# taz.de -- Der sonntaz-Streit: „Lobbyisten sind überall“ | |
> Politiker werden von Interessensgruppen beeinflusst. Können sie beide | |
> Bereiche nicht voneinander trennen wird es problematisch, wie der Fall | |
> Pofalla zeigt. | |
Bild: Nah bei Merkel, und vielleicht demnächst im Vorstand der Deutschen Bahn:… | |
Lobbyismus ist das Wesen von Politik. Davon ist zumindest Klaus Kocks | |
überzeugt. Für den Kommunikationsberater, der im VW-Vorstand saß, ist die | |
entscheidende Frage nur: „Ob die politischen Akteure das leugnen, indem sie | |
die Interessen, die sie vertreten, hinter einem vorgetäuschten Gemeinwohl | |
verstecken.“ Das Verwerfliche sei, dass sie so über ihre wahren Absichten | |
hinweg täuschen, sagt Kocks im sonntaz-Streit. | |
Dass die Debatte über Lobbyismus nun wieder neu entfachte, liegt am | |
möglichen Wechsel des früheren Kanzleramtministers Ronald Pofalla (CDU) in | |
den Vorstand der Deutschen Bahn. Und das, obwohl noch unklar ist, ob es | |
tatsächlich zu diesem Seitenwechsel kommt. | |
So ganz alleine stünde Pofalla nicht da, sondern würde sich einreihen in | |
die Riege der Merkelgetreuen wie Eckart von Klaeden. Dieser ist seit Herbst | |
Cheflobbyist von Daimler, erst im November hatte er seinen Sitz im | |
CDU-Parteipräsidium niedergelegt, um Spekulationen über einen | |
Interessenkonflikt entgegentreten. | |
Oder Hildegard Müller, die seit 2008 Hauptgeschäftsführerin des | |
Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist, nachdem sie | |
drei Jahre lang Staatsministerin im Bundeskanzleramt war. | |
## Lukrative Anschlussjobs | |
Im letzten Deutschen Bundestag gingen laut Lobbycontrol etwa ein Drittel | |
der Abgeordneten bezahlten Nebentätigkeiten nach – darunter auch als | |
Lobbyisten. Christina Deckwirth von Lobbycontrol beklagt, dass sich | |
Politiker wie von Klaeden schon während ihrer Amtszeit lukrative | |
Anschlussjobs als Lobbyisten sicherten. | |
Dabei beeinträchtige der Blick auf spätere Arbeitgeber ihre Unabhängigkeit. | |
„Eine Demokratie braucht Politiker, die sich am Allgemeinwohl orientieren“, | |
sagt sie, „die im Zweifel für den Verbraucherschutz statt für die | |
Gewinninteressen Einzelner entscheiden.“ | |
Wenngleich bereits viel über das Thema gestritten und polemisiert wurde - | |
bemerkenswert selten hatte das auch Konsequenzen. Deshalb fordert der | |
SPD-Abgeordnete Marco Bülow im sonntaz-Streit, klare Regeln. „Wir benötigen | |
eine Begrenzung der Nebentätigkeiten, ein verpflichtendes Lobbyregister und | |
eine Karenzzeit nach der politischen Tätigkeit – die allerdings nur für | |
bezahlte Lobbytätigkeiten gilt.“ | |
Bislang verpflichten sich zwar rund 40 Abgeordnete, ihre Nebenjobs und | |
Beziehungen zu Lobbyisten transparenter zu regeln. Das ist aber ein | |
selbstverpflichtender Verhaltenskodex. Gesetzliche Sperrfristen für | |
Seitenwechsler gibt es nicht. | |
Die Streitfrage beantworteten außerdem Rudolf Speth, Politologe und | |
Mit-Autor von „Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland“, Friedrich | |
Ostendorff, der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, und | |
taz-Leserin Sylvie Rebmann – in der [1][taz.am wochenende vom] [2][11./12. | |
Januar]. | |
11 Jan 2014 | |
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## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
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