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# taz.de -- Agentur verkauft Treffen mit SPDlern: Rent a Sozi
> Früher hieß es Kamingespräch: Heute vermittelt eine Werbeagentur SPDler
> an Lobbyisten – für tausende Euro. Ein Verstoß gegen das Parteiengesetz?
Bild: Wie gemütlich! Da lässt es sich doch gut über Interessen plaudern
Berlin taz | Eine Szene in einem Café. Ein Mitarbeiter der Werbeagentur
NWMD spricht mit einer vermeintlichen Kundin und kommt gleich zum brisanten
Punkt: „Sie entscheiden, wer daran teilnehmen soll“, verspricht er, „und
wir organisieren Ihnen den Minister, den Fraktionsvorsitzenden oder den
Staatssekretär, also einfach den, den Sie haben möchten.“
7.000 Euro für einen Auftritt des SPD-Ministers der Wahl: Unternehmen und
Lobbyverbände können offenbar gegen Bares persönliche Treffen mit
sozialdemokratischen SpitzenpolitikerInnen ausmachen. Das berichtet das
ZDF-Magazin Frontal 21, dem Angebote und ein Kostenvoranschlag zu so
genannten „vorwärts-Gesprächen“ vorliegen.
Die Szene in dem Café gehört zur Recherche der ZDF-Journalisten. Sie
schickten eine PR-Spezialistin im eigenen Auftrag zu der Agentur,
angeblich, um einen bezahlten Auftritt eines SPD-Politikers anzubahnen.
Früher hätten diese Treffen Kamingespräche geheißen, erzählt der
Agenturmitarbeiter ihr offenherzig.
„Aber das muss seit ‚Rent-a-Rüttgers‘ alles ein wenig offizieller klinge…
also Vorwärts-Gespräch.“ Dann habe man auch kein Compliance-Problem. Was
bedeutet: Dann halte man sich an die nötigen Regeln.
## Willy-Brandt-Haus auf Tauschstation
Sind SPD-Spitzenleute käuflich? Diese brisante Frage sorgte in der Berliner
SPD am Montag für Entsetzen. Offiziell ging die Partei auf Tauchstation.
Das Willy-Brandt-Haus wollte den Vorwurf nicht kommentieren – und verwies
auf die Werbeagentur NWMD. SPD-Chef Sigmar Gabriel habe nicht an
Vorwärts-Gesprächen teilgenommen, hieß es lediglich in der Berliner
SPD-Zentrale.
Die Werbeagentur Network Media (NWMD) ist eine Tochter des
Vorwärts-Verlages, der wiederum zur Deutschen Druck- und
Verlagsgesellschaft gehört. Die DDVG ist ein Unternehmensbereich der SPD.
Der ZDF-Bericht, der am Dienstagabend ausgestrahlt werden soll, gehe an der
Wirklichkeit vorbei und blende wesentliche Fakten aus, teilte die NWMD per
Pressemitteilung mit.
Die Vorwärts-Gesprächsreihe bestehe sowohl aus gesponsorten wie aus
sponsoringfreien Veranstaltungen, aus dieser Reihe entstünden der
Vorwärts-Gruppe keine Gewinne, schreibt die Agentur. Die Zahl der
Teilnehmer liege bei diesen Gesprächen bei bis zu 20 Personen. Außerdem
betont die angegriffene Agentur: „Die Teilnehmer werden im Übrigen nicht
vom Sponsor bestimmt.“
Dieses Dementi ist interessant. NWMD behauptet also, der Sponsor könne
keine Teilnehmer der Treffen bestimmen. Gleichzeitig bietet ein
NWMD-Mitarbeiter der vermeintlichen Kundin des ZDF-Teams genau dies an –
gegen Zahlung von 7.000 Euro. Woher der Widerspruch kommt, ließ sich am
Dienstag bis Redaktionsschluss nicht klären. Die Agentur NWMD ließ eine
entsprechende taz-Anfrage unbeantwortet.
## Erinnerung an Rent-a-Rüttgers
Der SPD droht damit kurz vor dem Wahljahr eine peinliche Affäre. Durfte
eine Agentur, die zur SPD-Unternehmensgruppe gehört, Auftritte von
Spitzenpolitikern verkaufen? So soll zum Beispiel nach dem Frontal
21-Bericht Justizminister Maas im Jahr 2016 ein Vorwärts-Gespräch mit
seiner Anwesenheit beehrt haben, welches die Bank ING-DiBa sponsorte. Auch
Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und ein
enger Vertrauter Gabriels, soll bei einem Gespräch dabei gewesen sein.
Die Causa erinnert an die Sponsoring-Affäre der nordrhein-westfälischen
CDU. Die CDU-Zentrale hatte 2010 vor einem Parteitag in Werbebriefen Firmen
so genannten Partnerpakete zum Kauf angeboten. Jene beinhalteten die
Anmietung von Ausstellungsflächen in der Halle, zusätzlich wurden
vertrauliche Gespräche mit Mitgliedern der Landesregierung angeboten. Für
14.000 Euro bot die NRW-CDU zum Beispiel einen 15-Quadratmeter-Standplatz
an, für weitere 6.000 Euro gab es einen Besuch des damaligen
Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers dazu – samt „Einzelgespräch“ am S…
Damals stand der Verdacht im Raum, dass die CDU so das Parteiengesetz
umgehen wollte, welches den Umgang mit Spenden regelt. Diesem Vorwurf wird
sich nun auch die SPD stellen müssen. „Es liegt der Anfangsverdacht vor,
dass hier gegen das Parteienrecht verstoßen worden ist“, sagte der
Strafrechtler Frank Saliger dem ZDF.
Die Rent-a-Rüttgers-Affäre hatte Sigmar Gabriel, auch 2010 schon SPD-Chef,
scharf kritisiert. „Wir verkaufen keine Amtsträger und auch nicht die
Partei an andere Leute, die genug Geld haben“, sagte er damals. „Das gilt
für die deutsche Sozialdemokratie.“
22 Nov 2016
## AUTOREN
Ulrich Schulte
## TAGS
Lobbyismus
SPD
Parteienfinanzierung
Schwerpunkt Korruption
SPD-Fraktion
SPD
Lobbyismus
Pofalla
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gewusst haben
Debatte #rentasozi: Klebrig und bäh
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Beschert aber der Partei ein dickes Glaubwürdigkeitsproblem.
Gesponserte Treffen mit SPD-Politikern: SPD beendet „Rent-a-Sozi“
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Wahl mit.
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