| # taz.de -- Fahndung per Handyortung in Berlin: SMS vom Überwacher | |
| > Hunderttausende Berliner geraten jährlich ins Visier der | |
| > Staatsanwaltschaft, nur weil in ihrer Nähe zufällig ein Verbrechen | |
| > passierte. | |
| Bild: Im Jahr 2012 wurden 260 Berliner Handymasten in 254 Strafverfahren erfass… | |
| BERLIN taz | In Zukunft sollen die Berliner erfahren können, wenn sie mit | |
| ihrem Handy in eine Rasterfahndung der Staatsanwaltschaft geraten. Das | |
| Abgeordnetenhaus beschloss in der vergangenen Woche, dass die Überwachten | |
| per SMS informiert werden, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind. | |
| Außerdem müssen die Behörden umfangreichere Statistiken vorlegen als | |
| bisher, in denen sie genauer aufschlüsseln, wie häufig und für welche | |
| Zwecke sie das Instrument einsetzen. | |
| Bei einer Funkzellenabfrage wird nachträglich ermittelt, wer sich zu einem | |
| bestimmten Zeitpunkt mit eingeschaltetem Mobiltelefon an einem bestimmten | |
| Ort aufgehalten habe. Im Jahr 2012 machte die Polizei einen Fall bekannt, | |
| in dem ein Mann sich in die Humboldthain-Schule im Wedding geschlichen | |
| hatte, sich mit einem achtjährigen Mädchen in der Toilette einschloss, das | |
| Kind dort mit einem Messer bedrohte und es sexuell missbrauchte. | |
| Ein Gericht verpflichtete die Betreiber der Mobilfunknetze, die Daten aller | |
| Handybesitzer herauszugeben, die zu dem Zeitpunkt in den Handymasten in der | |
| Umgebung eingeloggt waren. Dabei geht es zunächst nur um die Identität der | |
| Handybesitzer – der Inhalt ihrer Telefonate wird nicht aufgezeichnet. Da | |
| ein Handymast eine Reichweite von einigen hundert Metern hat, fallen in der | |
| Innenstadt schnell die Daten von tausend oder mehr Menschen an. Unter | |
| diesen potenziellen Vergewaltigern versuchte die Polizei nun, den Täter zu | |
| ermitteln. Am Ende überführte ihn eine DNA-Probe. | |
| Im Jahr 2012 wurden 260 Handymasten in 254 Strafverfahren erfasst. Um | |
| welche Straftaten es dabei ging und wie viele Personen betroffen waren, | |
| wird bisher nicht statistisch erfasst, sondern erst in Zukunft dank des | |
| Beschlusses im Parlament. Es war auch ein Fall bekannt geworden, in dem die | |
| Staatsanwaltschaft per Funkzellenabfrage nach einem Autobrandstifter | |
| suchte. In Dresden erfassten die Behörden Zehntausende Teilnehmer einer | |
| Anti-Nazi-Demonstration, da sie unter ihnen eine „linksorientierte | |
| Tätergruppe“ vermutete, die politisch Andersdenkende angreift. | |
| ## Ein Erfolg für die Piraten | |
| Eigentlich sind die Staatsanwaltschaften auch jetzt schon verpflichtet, | |
| alle Personen darüber zu informieren, dass ihr Standort ermittelt wurde. | |
| Diese Auskunft an einen Betroffenen darf laut Wortlaut des Gesetzes nur | |
| dann unterbleiben, wenn „anzunehmen ist, dass sie kein Interesse an einer | |
| Benachrichtigung hat“. | |
| Die Staatsanwaltschaft macht es sich hier nun leicht: Sie nimmt einfach an, | |
| dass die Betroffenen niemals ein Interesse an der Benachrichtigung haben, | |
| und informiert daher auch keinen. Der Parlamentsbeschluss sieht nun aber | |
| vor, dass Bürger sich melden können, die doch ein Interesse haben. Nach | |
| zukünftigen Überwachungen erhalten sie dann eine SMS. Die einmalige | |
| Einrichtung des Systems soll 165.000 Euro kosten. Die laufenden Kosten | |
| hängen dann von der Zahl der verschickten SMS ab. | |
| Der Parlamentsbeschluss ist ein Erfolg für die Piraten: Sie hatten den | |
| Antrag ursprünglich ins Parlament eingebracht. Der Abgeordnete Christopher | |
| Lauer (parteilos, Ex-Pirat) ärgert sich seit Jahren darüber, dass die | |
| Behörden zwar immer behaupten, dass verschiedene Überwachungsmaßnahmen | |
| notwendig sind, aber gar keine Statistiken über deren Anwendung und Erfolg | |
| führen. Lauer nennt dies „Sicherheitsesoterik“. Im Parlament sagte er, die | |
| Statistik solle „aussagekräftige Beurteilungsgrundlagen für die | |
| Beantwortung der Fragen schaffen, ob die Funkzellenabfragen im Allgemeinen | |
| ein sinnvolles Ermittlungsinstrument und im Rechtssinne verhältnismäßig | |
| sind“. | |
| 2 Dec 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Sebastian Heiser | |
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