| # taz.de -- Politblogs in NRW: Die stärkste Kraft | |
| > Die regionalen Politblogs in Nordrhein-Westfalen deckten Affären um | |
| > Jürgen Rüttgers auf, stachen die mächtige WAZ-Gruppe aus – und | |
| > entschieden die Wahl mit. | |
| Bild: "Uns gab es fünf Monate": Das Blog "Wir in NRW" hatte in dieser Zeit 730… | |
| BERLIN taz | Wahlen kennen ein vertrautes Ritual: Hinterher haben immer | |
| alle gesiegt, wenigstens ein bisschen. Das ist trotz des noch reichlich | |
| offenen Ausgangs in Nordrhein-Westfalen nicht anders: Die CDU wurde noch | |
| einmal "stärkste Kraft", die gleichnamige SPD-Spitzenkandidatin sowieso | |
| Wahlsiegerin, die Grünen haben ihr Ergebnis fast verdoppelt, die Linken | |
| sind erstmals drin im Landtag - selbst die FDP hat im Vergleich zur Wahl | |
| 2005 hauchzart um ein halbes Prozentpünktchen zugelegt. | |
| Aber es gibt noch andere Gewinner zwischen Rhein und Weser, und deren Ruhm | |
| ist entschieden weniger geheuchelt als das in den Düsseldorfer | |
| Parteizentralen praktizierte Schönreden des Unvermeidlichen: Es sind - die | |
| regionalen Politblogs. Sie haben dokumentiert, wie Rüttgers' Staatskanzlei | |
| und die CDU-Zentrale agiert haben, um die politische Konkurrenz auszuspähen | |
| und die eigene Kriegskasse aufzubessern. | |
| Es begann mit der Video-Überwachung von Auftritten der SPD-Kandidatin | |
| Hannelore Kraft im September 2009 und führte über "Rent a Rüttgers" und die | |
| Offenlegung, wer da eigentlich vermeintlich unabhängige Wählerinitiativen | |
| angeschoben hatte, ins sonntägliche Wahlergebnis. Die Quellen der Blogs | |
| waren ganz überwiegend Mitglieder der CDU selbst: "Sie haben durch | |
| Dokumente das Bild des Landesvaters und Arbeiterführers zerstört; sie haben | |
| die Öffentlichkeit wissen lassen, dass dieses Bild des Jürgen Rüttgers ein | |
| kalt geplanter Feldzug zum Machterhalt war, dass der lächelnde Pulheimer | |
| ein inszeniertes Wesen ist", fasst der [1][Wir-in-NRW-Blog] des ehemaligen | |
| stellvertretenden WAZ-Chefredakteurs Alfons Pieper Rüttgers' Dilemma | |
| zusammen. | |
| Verloren haben stattdessen die etablierten Regionalzeitungen, insbesondere | |
| die bislang meinungsführenden Blätter zwischen Köln (Stadt-Anzeiger), | |
| Düsseldorf (Rheinische Post) und Duisburg/Essen/Dortmund (WAZ plus | |
| Familie). Denn sie konnten nur noch reagieren. | |
| Wenn WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz jetzt wie im ARD-"Presseclub" moniert, | |
| hier seien Vorwürfe "über Kanäle gespielt worden, die es dem herkömmlichen | |
| Journalismus mit seiner Notwendigkeit, Dinge zu überprüfen, bevor sie | |
| veröffentlicht werden, manchmal auch schwer gemacht haben", trifft das aber | |
| nicht den Kern. Denn das Geschichten nebst zugehörigem Material | |
| durchgestochen werden, ist alles andere als unüblich. | |
| Zudem haben die Blogs wie Wir-in-NRW oder auch die [2][Ruhrbarone] nicht | |
| einseitig CDU-Bashing betrieben. Hier bekamen und bekommen auch die anderen | |
| Parteien ihr Fett weg - von verschwundenen Details aus Hannelore Krafts | |
| Lebenslauf bis zum Linken-Vize Ralf Michalowsky. Bislang haben sich alle | |
| Geschichten, über die die Blogs berichtet haben, bestätigt. | |
| Die Frage müsste also eher lauten: Warum wurde das Material nicht zuerst | |
| der WAZ angeboten? Schließlich bespielt das Hauptblatt des gleichnamigen | |
| Zeitungskonzerns mit seinem "Content-Desk" seit dem vergangenen Jahr auch | |
| NRZ (Duisburg) und Westfälische Rundschau (Dortmund). Das ganze Revier auf | |
| dem Silbertablett - doch ein Problem: Die WAZ war, höflich formuliert, eher | |
| mal pro Rüttgers. Und ging auch eher zurückhaltend mit den | |
| Blog-Enthüllungen um. Eine große Investigation des hauseigenen | |
| Rechercheteams fand entweder nicht statt - oder nicht viel heraus. | |
| Dafür machte Rüttgers plötzlich Wahlkampf, wie ihn der heutige | |
| WAZ-Konzerngeschäftsführer Bodo Hombach früher für einen gewissen Johannes | |
| Rau ("Wir in NRW") und eine ganz andere Partei gemacht hat. | |
| Und die Blogs? "Uns gab es fünf Monate", schrieb Wir-in-NRW am Sonntag: | |
| 730.000 Besucher haben in dieser Zeit 1,83 Millionen Seiten abgerufen und | |
| gelesen. "Das einfach mal so." Und bei den Ruhrbaronen hat deren Frontmann | |
| David Schraven einen neuen Job: Er wechselt zum Rechercheteam - der WAZ. | |
| 11 May 2010 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.wir-in-nrw-blog.de/ | |
| [2] http://www.ruhrbarone.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Steffen Grimberg | |
| ## TAGS | |
| Lobbyismus | |
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