# taz.de -- Netzpolitik beim Fernsehen: "Bunt wurde es mit den Piraten" | |
> Ulla Fiebig hat das Hauptstadtstudio der ARD mit dem Internet bekannt | |
> gemacht. Sie erzählt, wie schwierig das manchmal war. | |
Bild: Sind die Piraten wirklich weg, Frau Fiebig? Oder hecken die nur wieder wa… | |
Taz: Frau Fiebig, Sie haben in den vergangenen drei Jahren für die ARD das | |
neue Themenfeld „Netzpolitik“ betreut. Wie leicht war es denn, der | |
„Tagesschau“ den Weg ins Neuland zu weisen? | |
Ulla Fiebig: Das war schon ein bisschen Pionierarbeit. Anfangs hieß es noch | |
in Hamburg: Netzpolitik? Schön und gut – aber wir haben dafür keinen Platz. | |
Inzwischen gibt es ein Bewusstsein für das Thema, doch abgesehen von der | |
NSA-Affäre: Wenn es eng wird, fliegt die Netzpolitik auch jetzt noch oft | |
als erstes aus der Sendung. | |
Wann brach das denn das erste Mal auf? | |
Das war 2011. Damals ist die Erregungskurve nicht nur im Netz, sondern auch | |
in den Redaktionen für einen Moment nach oben geschossen: Es gab den | |
Vorwurf, dass die Ermittler in mehreren Bundesländern einen | |
„Staatstrojaner“ eingesetzt haben – programmiert nicht etwa vom Staat, | |
sondern von einer privaten Firma. | |
Da war Netzpolitik also mal drin. | |
Ja, aber als der Innenminister einlenkte und ankündigte, den Staatstrojaner | |
von eigenen Leuten entwickeln lassen zu wollen, wurde Gaddafi gefunden – | |
und raus war das Thema. Das hat mich damals wirklich geärgert. Ich wollte | |
einen Punkt hinter das Thema machen. | |
Und dann kam Acta. | |
Daran erinnere ich mich noch gut: Damals haben die Grünen kamerawirksam | |
protestiert, mit großen roten Buchstaben im Schnee. Ich war gerade dabei, | |
die Kollegen von dem Thema zu überzeugen, da ging die Meldung über die | |
Agenturen: Die Bundesregierung verschiebt die Unterzeichnung des Abkommens. | |
Damit war das für die 20 Uhr-Tagesschau gesetzt und wurde auch ein Beitrag | |
für den „Bericht aus Berlin“. Und dann kamen ja auch die großen Proteste | |
mit zehntausenden Demonstranten. | |
Dann lief’s? | |
Nicht immer, nein. Nehmen wir die Diskussion ums Urheberrecht. Das habe ich | |
immer mal wieder als Thema angeboten. Ich glaube, am Ende war es ein | |
Beitrag im Mittagsmagazin. Oder die Vorratsdatenspeicherung. Da wusste | |
jeder Kollege: Das ist wichtig. Und wir haben ja auch berichtet. Aber oft | |
war dann die Frage: Wie stellt man das dar? Netzpolitik ist eben kein | |
bildstarkes Thema. | |
Ein paar Nerds finden sich doch immer! | |
Aber wenig Abwechslung. Ich habe mal bei der Telekom gefragt, ob wir in | |
einem der großen Server-Räume frische Bilder drehen dürfen, einfach um | |
authentisches Material zu haben. | |
Und? | |
Keine Chance! Bunt und abwechslungsreich wurde die Netzpolitik eigentlich | |
erst mit den Piraten. | |
Die sind ja nun quasi wieder weg. Das freut etablierte Kollegen, oder? | |
Viele fühlen sich zumindest bestätigt. Die haben von Anfang an gesagt, dass | |
die Piraten nichts zu bieten hätten. Dann haben sie die Partei zur | |
Wirtschafts- und Außenpolitik gelöchert und die Piraten haben diesem Druck | |
nachgegeben – obwohl sie kaum Antworten parat hatten. Genau das war der | |
Fehler! Die Piraten haben ihr Kernthema vernachlässigt und die verloren, | |
die gerade wegen der Netzpolitik die Piraten gewählt haben. | |
Am Ende hat doch sicher einer wie Markus Beckedahl geholfen, Netzpolitik | |
massentauglich zu machen: Da war plötzlich ein Netzaktivist, der sich | |
artikulieren konnte. | |
Ein guter Experte ist oft wichtig und hilfreich. Aber natürlich hat auch | |
Markus Beckedahl eine eigene Agenda. Erst Politiker A und Politiker B | |
sprechen zu lassen und dann einen Beckedahl zu nehmen, der uns sagt, wer | |
von den beiden eigentlich recht hat – das geht auf Dauer nicht! | |
War das am Anfang nicht der Reflex? | |
Ja, am Anfang war das so. Ich musste das Thema auch erst durchdringen. | |
Inzwischen ist Beckedahl etabliert und wird ja auch von anderen | |
ARD-Redaktionen angefragt. | |
Galten Sie im Hauptstadtstudio eigentlich als Technik-Verrückte? Sie haben | |
immerhin als erste dieses Twitterdings entdeckt. | |
Mir macht das Internet ja auch persönlich Spaß – sonst hätte ich mir auch | |
nicht gewünscht, dass die Netzpolitik ein festes Thema im Hauptstadtstudio | |
wird. Aber klar, ich habe dem einen oder anderen Kollegen erklärt, wie das | |
funktioniert. Heute ist das selbstverständlich: Immer mehr Kollegen | |
twittern und nicht zuletzt inzwischen auch der „Bericht aus Berlin“. | |
Nun sind Sie zurück in Stuttgart. Sie leiten die „Strategische | |
Unternehmensentwicklung“ des SWR. Welche Strategie wollen Sie Ihrem | |
Heimatsender denn verpassen? | |
Meine Kollegen und ich sind vor allem ein Bindeglied. Wir koordinieren und | |
begleiten übergreifende Projekte – und ich setze dabei natürlich erst | |
einmal vor allem fort, was schon gesetzt ist. Wir bauen etwa die | |
Regionalnachrichten im Fernsehen aus und wollen durch mehr Beiträge von | |
jungen Journalisten das Programm insgesamt bereichern. | |
Na, Sie werden aber doch mit eigenen Ideen um die Ecke kommen? | |
Ja, etwa fürs Netz. Bisher ist der Trend ja eher, dem Nutzer möglichst viel | |
auf einen Blick anzubieten. Ich glaube allerdings, dass es in der Zukunft | |
darum geht, stärker zu priorisieren: Was bieten wir zu welcher Zeit auf | |
welchem Kanal an – so wie wir das im klassischen Programm auch tun. Im | |
Internet ist die Informationsflut noch größer. Da müssen wir dem Nutzer | |
vielleicht deutlicher sagen: Hier, das lohnt sich gerade besonders! | |
Wer kann das denn schon gut? | |
Ich finde die neue Mediathek von Arte großartig: Auf den ersten Blick | |
werden einzelne Formate plakativ herausgestellt. Und wer mehr will, der | |
findet natürlich trotzdem auch in einer zweiten Ebene alles andere. | |
Und das Hauptstadtstudio verliert dafür nicht nur sie, sondern auch die | |
Netzpolitik? | |
Das kann ich mir nicht vorstellen – schon gar nicht in einer Zeit, in der | |
im Bundestag ein eigener Ausschuss dafür eingerichtet und das Thema in | |
mehreren Ministerien bearbeitet werden soll. Es kommen jetzt vier neue | |
Kollegen ins Haupstadtstudio. Wer clever ist, springt auf dieses Thema an! | |
29 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bouhs | |
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