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# taz.de -- Lage im AKW Fukushima: Gefahr aus dem Abklingbecken
> Niemand weiß, wie stabil die Kraftwerksgebäude in Fukushima noch sind.
> Und die Erde bebt immer wieder. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Bild: Ein Blick in Reaktor 4, wo sich hochradioaktives Material befindet.
BERLIN taz | Hochbrisant bleibt die Situation rund um die
Katastrophenreaktoren im japanischen Fukushima – auch 32 Monate nach dem
verheerenden Erdbeben und dem Tsunami vom 11. März 2011.
Nach den Kernschmelzen in den Reaktorblöcken 1 bis 3 ist bis heute unklar,
wo genau sich der hochradioaktive Brennstoff dieser Kraftwerksteile
befindet: Fachleute rätseln, wie weit sich das glühende, lavaartige
Material durch den Reaktordruckbehälter und den umgebenden Beton in den
Untergrund gefressen haben könnte. An eine Bergung des geschmolzenen
Brennstoffs dieser drei Reaktorblöcke ist aktuell überhaupt noch nicht zu
denken.
## Wo kann radioaktives Material geborgen werden?
Problematisch bleibt auch die Situation an den wassergefüllten
Abklingbecken der Reaktoren. Hier sollte sowohl abgebrannter als auch nicht
benutzter Atombrennstoff zwischengelagert werden. Allein im Abklingbecken
des Reaktorblocks 4 liegen mehr als 1.500 Brennelemente. Das sind mehr als
dreimal so viele wie in den Abklingbecken der Blöcke 1 bis 3.
Zum Zeitpunkt des Erdbebens war Block 4 gerade heruntergefahren, der
Reaktorkern entladen. Deshalb konnte dort keine Kernschmelze einsetzen –
doch das hochradioaktive Material befindet sich noch heute in dem maroden,
durch eine Wasserstoffexplosion stark zerstörten Reaktorgebäude. „Wir reden
von radioaktivem Inventar, das die Dimension von Tschernobyl bis zum
80fachen übersteigt“, sagt der unabhängige Energieexperte Mycle Schneider,
Träger des Alternativen Nobelpreises Right Livelihood Award.
## Warum muss schnell gehandelt werden?
Niemand weiß, wie stabil die Kraftwerksgebäude noch sind. Nach den
Wasserstoffexplosionen bot sich besonders bei Block 4 ein Bild völliger
Verwüstung: Wände und Dach wurden weggesprengt, das in rund 15 Metern Höhe
eingebaute Abklingbecken lag unter freiem Himmel. Falls das Becken Risse
bekommt und nicht mehr genug Kühlwasser vorhanden ist, droht die
Selbstentzündung des Atombrennstoffs: Die Brennelemente, die noch massiv
Nachzerfallswärme abgeben, würden schmelzen, das Zirkon der Brennstabhüllen
könnte mit dem verbliebenen Wasser abermals zu Wasserstoff reagieren.
Es drohen erneute Wasserstoffexplosionen. Dabei könnte der radioaktive
Inhalt der Brennstäbe, darunter Cäsiumisotope und hochgiftiges Plutonium,
zu großen Teilen in die Atmosphäre gelangen. „Im Worst-Case-Szenario könnte
der Norden Japans unbewohnbar werden“, glaubt der Atomenergiekritiker
Sebastian Pflugbeil von der privaten Gesellschaft für Strahlenschutz:
„Selbst die konservative Regierung Japans hat doch bereits über die
Evakuierung Tokios nachgedacht – soweit das bei einer Stadt mit 30
Millionen Einwohnern überhaupt denkbar ist.“
## Wie wahrscheinlich ist der Worst Case?
Völlig unwahrscheinlich ist der Fall nicht: In Fukushima bebt immer wieder
die Erde, zuletzt erst Anfang November. Kraftwerksbetreiber Tepco kann
nicht seriös einschätzen, bei welcher Erdbebenstärke die Abklingbecken
zerstört würden. Außerdem wurden die Brennstäbe unmittelbar nach der
Katastrophe mit Salzwasser gekühlt – das könnte zu Rost im Beton der Becken
und damit zu Undichtigkeiten auch ohne erneute Erschütterungen führen,
fürchtet Mycle Schneider.
## Wie wird der Brennstoff aus dem Becken entfernt?
Arbeiter, die in Vollschutzkleidung über dem Becken stehen, steuern einen
Kran, mit dem die Brennstäbe einzeln aus ihrer Halterung im Abklingbecken
gezogen werden. Unter Wasser, das als Strahlenabsorber dient, sollen die
Brennelemente dann in einen Castor-ähnlichen Sicherheitsbehälter verladen
werden.
Mit einem weiteren Kran werden diese Behälter dann auf Lkws verladen und zu
einem schon vor der Katastrophe vorhanden gewesenen, aber unbeschädigten
weiteren Abklingbecken auf dem Kraftwerksgelände gebracht.
## Wie hoch sind die Risiken?
„Tepco macht ausnahmsweise das Richtige“, findet Atomexperte Schneider –
das „radioaktive Inventar“ müsse schnellstmöglich aus den zerstörten
Reaktorgebäuden. Kritiker Pflugbeil dagegen fürchtet, dass Brennelemente
bei der Aktion zerbrechen könnten: Nach den Explosionen liegen Trümmerteile
in den Abklingbecken – sie könnten die Brennstäbe verklemmen.
„Bei einem Bruch würde die Strahlung massiv ansteigen, an den Becken könnte
überhaupt nicht mehr gearbeitet werden“, warnt Pflugbeil. „Und beim
nächsten Erdbeben droht dann doch wieder der Worst Case.“ Alternativen hat
aber auch er nicht parat: „Ich kenne keine.“
19 Nov 2013
## AUTOREN
Andreas Wyputta
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