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# taz.de -- Debatte #rentasozi: Klebrig und bäh
> SPD-Minister, die sich für ein Treffen kaufen lassen? Ist vielleicht
> legal. Beschert aber der Partei ein dickes Glaubwürdigkeitsproblem.
Bild: Auch Sigmar Gabriel denkt möglicherweise: „Scheiße sieht’s aus“
„Es interessiert halt niemanden, ob es legal war. Es geht darum, wie es
aussieht. Scheiße sieht’s aus“, schreibt Christopher Lauer auf Twitter. Der
Ex-Pirat und relative Neu-Sozialdemokrat ärgert sich über seine Partei, die
SPD. Warum?
Das ZDF-Magazin „Frontal21“ hat in einem Beitrag gezeigt, wie Menschen mit
bestimmten Interessen (zum Beispiel unternehmerischen) gegen Geld an ein
Treffen mit politischen Entscheidern kommen. Das können beispielsweise
Minister oder Staatssekretäre sein. Kostenpunkt: 3.000 bis 7.000 Euro.
Adressat des Geldes: eine SPD-eigene Agentur. Gegenleistung: beispielsweise
ein Mittagessen mit Minister in einem überschaubaren Teilnehmerkreis. Das
Ganze fällt in den Bereich des Parteiensponsorings und bewegt sich in einer
juristischen Grauzone. Deshalb ist es vermutlich auch legal. Oder zumindest
nicht explizit illegal.
Die Aufregung über die Affäre, die es mit #rentasozi schon zu einem eigenen
Hashtag auf Twitter gebracht hat, dürfte der SPD quer im Magen liegen.
Steht sie doch als Partei der sozialen Gerechtigkeit unter einem besonderen
Glaubwürdigkeitsdruck.
## Gerechtigkeit als Herzensanliegen
Wie will sie der stinknormalen BürgerIn erklären, dass es Menschen mit
ausreichend gut gefülltem Geldbeutel möglich ist, die eigenen Interessen
politischen Entscheidern bei einem persönlichen Treffen nahezubringen, ihr
selbst, die sie nicht über die nötigen Mittel verfügt, aber nicht?
Schließlich ist der SPD Gerechtigkeit ein Herzensanliegen, wenn man ihrem
Programm und den Äußerungen ihres Spitzenpersonals Glauben schenken möchte.
Und sollten nicht gerade die Interessen finanziell nicht gut gepolsterter
Menschen für sozialdemokratische Politiker besonders hörenswert sein?
Auch der Zeitpunkt ist ein misslicher. Im nächsten Jahr wird gewählt, da
ist ein Glaubwürdigkeitsproblem das Allerletzte, was eine Partei brauchen
kann.
Aber das ist noch nicht alles. Der SPD-Parteivorsitzender Sigmar Gabriel
hat sich im Jahr 2010 in Sachen „Amtsträger gegen Geld“ ziemlich weit aus
dem Fenster gelehnt:
Nachdem es bei der CDU in Nordrhein-Westfalen die „Rent-a-Rüttgers“-Affäre
(Gespräche mit dem damaligen Ministerpräsidenten für Sponsoren von
Parteitagen) gab, versprach er: „Wir verkaufen keine Amtsträger und auch
nicht die Partei an andere Leute, die genug Geld haben. Das gilt für die
deutsche Sozialdemokratie.“ Ein sehr vollmundiges Statement, wenn man von
heute aus darauf zurückblickt.
## Rotwein und Steak
Das Personal der Alternative für Deutschland (AfD) dürfte sich nach dem
„Frontal21“-Beitrag jedenfalls erst mal eine Flasche Champagner aufgemacht
haben. Passt die erwartbare Folgerung der meisten Zuschauer doch haargenau
in die Weltsicht, die sie mit ihrer Verachtungsrhetorik gegenüber allem
Etablierten verbreitet.
Erstens: „Die“ Politiker „da oben“ kümmern sich einen feuchten Dreck u…
Bedürfnisse der „normalen“ Menschen. Stattdessen verbringen sie ihre Zeit
mit denen, die Geld dafür bezahlen können, sich bei einem Steak und Rotwein
über Themen zu unterhalten, die ihnen am Herzen liegen.
Zweitens: Politikern etablierter Parteien kann man kein Stück trauen. Sie
erzählen in dem einen Moment (Gabriel 2010) das eine, was in Wirklichkeit
passiert, ist dann aber etwas völlig anderes.
Und wenn es nun aber legal oder wenigstens nicht illegal ist? Das rettet
nichts. Der Normalbürger kennt sich mit den Themen Parteienfinanzierung und
-sponsoring nicht aus. Es kann ihm auch ziemlich wurscht sein, dass die
„Gesprächsreihe“ nun eingestellt wurde.
Was zählt, ist der Eindruck, der haften bleibt. Und der ist klebrig und
bäh. Um noch mal auf den enttäuschten SPDler Lauer zurückzukommen: „Es
bestätigt alle Vorurteile, die man gegenüber der Politik hat, und es ist
halt einfach ultradämlich.“
23 Nov 2016
## AUTOREN
Verena Schneider
## TAGS
SPD-Fraktion
Parteienfinanzierung
Lobbyismus
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