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# taz.de -- Rot-rot-grüne Koalition: Das linke Gespenst
> Eine Koalition aus SPD, Grünen und Linken passt in die Zeit. Doch es
> fehlt an einer wichtigen Voraussetzung: dem gegenseitigen Vertrauen.
Bild: Ignorieren hilft nicht: Peer Steinbrück (l.) und Gregor Gysi
Rot-Rot-Grün wäre, wenn es nur um politische Inhalte gehen würde, eine
machbare Regierung. SPD und Linkspartei sind sich in Kernfragen näher als
je zuvor. Peer Steinbrücks Plädoyer für Mindestlohn klingt manchmal, als
wäre es von Oskar Lafontaine. Rot-Rot-Grün passt in die Zeit. Dass man die
Finanzmärkte entschlossener regulieren muss und dass das untere Viertel
mehr Geld und bessere Arbeit braucht, ist in weiten Teilen der Gesellschaft
Konsens.
Mehr Staat wagen. Schwierig wäre eine rot-rot-grüne Regierung vor allem für
die Linkspartei. In der Außenpolitik müsste sie sich von ihrem abstrakten
Moralismus und identitätspolitisch aufgeladenen Pazifismus verabschieden.
Dabei würde sie einen Teil ihres linken Flügel verlieren. Allerdings gilt
auch in der Außenpolitik: Die realen Unterschiede sind geringer als die
gefühlten. Die Zeiten, als Rot-Grün Lust auf militärische Interventionen
hatte, sind derzeit vorbei.
Auch machttaktisch spricht einiges für ein Dreierbündnis. Es ist die
einzige greifbare Chance für die SPD, mal wieder den Kanzler zu stellen.
Ohne Rot-Rot-Grün wird die SPD im besten Fall vor der trostlosen Frage
stehen, ob sie sich in einer Großen Koalition opfert oder in der Opposition
bleibt. Und zwar langfristig.
Doch es wird nichts mit Rot-Rot-Grün. 2013 nicht. Und es gibt kaum
Anzeichen, dass sich dies ändert. Es fehlt eine fundamentale Voraussetzung:
jenes Minimum an Vertrauen, ohne das keine Regierung funktioniert.
Vertrauen gibt es nur, wenn man akzeptiert, dass es den anderen als
halbwegs Gleichwertigen gibt.
## SPD umerziehen
Viele in der SPD halten die Linkspartei noch immer für eine Art illegitime
Abspaltung, die es durch Abwarten zu vernichten gilt. Genau so ist die
Linie der SPD: Im Westen keine Zusammenarbeit, im Osten nur, wenn die SPD
stärker ist.
Die Linkspartei wünscht der SPD zwar nicht den Tod an den Hals, möchte die
Sozialdemokratie aber gerne umerziehen. Für ein Bündnis ist es aber keine
gute Idee, besser als der andere zu wissen, wie der eigentlich zu sein hat.
Gerade die negative Fixierung auf die SPD scheint mitunter der
Identitätskitt zu sein, der die Linkspartei zusammenhält. Allerdings ist
der Anti-SPD-Affekt mit dem Führungsduo Katja Kipping und Bernd Riexinger
nicht mehr so aggressiv wie früher. Eines der wenigen Hoffnungszeichen in
der verqueren Debatte.
Kurzum: Auch ohne Lafontaine sind SPD und Linkspartei weit davon entfernt
zu begreifen, dass sie sich beide auf eine Arbeitsteilung verständigen
müssten. Die SPD als Vertretung von Bildungsaufsteigern und
Mittelschichten, die Linkspartei als Repräsentant des unteren Viertels.
Bei Union und FDP sind solche stillschweigenden Vereinbarungen zum
gegenseitigen Nutzen selbstverständlich, die politische Linke ist dazu
unfähig. Ein besonders anschauliches Beispiel dieser Lernbehinderung
liefert derzeit die SPD in Hessen. Dort hat Thorsten Schäfer-Gümbel zwei
Wochen vor der Landtagswahl erklärt, dass die SPD lieber Schwarz-Gelb im
Amt lassen wird, als mit der Linkspartei zu regieren.
## Ein Gespenst, mehr nicht
Formal schließt die SPD zwar nichts aus, politisch aber schon. Ja, was denn
jetzt? Andrea Ypsilanti ist mit dem Zickzackkurs in Sachen Linkspartei,
erst nein, dann ja, spektakulär gescheitert. Aus Schaden wird man klug? Die
SPD nicht. Wie in einer Art Wiederholungszwang scheint sie das Desaster
noch mal aufführen zu wollen.
Rot-Rot-Grün ist ein Gespenst, mehr nicht. Es nutzt Schwarz-Gelb, die damit
ihre wahlmüde Klientel aufschreckt. Um eine politische Möglichkeit zu
werden, muss der Leidensdruck für die Sozialdemokraten noch weiter wachsen.
Erst dann wird die SPD, falls überhaupt, in der Lage sein, das Naheliegende
zu tun: ein nüchternes Verhältnis zur Linkspartei zu entwickeln.
9 Sep 2013
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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