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# taz.de -- Neue Umweltministerin Hendricks: Schnörkellos an die Macht
> Barbara Hendricks, bisher Schatzmeisterin der SPD, wird Umweltministerin.
> Die 61-Jährige gilt als klug, uneitel, mit klarer Meinung. Sie wird zu
> kämpfen haben.
Bild: Ihre Tonart: sachlich: Barbara Hendricks
BERLIN taz | Sie kennt sich aus „mit Margarine“. Barbara Hendricks, 61,
übernimmt das Umweltressort. Wer mit Leuten aus ihrem Umkreis redet, sich
über die SPD-Frau ein Bild verschaffen will, wird immer wieder auf ihre
Doktorarbeit gestoßen, 215 Seiten dick, der Titel: „Die Entwicklung der
Margarine-Industrie am unteren Niederrhein“.
Die Leute, die die Margarine ins Spiel bringen, meinen das nicht
despektierlich. Im Gegenteil, die meisten halten die promovierte
Historikerin für „klug“, „solide“, „seriös“. Schroff kann die Fra…
nordrhein-westfälischen Kleve manchmal aber schon sein.
Im Parlament beschimpfte sie mal einen FDP-Politiker als „Eierkrauler“. In
einer Talkshow nannte sie Christian Wulff schon vor Jahren „selbstgerecht,
dick, fett und bräsig“. Das Spektakuläre, Glamouröse hat sie nie gesucht.
Die Macht schon.
In den letztem Jahren kam in der SPD-Parteizentrale niemand an ihr vorbei.
Das Mitgliedervotum? Der Wahlkampf? Die Feier zum 150. Geburtstag der
Partei? Das kostet alles. Und Hendricks war die Schatzmeisterin der SPD.
Sie herrschte nicht nur über die Finanzen der an Mitgliederschwund
leidenden Partei, sondern auch über die SPD-Firmenbeteiligungen.
## „Ich bin die, die für die Zahlen zuständig ist“
Diese Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft DDVG ist einzigartig, zu ihr
gehören Zeitungen, Buchverlage, Druckereien, Reisefirmen. Schatzmeisterin
zu sein, das ist in der SPD mit mehr Macht verbunden als in jeder anderen
Partei. Hendricks blieb dabei im Hintergrund. Uneitel, aber mit klarer
Meinung.
Bestes Beispiel: SPD-Parteitag, Leipzig, November diesen Jahres. Hendricks
stellt sich zur Wiederwahl, tritt ans Mikro: „Ich bin die, die für die
Zahlen und das Geld zuständig ist.“ Keine Schnörkel, kein Firlefanz. Kein
Laut und Leise. Tonart: sachlich.
Dafür haben es die Sätze in sich: „Auch auf die Gefahr hin, dass ich meinem
eigenen Wahlergebnis schade“, sagt sie, „so hättet ihr mit Andrea nicht
umgehen sollen.“ Die Delegierten hatten kurz zuvor Generalsekretärin Andrea
Nahles regelrecht abgestraft. Hendricks wurde trotzdem mit respektablem
Ergebnis gewählt. Sie ist schon eine Ewigkeit dabei, seit 1972, da trat sie
wegen Brandts Ostpolitik in die Partei ein.
## Proporz und Machtverlust
Nun wird sie zu kämpfen haben. Erstens: gegen den Verdacht aus internem
Proporz ins Kabinett gehievt worden zu sein, als Quotenfrau auf dem
NRW-Ticket. Und zweitens: gegen den Machtverlust des Umweltressorts.
Denn ihr Parteichef Sigmar Gabriel hat die Erneuerbaren Energien aus dem
Umweltressort rausgerissen und zu sich, zur Wirtschaft geholt. Er ist für
das große bundesweite Projekt Energiewende zuständig, nicht sie. Sie muss
derweil nach einem Endlager fahnden, womit wenig zu gewinnen ist. Und das
Kapitel Umwelt ist im schwarz-roten Koalitionsvertrag, nun ja, dünn.
Sie braucht eine kluge Strategie, um daraus mehr zu machen. In den nächsten
Monaten wird sie Müll beschäftigen. Schwarz-Rot will die gelbe Tonne, den
gelben Sack befördern: Es soll bundesweit eine sogenannte Wertstofftonne
geben, in die dann nicht nur Verpackungen, sondern auch sonstiges Plastik
und Metall gehören. Immerhin interessiert Müll seit jeher viele Leute. 2015
wird sie dann nach Paris reisen, wenn dort endlich ein weltweites
Klimaabkommen verabschiedet werden soll. Das könnte sie feiern.
## Heizkessel, Fenster, Kohlendioxid-Emissionen
Ihre Chance liegt eher in einer Neuerung im Umweltressort. Hendricks
bekommt vom Bau- und Verkehrsministerium die Abteilung Stadtentwicklung und
Wohnen. Fast ein Drittel aller Kohlendioxid-Emissionen fallen im
Gebäudebereich an. En Detail sind die Zuständigkeiten noch nicht klar.
Macht Hendricks sich aber zu eigen, dass alte Heizkessel ausgetauscht und
Fenster gedämmt werden, bewegt sie einen echten Brocken.
Schon die Vorgänger von Hendricks und die Kanzlerin hielten es für wichtig,
so Energie zu sparen. Die Energiewende ist ohne Energieeffizienz
schließlich kaum zu machen. Es passierte aber nichts. Die Bundesländer
blockierten. Es ging ums Geld.
Hendricks gilt nicht als Frau mit großer Phantasie für neue
Regulierungsvorschläge. Eher als gute Verwalterin. Mainstream. Die Agenda
2010 fand sie gut. Eichels Sparhaushalt auch. Aber sie kennt das politische
Spiel. Mal Härte zeigen. Mal die Seele streicheln. Ein ehemaliger
Mitarbeiter sagt das so: „Sie kann schnell rausfiltern, welches Anliegen
berechtigt ist und welches nicht.“ Sie höre auf ihre Experten im Haus.
Jahrelang hat sie so die Berliner Steuerpolitik verteidigt.
## Nicht gleich als Öko abstempeln
Die Absenkung des Spitzensteuersatzes. Aber auch die rot-grüne Ökosteuer.
Lafontaine holte sie 1998 als parlamentarische Staatssekretärin ins
Finanzministerium. Sie blieb als Eichel kam. Sie blieb als Steinbrück kam.
Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft verlieh ihr 2008 den
Adam-Smith-Preis für marktwirtschaftliche Umweltpolitik.
Damian Ludewig ist der Geschäftsführer des Forums. Er sagt: „Den
Finanzblick zu haben, kann nicht schaden.“ Er hält viel von Umweltpolitik
durch Preissignale, durch Ökosteuern, Ressourcensteuern und so was. Da
könne es helfen, wenn eine kommt, „die nicht gleich als Öko abgestempelt
wird“. Das galt allerdings auch schon für die Umweltchefs und -chefin vor
Hendricks.
15 Dec 2013
## AUTOREN
Hanna Gersmann
## TAGS
SPD
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Kabinett
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