsidentin Christine | |
| Lieberknecht sieht sich Machnig auf Augenhöhe – „eine Chefin habe ich | |
| nicht“, sagt er. | |
| In der Affäre um ihren freigestellten Sprecher greift er Lieberknecht | |
| scharf an, beim Thema Mindestlohn treibt er sie zu einer weitreichenden | |
| Initiative. Linken-Fraktionschef Bodo Ramelow hat die Hoffnung auf eine | |
| neue Mehrheit in Thüringen noch nicht ganz aufgegeben. „Ich kann mir immer | |
| noch gut vorstellen, mit ihm Politik zu machen“, sagt er über Machnig. Er | |
| lobt ihn als instinkt- und themensicher. | |
| Ob Matthias Machnig, falls es mit dem Ministeramt in Berlin nichts wird, in | |
| der thüringischen Provinz bleibt und dort möglicherweise um das Amt des | |
| Ministerpräsidenten kämpft, darüber schweigt dieser sich aus. Das Reden | |
| über die absehbare Niederlage ist für den Kampagnenprofi ein Tabu. Mögen | |
| die Aussichten auch noch so schlecht sein, die äußeren Bedingungen noch so | |
| mies: Bis zum 22. September wird Machnig weitermachen – eine Machtmaschine | |
| im Leerlauf. Noch eine Gauloise, eine Cola light, dann geht es weiter. | |
| 4 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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