# taz.de -- Demo gegen Gefahrengebiete: Hamburgensie im Visier | |
> In Hamburg gehen 5.000 Menschen gegen Gefahrengebiete auf die Straße. | |
> Grüne und Linkspartei wollen, dass der Passus aus dem Gesetz gestrichen | |
> wird. | |
Bild: Aktuell beliebtes Demo-Utensil in Hamburg: die Klobürste. | |
HAMBURG taz | Mehr als 5000 Menschen aller Generationen haben Samstag in | |
Hamburg unter dem Motto: „Ausnahmezustand stoppen – politische Konflikte | |
politisch lösen“ gegen polizeiliche Gefahrengebiete demonstriert. Mit | |
Sprechchören „Feuer und Flamme der Repression“ und „Keine ruhige Minute … | |
Hamburger Senat“ zogen die Demonstranten durch das Hamburger | |
Schanzenviertel und die Stadtteile Altona und St. Pauli, in denen Anfang | |
des Jahres für zehn Tage der Ausnahmezustand herrschte. | |
Zu dem Protest knapp eine Woche nach Aufhebung der Gefahrengebiete hatten | |
neben Stadtteilinitiativen, dem Netzwerk „Recht auf Stadt“, auch die | |
Linkspartei, die Piraten-Partei und die Grüne sowie attac und der | |
Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz aufgerufen. Ziel des Protest | |
ist es, dass die polizeiliche Generalbefugnis abgeschafft wird, „auch wenn | |
wir uns die Stadt inzwischen zurückerobert haben", wie es eine Sprecherin | |
der DemonstrantInnen formulierte. | |
Besonders scharf gingen die Redner während der Veranstaltung mit der Rolle | |
eines Großteils der Medien ins Gericht, die als Sprachrohr der Polizei | |
„Pickelhauben-Journalismus“ praktiziert hätten. Sie hätten aus den bei | |
Kontrollen beschlagnahmten Silvesterböllern „Sprengstoff“, aus Schals | |
„Vermummungs-Utensilien“ und aus einer Klobürste eine „gefährliche Waff… | |
gemacht. Es ginge nun darum, wieder regionale politische Konflikte in der | |
Berichterstattung zu thematisieren, wie etwa das Bleiberecht der Lampedusa | |
Flüchtlinge, den Erhalt des besetzten autonomen Zentrums Rote Fora oder | |
Schaffung von sozialen Wohnraum. | |
Der Gefahrengebiets-Passus ist eine [1][Hamburgensie] im Polizeirecht, den | |
es andernorts in der Bundesrepublik nicht gibt. 2005 war er vom damaligen | |
Innensenator Udo Nagel (parteilos), den der Rechtspopulist und Innensenator | |
Ronald Schill 2002 als Polizeipräsident aus München an die Elbe geholt | |
hatte, unter einem CDU-Senat eingeführt worden. Der Passus lässt auf | |
alleinige Weisung der Polizei ohne richterliche Überprüfung oder | |
Parlamentsbeschluss in Regionen verdachtsunabhängige Personen- und | |
Taschenkontrollen zu, die mit Aufenthaltsverboten und Ingewahrsamnahmen ihr | |
Ende finden können. | |
## Volksinitiative angekündigt | |
Die Fraktionen der Grünen und Linkspartei haben für die | |
Bürgerschaftssitzung in der kommenden Woche Anträge gestellt, den Passus | |
ersatzlos aus dem Polizeigesetz zu streichen. Die Piratenpartei, die im | |
Hamburger Landesparlament nicht vertreten ist, hat sogar eine | |
Volksinitiative zwecks Volksentscheid angekündigt. „Schon 2005 bei | |
Verabschiedung des Polizeigesetzes habe ich die verdachtsunabhängigen | |
Kontrollen als verfassungswidrig kritisiert“, sagte die grüne | |
Innenpolitikern Antje Möller. „Gefahrengebiete verschärfen eher Konflikte, | |
als deeskalierend zu wirken“, ergänzte Möller. | |
So war es auch in Hamburg, als die Polizei nach einem vermeintlichen | |
gewaltsamen Angriff von vermummten Autonomen auf das Kiezrevier Davidwache | |
den Gefahrengebiets-Ausnahmezustand ausgerufen hatte. 80.000 Hamburger | |
waren betroffen. Fast jeden Abend kam es aus Protest zu Stadtteilrundgängen | |
durch das Gefahrengebiet mit mehreren hundert Teilnehmern. | |
Vorigen Montag brach die Polizei ihren Einsatz ab. Zudem erscheint es immer | |
wahrscheinlicher, dass es keinen Überfall von Autonomen mit Steinen und | |
Flaschen auf die Davidwache gegeben hatte. Dennoch wurden offiziell in den | |
zehn Tagen Ausnahmezustand 1.000 Personen gefilzt und gegen 190 Menschen | |
Aufenthaltsverbote ausgesprochen – auch gegen Anwohner. | |
„Das Mittel des Gefahrengebiets muss endgültig ad acta gelegt werden,“ | |
bekräftigte daher die innenpolitische Sprecherin der Hamburger Linkspartei, | |
Christiane Schneider, die bestehenden Forderungen. „Das Instrument, das die | |
Polizei zu erheblichen Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte ermächtigt, | |
verstößt gegen alle verfassungsrechtlichen Grundsätze“. | |
18 Jan 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Hamburgensie | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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