Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Farbspiele über mögliche Koalitionen: Demokratiekur gegen Wachkoma
> Linksparteichef Bernd Riexinger würde eine rot-grüne Minderheitsregierung
> tolerieren – eine schillernde Vorstellung. Aber mit der SPD nicht zu
> machen.
Bild: Der Chef der Linkspartei, Bernd Riexinger, würde gern den tiefroten Ball…
BERLIN taz | Zu diesem Wahlkampf gehört, mehr als sonst, der Konjunktiv,
das medial übersteuerte „Was wäre, wenn“. Spiegel Online brachte es neuli…
fertig, todernst die Frage zu erörtern, wie sich die Union auf Neuwahlen
vorbereitet – sechs Wochen vor dem 22. September.
Es ist der Job von Journalisten, das Gras wachsen zu hören. Derzeit geht
das auch ohne Gras. Die Wahl selbst fühlt sich so langweilig und
vorhersehbar an, dass man lieber kühne, ferne Szenarien entwirft – ein
Fluchtreflex: Angela Merkel hat die politischen Leidenschaften gründlich
abgekühlt.
Bernd Riexinger ist Chef der Linkspartei und hat erklärt, dass er nach der
Wahl nichts ausschließt. Weder eine rot-rot-grüne Koalition noch die
Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung. Letzteres machte in
Agenturen Karriere als neuer Schachzug der Linkspartei – zu Unrecht. Denn
so richtig ausgeschlossen hatte die Linkspartei auch vorher nichts.
Die Linkspartei schwieg gestern dazu klugerweise: Wie soll man auch
dementieren, was nicht falsch, nur eben nicht neu ist? Ein
Linkspartei-Stratege kommentierte dies mit dem nüchternen Satz: „Ein
Wahlkampf besteht aus interpretationsfähigen Äußerungen“ – ein Satz, der
über vielen Schreibtischen hängen sollte.
## Wechselnde Mehrheiten
Eine rot-grüne Minderheitsregierung ist eine schöne, schillernde
Vorstellung. Rot-Grün müsste bei einer fixen Tolerierung mit der
Linkspartei Kompromisse suchen. Noch interessanter wäre, wenn Rot-Grün mit
wechselnden Mehrheiten regieren würde: mal mit der Linkspartei den
Mindestlohn verabschieden, in der Europolitik mit der Union verhandeln, bei
Bürgerrechten die FDP auf ihre Seite ziehen.
Es gibt dafür eine Blaupause: Hannelore Kraft regierte so, nach vielem
Zögern und Drängeln der Grünen, eineinhalb Jahre in Düsseldorf. Als es
Kraft günstig schien, inszenierte sie eine Neuwahl, die SPD und Grüne
triumphal gewannen.
## Unabhängige Volksvertreter
##
Faszinierend ist die Idee, weil dies eine Art Adrenalinstoß für den
verknöcherten parlamentarischen Betrieb wäre. An die Stelle der
routinierten Abstimmungsmaschine Regierung gegen Opposition würde ein
aufgelockertes Spiel treten. Die Abgeordneten könnten wieder die Rolle
spielen, die ihnen die Verfassung zumisst – nämlich freie und an keine
Weisung gebundene Vertreter des Wahlvolks zu sein.
Das Parlament wäre zumindest ein wenig wieder der Ort, an dem
Entscheidungen fallen und nicht bloß noch mal aufgeführt wird, was ohnehin
längst beschlossen ist. Kurzum: Eine Minderheitsregierung mit wechselnden
Mehrheiten (mehr noch als eine Tolerierung) wäre eine Kur für die
Demokratie, ein Experiment, das den von Zwängen und der
Ministerialbürokratie geknebelten Bundestag in einen vitalen Ort
zurückverwandeln könnte.
## Wachkomas der Merkel-Ära
Damit wäre das exakte Gegenteil des politischen Wachkomas der Merkel-Ära
möglich: Politik würde nicht mehr die Exekution von vermeintlich
alternativlosen Sachzwängen sein, sondern Ergebnis eines von einem
aufmerksamen Publikum begleiteten Kräftespiels.
Das ist zu schön, um wahr zu sein. Peer Steinbrück würde eher nackt um den
Bundestag laufen als bei einer solchen Spontiveranstaltung mitzumachen. Die
SPD ist zwar unter Schröder ein bisschen neoliberal geworden – habituell
ist sie aber noch immer steif etatistisch.
Wenn sie Spielerisches versucht, dann so, wie es Schröder 2005 mit seinem
Neuwahlcoup tat: als autoritäre Ansage von oben. In das Spielerische des
demokratischen Prozesses hat die SPD wenig Vertrauen.
Also Schluss mit den Seifenblasen. Am Ende stehen zwei Möglichkeiten zur
Wahl: Schwarz-Gelb und große Koalition. Nicht schön. Aber wahr.
28 Aug 2013
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Wahlkampf
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Grüne
Die Linke
Berlin
Rot-Grün
Mindestlohn
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Peer Steinbrück
SPD
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
Was wählen, wenn ...: … Sie mies entlohnt werden?
Alle Parteien im Bundestag versprechen Reformen des Arbeitsmarkts. Aber
„mehr soziale Gerechtigkeit“ ist ein sehr dehnbarer Begriff.
Rot-rot-grüne Koalition: Das linke Gespenst
Eine Koalition aus SPD, Grünen und Linken passt in die Zeit. Doch es fehlt
an einer wichtigen Voraussetzung: dem gegenseitigen Vertrauen.
Plädoyer für neue Koalitionsoptionen: Schluss mit der Bräsigkeit
Mit der Stabilität brechen: Nur durch die Beteiligung an einer
Minderheitsregierung kann die SPD ihren Untergang verhindern.
Kommentar SPD-Wahlkampf: Wagen oder warten
Steinbrücks 100-Tage-Programm ist die ideale Blaupause für Rot-Grün. Doch
der SPD fehlt ein kontroverses Thema, das das eigene Lager eint.
Präsentation des 100-Tage-Plans: Der doppelte Steinbrück
„Soziale Gerechtigkeit“ ist der rote Faden: Der SPD-Kanzlerkandidat stellt
sein 100-Tage-Programm vor. Erst souverän, dann ziemlich gereizt.
Die Linke geht auf SPD und Grüne zu: Nur Inhalte entscheiden
Käme es zu einer Mehrheit gegen Merkel, zählten für die Linke nur die
Inhalte: Mit diesem Angebot öffnet sich die Partei gegenüber SPD und Grünen
weitreichender denn je.
Szenarien für Koalitionen: Was geht?
Könnten SPD, Grüne und Linkspartei zusammen? Oder die Grünen mit der CDU?
Wäre es denkbar, dass die Piraten dabei sind? Drei Szenarien.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.