# taz.de -- Kiel will Geflüchteten Adresse vorschreiben: Wohnort-Diktat steht … | |
> Anerkannte Geflüchtete müssen sich wohl bald vorschreiben lassen, wo sie | |
> wohnen: Schleswig-Holstein und die Kommunen verhandeln über | |
> Wohnsitzauflage | |
Bild: Schleswig-Holstein will Geflüchteten wohl bald diktieren, an welcher Kli… | |
KIEL taz | In Schleswig-Holstein berät das Innenministerium mit den | |
Kommunen darüber, die Wohnsitzauflage für Geflüchtete wieder einzuführen. | |
Anerkannte AsylbewerberInnen könnten dann ihren Wohnsitz nicht mehr frei | |
wählen, sondern müssten für drei Jahre in der ihnen zugeteilten Stadt oder | |
Gemeinde leben. Der Sprecher des Schleswig-Holsteinischen | |
Innenministeriums, Patrick Tiede, bestätigte auf Anfrage der taz, dass | |
aktuell Gespräche mit den VertreterInnen der kommunalen Landesverbände über | |
eine Umsetzung der Auflage liefen. Soweit zu sagen, die Auflage komme, | |
wollte er allerdings nicht gehen. Man diskutiere lediglich die Umsetzung | |
der Bundesvorgabe. | |
Das Vorschreiben des Wohnsitzes ist Teil des Anfang August in Kraft | |
getretenen Integrationsgesetzes der Bundesregierung, die Umsetzung dieses | |
Gesetzes ist allerdings Ländersache. Bisher wird die Regelung nur in | |
Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen umgesetzt: Geflüchteten, | |
die sich nicht an die Vorschrift halten, werden die Sozialleistungen | |
gestrichen. Ausgenommen davon sind nur MigrantInnen, die mindesten 15 | |
Stunden pro Woche arbeiten und mehr als den Sozialhilfesatz von 712 Euro | |
verdienen. | |
Die Bundesregierung behauptet, auf diese Weise Gettobildung vermeiden zu | |
wollen, und die Auflage sei daher sogar als Beitrag zur Integration zu | |
verstehen. Nur wenn die Auflage tatsächlich zu einer besseren Integration | |
führt, ist sie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und EU-Recht vereinbar, | |
denn nach diesem gilt eigentlich die Wahl des freien Wohnorts. | |
Stark gemacht für die Umsetzung dieser Auflage in Schleswig-Holstein hatte | |
sich erst am Dienstag der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). | |
Der private Interessenverband, der norddeutschlandweit 320 | |
Wohnungsgenossenschaften und -gesellschaften vertritt, nannte die Auflage | |
ein „wirksames Instrument für eine gerechte Verteilung geflüchteter | |
Menschen“. | |
Verbandsdirektor Andreas Breitner, der von 2012 bis 2014 Innenminister in | |
Schleswig-Holstein war, äußert sich auf seinem aktuellen Posten eigentlich | |
nicht zu Flüchtlingsthemen. Allerdings ist das Land Schleswig-Holstein für | |
ihn ein wichtiger Geschäftspartner: 3.600 Geflüchtete seien derzeit in | |
1.600 Wohnungen Schleswig-Holsteinischer Mitgliedsunternehmen des Verbandes | |
untergebracht, gab Breitner an. Da sieht er offenbar noch Luft nach oben: | |
Die investierte Zeit und Mühe sei verloren, wenn die Neuankömmlinge bereits | |
nach kurzer Zeit in die großen Städte zögen, argumentierte der | |
Verbandsvorsitzende. | |
Die Wohnsitzauflage gebe allen Akteuren mehr Planungssicherheit. Den | |
Vorwurf, wirtschaftliche Interessen auf dem Rücken von Flüchtlingen | |
auszutragen, indem er versuche, Leerstand an den Mann oder die Frau zu | |
bringen, die dafür in entlegenen Gegenden wohnen müssten, wies Breitner | |
zurück. „Das wäre viel zu kurz gedacht, für alle Beteiligten | |
kontraproduktiv und entspricht nicht den Wertvorstellungen der | |
Wohnungsunternehmen im Verband.“ Innenministeriumssprecher Tiede gab an, | |
die Überlegungen zur Umsetzung der Wohnsitzauflage hätten nichts mit der | |
Forderung des VNW zu tun. | |
„Ich bin davon überzeugt, dass die Zwangszuweisung einer Wohnung | |
erfolgreiche Integration behindert“, sagte Marianne Kolter, | |
Linken-Landessprecherin. „Wer sich nicht frei bewegen darf, wird sich | |
schwerer damit tun, sich positiv auf die hiesige Gesellschaft zu beziehen.“ | |
Wenn die Landesregierung die Auflage beschließe, verstoße sie damit gegen | |
die Genfer Flüchtlingskonvention. Auch die Grünenfraktionschefin Eka von | |
Kalben hält die Auflage für integrationsfeindlich. „Geflüchtete und | |
diejenigen, die sie betreuen, müssen sich bereits durch ein Dickicht von | |
Vorschriften schlagen.“ Der Wegzug aus ländlichen Bereichen in die Stadt | |
könne nur durch gute Angebote auf dem Land verhindert werden. | |
Im ebenfalls rot-grün regierten Niedersachsen war erst vor Kurzem bekannt | |
geworden, dass das Land auf die Umsetzung der Auflage verzichtet. Dem | |
Entschluss war jedoch ein uneiniges Hin und Her innerhalb der Koalition | |
vorangegangen. Noch im Mai hatte SPD-Ministerpräsident Stephan Weil der taz | |
bestätigt, er halte eine Wohnsitzsteuerung „grundsätzlich für sinnvoll“. | |
Ende September verkündete er den Verzicht. | |
10 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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