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# taz.de -- 10 Jahre netzpolitik.org: Ist das Journalismus oder was?
> Das Blog netzpolitik.org wird zehn Jahre alt. Seine Macher haben viel
> erreicht, den Netzpolitikern der Parteien gefällt das nicht immer.
Bild: Markus Beckedahl, 2012 bei den Anti-Acta-Protesten.
BERLIN taz | Das Programm ist bereits ein Statement. Die Macher des
einzigen deutschen Blogs mit politischem Einfluss laden unter der Parole
„Das ist Netzpolitik!“ zum Geburtstag ein. Sie feiern am Freitag einen Tag
und vermutlich eine Nacht lang das erste Jahrzehnt [1][netzpolitik.org].
Doch wer taucht in ihrem Programm nicht auf? Die Netzpolitiker.
„Wir haben bewusst darauf verzichtet, die sagen alle dasselbe“, sagt Markus
Beckedahl, lange der Internet-Erklärbär von „Tagesschau“ und Co.,
inzwischen auch von den letzten Journalisten als Internetaktivist
identifiziert und Gründer des Blogs. Talks mit Politikern bezeichnet er als
„vertane Liebesmühe“.
Netzpolitiker stört diese Arroganz. Lars Klingbeil etwa, der netzpolitische
Sprecher der SPD im Bundestag, sagt: Natürlich sollten ihn die Aktivisten
in ihrem Blog kritisieren, das müsse er aushalten. „Aber den Dialog sollten
sie suchen.“
Dabei eint beide Seiten so viel: Politiker und Blogger haben gemeinsam
dafür gekämpft, dass die Netzpolitik die Nische verlässt – und erlebt, wie
der Kampf für die richtigen Spielregeln im Digitalen im Mainstream
ausgetragen wurde, zumindest für einen Moment. Beide Seiten haben das
Aufkommen und Ableben einer netzpolitisch geprägten Partei erlebt.
Miteinander können sie trotzdem nicht.
## Aus dem Netz auf die Straße
Klingbeil findet dennoch lobende Worte: „Es gibt kein Medium, das besser in
Quantität und Qualität über Netzpolitik berichtet.“ Das Blog sei „ein
Treiber“ und habe „bei den großen Diskussionen etwas in Bewegung gesetzt“
mit seinen Kampagnen. „Die sind nachher sogar mit Demos auf der Straße
geendet.“
Als es gegen Acta ging, dieses irre Urheberrechtsabkommen, war das
zweifellos so. Aber sonst? Wer etwa zu den Hochzeiten der NSA-Affäre mit
den bloggenden Aktivisten, die sich zum Teil zugleich in Lobbygruppen wie
der Digitalen Gesellschaft engagieren, durch Berlin vor den Neubau des
Bundesnachrichtendienst gezogen ist, hat gesehen: Auch wenn die Themen alle
angehen, bleiben die Aktivisten immer noch oft unter sich.
So ist es vor allem die Kontinuität und damit der Fleiß seiner Macher, der
netzpolitik.org auszeichnet. Das Blog greife „auch heute noch Themen und
Debatten auf, die es auf die ,Netz-Seiten‘ großer Medien nicht oder erst
sehr spät schaffen“, sagt Malte Spitz, Digitalpolitiker bei den Grünen.
## Zwischen Journalismus und Aktivismus
Strenggenommen ist netzpolitik.org schon länger als ein Jahrzehnt am Start.
Beckedahl, einst bei den Grünen aktiv, war damals in der Europapolitik
unterwegs, hat irgendwo in Brüssel im Schlafsack übernachtet und über die
damals noch aufregende Welt gebloggt. Vor zehn Jahren schließlich verpasste
er seinem Projekt ein Konzept – erfolgreich.
Auf die Frage, was er mit seinen Mitstreitern seitdem auf dem
netzpolitischen Portal eigentlich macht, spricht er von
„Advocacy-Journalismus“. Er trete „mit den Mitteln des Journalismus für
eine Sache ein“. Das Blog bewegt sich damit zwischen Journalismus und
Aktivismus. Zuletzt haben die Blogger etwa für Akkreditierungen für den
Bundestag kämpfen müssen – sie werden eben mit ihrem kampagnenartigen und
meinungsstarken Auftritt nicht von allen als ordentliches Medium
wahrgenommen.
Doch wenn es passt, werben sie mit „unabhängigem Journalismus“, vor allem
wenn es darum geht, Spenden zu sammeln. Dieses Modell ist noch
vergleichsweise neu auf der Seite, laufe aber „super“, sagt Beckedahl und
berichtet von „mindestens 8.000 Euro“ pro Monat.
## Die anderen schreiben ab
Werbung als Quelle schließt sich bei der Nutzerschaft wiederum nahezu aus:
Wer sich für Digitales interessiert, kennt sich aus und unterbindet mit
entsprechenden Browser-Erweiterungen oft klassische Werbebanner. Von dem
inzwischen steten Geld der Fans können immerhin Autoren bezahlt werden.
Zwei Redakteure leben gar ganz und einer halb davon – natürlich auf dem
noch immer vergleichsweise günstigen Berliner Niveau.
Die Blogger bekommen von ihren Fans aber nicht nur Geld zugesteckt, sondern
auch Informationen. Immer wieder landen dann verschlüsselt im digitalen
Posteingang, sehr wohl aber auch ganz analog im Briefkasten Unterlagen aus
Behörden, Ministerien und Parteien. netzpolitik.org „leakt“ dann – und d…
anderen schreiben ab, etwa wenn es um das Ausmaß der Funkzellenabfrage geht
oder um Unterlagen aus dem NSA-Ausschuss.
„Gut ist, dass die Seite den netzpolitischen Debatten treu geblieben ist
und nicht auf mediale Hypes um Start-ups oder Ähnliches aufspringt, um mehr
Klicks zu generieren“, lobt Grünen-Netzpolitiker Spitz. Tatsächlich leistet
sich netzpolitik.org ein sehr eng gefasstes und damit scharfes Profil,
wenngleich sich die Seite immer mehr in Details verliert. Das Blog bleibt
damit auch nach zehn Jahren vor allem etwas für Interessierte.
17 Oct 2014
## LINKS
[1] http://netzpolitik.org
## AUTOREN
Daniel Bouhs
## TAGS
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