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# taz.de -- Rent a Sozi in Niedersachsen: Nichts gesehen, nichts gewusst
> Niedersachsens SPD-Wirtschaftsminister Olaf Lies nahm gegen Geld an einem
> Gespräch mit der Energiebranche teil. Er will von dem „Sponsoring“ nichts
> gewusst haben
Bild: Will kein käufliches Maskottchen sein: Niedersachsens Wirtschaftsministe…
Hannover taz | Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies
(SPD) beteuert, nicht käuflich zu sein. Mit seiner Teilnahme an einer
Gesprächsreihe, die vom sozialdemokratischen Vorwärts-Verlag an Lobbyisten
verkauft wurde, sei er „von einem Unternehmen der eigenen Partei
vorgeführt“ worden, sagte der 49-Jährige am Donnerstag im Landtag in
Hannover: „Ich bin stinksauer.“
Das ZDF-Magazin „frontal21“ hatte zu Wochenbeginn aufgedeckt, dass die
Vorwärts-Verlagsgesellschaft Treffen mit Spitzengenossen über ihr
Subunternehmen „Network Media“ an Wirtschaftsvertreter verschachert hat.
Für 3.000 bis 7.000 Euro waren offenbar Gespräche etwa mit
SPD-Bundesjustizminister Heiko Maas oder dessen sozialdemokratischen
Kabinettskolleginnen Andrea Nahles und Manuela Schwesig zu haben.
Laut einer Anfrage des Vorwärts an Olaf Lies traten auch der designierte
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der Chef der
SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sowie der einstige
niedersächsische SPD-Landesparteichef und heutige nordrhein-westfälische
Wirtschaftsminister Garrelt Duin dabei als als „Dinner Speaker“ auf.
SPD-Bundesparteichef Sigmar Gabriel soll daraufhin getobt haben –
schließlich erinnert die Affäre an den „Rent-a-Rüttgers“-Skandal, in den
Nordrhein-Westfalens ehemaliger Regierungschef 2010 verwickelt war. Für
20.000 Euro verkauften die Christdemokraten im Wahlkampf nicht nur
Werbefläche auf ihrem Landesparteitag: Zum Paket gehörte auch ein Treffen
mit dem NRW-Ministerpräsidenten. Gabriel sprach damals von „Vorteilsnahme“
und forderte eine strafrechtliche Überprüfung.
Entsprechend alarmiert reagierten die Sozialdemokraten im aktuellen Fall:
Vorwärts-Gespräche werde es nicht mehr geben, versicherte SPD-Schatzmeister
Dietmar Nietan am Mittwoch. Die daran beteiligten Genossen wollen allesamt
nicht gewusst haben, dass die Treffen mit vierstelligen Eurobeträgen
„gesponsort“ waren – moderiert wurden die Gespräche von der
Vorwärts-Chefredakteurin Karin Nink, die bis zum Jahr 2000 für die taz
gearbeitet hat.
Ähnlich argumentiert auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Lies: Erst
vier Tage vor seinem Auftritt am 11. April in Berlin habe die
Vorwärts-Tochter „Media Network“ in einer abschließenden Mail mitgeteilt,
„Unterstützer des Abends“ sei „das HanseWerk, eine Eon-Unternehmung“ �…
diesen Hinweis hätten seine Mitarbeiter schlicht überlesen.
Allerdings: Die Firma Hanse-Werk ist nicht irgendwer. Der Netzbetreiber
verfügt in ganz Norddeutschland über 51.000 Kilometer Strom- und 27.000
Kilometer Gasleitungen. Abhängig ist dieses Geschäft von der für fairen
Wettbewerb zuständigen Bundesnetzagentur als oberste Regulierungsbehörde
des Bundes – schließlich müssen Wind- und Solarkraftwerke immer häufiger
abgeregelt werden, weil die Stromnetze überlastet sind.
Für den Hanse-Werk-Vorstandschef Matthias Boxberger dürfte das
Vorwärts-Gespräch vom 11. April deshalb eine gute Gelegenheit geboten
haben, einem einflussreichen Politiker wie Niedersachsens
Wirtschaftsminister Lies die Sorgen und Nöte seiner Firma zu schildern –
immerhin war der Sozialdemokrat just am Morgen des gleichen Tages zum
Vorsitzenden des Beirates der Bundesnetzagentur gewählt worden.
Ein Mitarbeiter Boxbergers jedenfalls hatte schon fünf Tage vor dem Treffen
angekündigt, der Hanse-Werk-Chef könne gern über die „Weiterentwicklung des
Energiesektors“ und Eons „innovative Rolle“ darin referieren. Bei dem
Treffen vertreten waren aber auch Firmen wie Siemens und ein weiterer
Netzbetreiber, Tennet. Minister Lies versichert, er stehe für jeden
Interessierten auch ohne Geldzahlung zur Verfügung: Hätte er von dem
„Sponsoring“ gewusst, sagte er im Landtag, „hätte ich das nie gemacht“.
24 Nov 2016
## AUTOREN
Andreas Wyputta
## TAGS
Schwerpunkt Korruption
SPD
Niedersachsen
Fernwärme
Parteienfinanzierung
SPD
Lobbyismus
CDU Niedersachsen
Flüchtlinge
Fahrrad
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