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# taz.de -- Kein Zutritt für Netz-Journalisten: Bundestag sperrt Blogger aus
> Die Pressestelle des Bundestags weist seit Wochen Blogger ab. Bald könnte
> es ein Gesetz geben, das nebenberuflichen Politikbeobachtern die Arbeit
> weiter erschwert.
Bild: Markus Beckedahl ist kein Journalist – jedenfalls nach Meinung der Pres…
BERLIN taz | Es ist nicht ganz einfach, Markus Beckedahls politische
Berichterstattung zu ignorieren. Vor zwölf Jahren gründete er den Weblog
[1][netzpolitik.org] und schreibt dort seitdem über die digitale
Gesellschaft und Internetpolitik der Bundesregierung. Dafür wurde er
mehrfach ausgezeichnet, das Medium-Magazin kürte ihn zuletzt zu einem der
Politikjournalisten des Jahres. Im Jahr 2010 beriefen ihn die Grünen als
Sachverständigen in die Enquetekommission „Internet und digitale
Gesellschaft“.
Die Pressestelle des Deutschen Bundestags kümmert dies alles nicht.
Beckedahl sei Blogger und kein Journalist, sei ihm erklärt worden. Auf
einen Jahresausweis für Pressevertreter im Bundestag müsse er deshalb
verzichten.
Beckedahl kann diese Einschätzung nicht verstehen. „Wir gehen davon aus,
dass wir hier journalistisch arbeiten“, antwortet er auf [2][seinem Blog]:
„zudem mache ich das hauptberuflich.“
Allerdings ist er mit dieser Abfuhr nicht allein. In den vergangenen Wochen
haben mehrere Netz-Journalisten über Probleme mit der
Bundestagspressestelle geklagt. Der Chefredakteur von [3][netzpiloten.de],
Tobias Schwarz, sei etwa Ende Januar der Zutritt zum Medienausschuss
verwehrt worden. Die Begründung hat er [4][veröffentlicht]: „Zu viele
Blogger haben versucht sich zu akkreditieren.“ Auch Schwarz lebt vom
Online-Journalismus.
## Blogger wollen gemeinsam reagieren
Tilo Jung und sein Team, die mit ihrem Web-Videoformat [5][„Jung und Naiv“]
regelmäßig Politikerinterviews produzieren, bekamen vor zwei Wochen
ebenfalls keine Jahresakkreditierung. „Eine Begegnung mit Abgeordneten“ sei
„nach entsprechender Absprache“ schließlich „jederzeit möglich“, schr…
Pressestelle seinem Redaktionsleiter – auch in den Häusern des Bundestags
und auch ohne Pressezugang.
Jung bemüht sich nun um Unterstützung aus der Politik. „Ein paar
Abgeordnete haben sich gemeldet“, sagt er. Sie wollen ihm helfen, freien
Zutritt zu bekommen. Zusammen mit den anderen abgewiesenen Bloggern hat
Jung außerdem „eine gemeinsame Reaktion angedacht“.
Die Debatte, ob Publizisten, die ihre Texte ausschließlich für Weblogs
schreiben, denn richtige Journalisten sind, ist nicht neu. Ganz im
Gegenteil. Bereits im Jahr 2007 prophezeite die Frankfurter Allgemeine
Zeitung anlässlich der ersten Bloggerkonferenz re:publica: „Ohne die
Bezugsgröße Print würden die meisten meinungsführenden Blogs - und zwar nur
diese - in sich zusammenfallen wie ein Heißluftballon ohne Flamme“.
Bildblog-Gründer [6][Stefan Niggemeier] hielt dagegen. Im Jahr 2008 empfahl
er schlecht recherchierenden Printjournalisten: „Geht sterben“.
Mittlerweile sitzen Schreiber wie er oder [7][Sascha Lobo], die sich in der
Blogosphäre einen Namen gemacht haben, in politischen Talkshows und
publizieren auch in etablierten Medien. Und diese widmen sich ihrerseits
intensiv dem eigenen Onlineauftritt.
## Zugang bald nur noch für Hauptberufliche?
Umso irritierter ist die Netzpolitik-Szene nun von der Reaktion der
Bundestagspressestelle. „Blogger vs. Journalist? Get over it!“ schreibt
Tobias Schwarz. Bloggerin Vera Bunse hat sich mittlerweile [8][schriftlich]
an die Pressestelle gewandt. Sie fragt, „ob es eine Kontingentierung für
Blogger gibt“. In den Bundestag dürfe, wer seine „hauptberufliche
journalistische Tätigkeit“ nachweisen könne, antwortet ihr der Sprecher –
ähnlich wie beim Finanzamt oder dem Journalistenverein
Bundespressekonferenz.
Gegenüber der taz verweist Bundestagssprecher Sven Göran Mey auf die
[9][Kriterien], mit denen der Deutsche Journalistenverband DJV und andere
Medienverbände eine hauptberufliche Tätigkeit für die Ausstellung von
Presseausweisen überprüft. Die Frage, ob ein solcher Presseausweis nun
Voraussetzung ist, um aus Bundestagsgebäuden berichten zu dürfen, lässt
Göran Mey dabei unbeantwortet.
Womöglich aus gutem Grund: Für die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen
Journalistinnen- und Journalisten-Union (DJU), Cornelia Haß, wäre eine
solche Praxis rechtlich „gar nicht haltbar“. Sie sagt, das widerspräche
derzeit der im Grundgesetz garantierten Gleichbehandlung der Presse. Von
ihrer Gewerkschaft könnten die betroffenen Netz-Journalisten rechtlichen
Beistand erwarten, sagt sie. Jedoch nur so lange, wie die Pressestelle im
Unrecht ist. Das könnte sich bald ändern.
Denn DJV-Sprecher Hendrik Zörner erkennt in dem Verhalten des Bundestags
die Vorboten einer angedachten Neuregelung, die bereits im
[10][Koalitionsvertrag] steht: „die Wiedereinführung des ,amtlichen
Presseausweises'“.
## Gewerkschaften profitieren
„Blogger und Journalist sind keine geschützten Berufsbezeichnungen“,
erklärt Zörner vom DJV. Wenn bald ein Gesetz verabschiedet würde, nach dem
bundesweit nur noch Medienvertreter mit einem Gewerkschafts-Presseausweis
in Behördengebäude dürften, werde „unseriösen Presseausweisen“ vorgebeu…
sagt er – solchen, die nicht von den Gewerkschaften stammen. Sie sind den
etablierten Journalistenvertretern schon lange ein Dorn im Auge: „Das ist
das, was wir wollen würden“, sagt Zörner.
Freischaffenden Bloggerinnen und Bloggern würde ein solches Gesetz die
Arbeit dagegen erschweren. Haß vom DJU sieht das anders: Ein „amtlicher
Presseausweis“ für hauptberufliche Journalisten verschaffe diesen „größe…
Klarheit“, sagt sie, und „gute Arbeitsbedingungen“. Er beuge Missbrauch
vor. Sie würde dieses Gesetz „ausdrücklich begrüßen“.
Publizistin Vera Bunse schreibt auf ihrem eigenen Blog und auf
[11][carta.info] über Politik – bis heute ohne Presseausweis. Sie ist
wütend über das Verhalten des Bundestags. „Erst war es der fehlende
Presseausweis, dann die Kriterien der parlamentarischen Berichterstattung,
anschließend die Hauptberuflichkeit, und nun sind wir beim Steuerbescheid
gelandet“, schreibt sie an dessen Sprecher. All diese Gründe seien
vorgeschoben und nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar: „Die
Bundestagsverwaltung hat sich an das Grundgesetz zu halten.“
Ähnlich sieht es Netzpolitik-Journalist Markus Beckedahl. Er hat bei der
Pressestelle Einspruch eingelegt.
6 Feb 2014
## LINKS
[1] https://netzpolitik.org/about-this-blog/
[2] https://netzpolitik.org/2014/pressestelle-des-bundestages-erklaert-wir-mach…
[3] http://www.netzpiloten.de/
[4] http://isarmatrose.com/?p=3742
[5] http://www.joiz.de/show/jung-und-naiv
[6] http://www.stefan-niggemeier.de/blog/
[7] http://saschalobo.com/
[8] http://opalkatze.wordpress.com/2014/02/03/pressefreiheit-im-bundestag-nicht…
[9] http://www.djv.de/startseite/service/mitgliederservice/presseausweis.html
[10] http://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/koalitionsvertrag.pdf
[11] http://www.carta.info/
## AUTOREN
Kristiana Ludwig
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