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# taz.de -- Feministin über Sexarbeit: „Alle Frauen tauschen Sex gegen Geld�…
> Wenn Frauen Prostituierte befreien wollen, lohnt es sich, zweimal
> hinzusehen, meint die englische Feministin Laurie Penny.
Bild: Den sexuellen Wert erfolgreich auf dem Partnerschaftsmarkt verkauft.
taz: Alice Schwarzer sagt, Sexarbeit sei eine Menschenrechtsverletzung. Was
sagen Sie?
Laurie Penny: Ich selbst habe diese Arbeit noch nicht gemacht, allerdings
sind Freunde von mir Sexarbeiterinnen. Ich glaube, die Frage nach der
Menschenrechtsverletzung ist die falsche. Wichtiger ist, wie kann ihre
Arbeit so gestaltet werden, dass sie die Menschenwürde nicht verletzt? Ein
Verbot der Prostitution, wie Alice Schwarzer es fordert, das hatten wir
viele Jahre und haben es noch in den meisten Ländern der Welt. Das hat den
Sexabeiterinnen noch nie genutzt.
Jemand, den ich vielleicht gar nicht mag, überschreitet meine
Intimitätsgrenzen. Kann das normale Arbeit sein?
Es gibt viele Arten von Arbeit, die über persönliche Grenzen geht oder
verletzend ist. Frauen haben schon immer Emotionalität und Intimität
verkauft. Sehen Sie sich die typischen Frauenjobs an. Und es wird mehr: Wir
sollen uns mit unserer ganzen Persönlichkeit unserem Arbeitgeber zur
Verfügung stellen. Wir alle verkaufen immer mal wieder Gefühle.
Auch manche Exprostituierten sagen, Prostitution mache einen kaputt.
Während ihrer Tätigkeit hätten sie zwar behauptet, sie seien selbstbestimmt
–aber nur aus Selbstschutz.
Natürlich können Menschen sehr schlechte Erfahrungen in der Sexarbeit
machen. Die meisten dieser Erfahrungen machen sie, weil Sexarbeit
illegalisiert ist oder in einer Grauzone stattfindet. Es wird Zeit, daran
etwas zu ändern.
Schwarzer sagt, dass viele ausländische Sexarbeiterinnen ihre Rechte gar
nicht einfordern können.
Man soll also Leuten die Rechte verweigern, weil sie zu dumm oder Ausländer
sind? Ich dachte, dass Feminismus das Gegenteil sei: Frauen handlungsfähig
machen.
Sie meinen, man spricht von Würde und meint Kontrolle?
Absolut. Das war in der gesamten Geschichte der Prostitution so: Es gibt
Frauen mit Würde und Frauen ohne Würde. Das ist verletzend, nicht nur für
Prostituierte, sondern für alle Frauen. Frauen, die mit mehreren Männern
schlafen, werden abgewertet. Hier spielt das Patriarchat mit dem Staat
zusammen: Die Sexarbeiterin wird aus der Gesellschaft ausgeschlossen, weil
die promiske Frau ausgeschlossen werden muss. Denn sie stellt das
Patriarchat infrage. Emotionale Arbeit der Frauen ist in unserer
Gesellschaft nur dann gut, wenn sie unbezahlt ist: Männer und Kinder lieben
und all diese Liebesdienste an ihnen verrichten.
Feministinnen wollen Prostituierte retten, weil sie Angst vor der promisken
Frau haben?
Das ist der eine Grund. Ich glaube aber auch, dass Frauen, die sich selbst
täglich mit sexuellem Kapital ausstatten müssen, um in der Gesellschaft
Erfolg zu haben, tief in ihrem Innern eine Angst und eine Wut haben. Sex
gegen Geld tauschen, das tun alle Frauen in dieser Gesellschaft mehr oder
weniger. Und dieser unbarmherzige Mechanismus macht wütend. Diese Gefühle
lassen sie an den Prostituierten aus, weil die den Mechanismus deutlich
zeigen: Sex für Geld.
Es gibt auch eine Annäherung von Nichtsexarbeiterinnen an die
Prostituierte, oder? Frauen kopieren ihre Kleidung oder lernen Poledance
oder strippen. Wollen die etwas vom sexuellen Kapital der Prostituierten
abhaben?
Ja, sie spielen mit diesen Elementen. Sie wollen den Gewinn dieses Kapitals
abschöpfen, ohne die wirkliche Arbeit einer Poledancerin zu machen. Die
Professionelle wird dabei nicht aufgewertet. Sie kann sich nicht für den
nächsten Job bewerben und sagen: Ach ja, zwischen diesem und jenem Jahr war
ich Poledancer. Stattdessen hat sie eine Lücke im Lebenslauf. Sexuelle
Macht ist die einzige Macht, für die Frauen gefeiert werden. Zugleich
werden sie dafür gehasst und bestraft, wenn sie diese Macht wirklich nutzen
wollen.
Sex ist eigentlich dafür da, dass ungefähr zwei Menschen Spaß haben. In der
Prostitution wird das ein asymmetrisches Verhältnis. Ist das entfremdet?
Ich glaube, dass Sex in unserer Gesellschaft ohnehin entfremdet ist.
Allerdings ist der Sex der Frauen entfremdeter, weil man ihnen einredet,
sie müssten Männern gefallen. Aber auch der männliche Sex wird uns
problematisch präsentiert: Männer müssen Sex haben, sonst vergewaltigen
sie. Es ist wie eine Naturgewalt, sie können nichts dagegen machen. Das
hören die Mädchen, aber Jungen hören das auch. Ihnen wird gesagt, dass Sex
die einzige Methode ist, wie sie Intimität leben können. Die Prostituierten
bekommen dann fast eine Art Therapeutenrolle. Ich sehe, wie Männer damit
kämpfen. Es ist sehr traurig.
Viele gehen aber auch in den Puff, weil sie es einfach finden. Es wird
ihnen zu Hause zu anstrengend. Irgendwie auch schade, oder?
Tja, vielleicht gehen aber auch ihre Ehefrauen ebenso in den Puff? In der
Tat waren Frauen historisch gesehen immer gegen Prostitution, weil die
Sexarbeiterinnen ihren Handel „Sex gegen sozialen Schutz“ unterliefen. Das
aber ist die Idee der Ehe. Deshalb würde ich gern für so etwas wie freie
Liebe plädieren, wäre der Begriff nicht in den Sechzigern total entwertet
worden. Der Sex sollte überhaupt kein Tauschmittel sein.
Aber es beruhen doch nicht alle Partnerschaften auf diesem Tausch Sex gegen
Schutz. Frauen können sich doch allein schützen und ihr eigenes Geld
verdienen.
Das wäre schön, wenn es so wäre. Es ist aber oft nicht so: Sie wissen, wie
ungleich die Einkommen von Männern und Frauen sind. Es ist ein Tabu und
darüber zu reden schmerzt, aber der sexuelle Wert wird auf dem
Partnerschaftsmarkt möglichst gewinnbringend verkauft. So sieht es aus. Und
wir werden das Thema Prostitution so lange haben, wie legaler Sex auf dem
Partnerschaftsmarkt versteigert wird und außerehelicher Sex illegal oder
illegitim bleibt.
Das heißt, das ganze Thema verschwindet, wenn Frauen so viel Geld verdienen
wie Männer?
Man kann sich sexuell nur auf Augenhöhe begegnen, wenn man nicht von der
Beziehung abhängig ist. Ich rede nicht davon, dass Frauen in Aufsichtsräte
müssen. Ich rede von der Teilzeitkraft, die zu Hause unbezahlt arbeitet.
Ja, die sexuellen Beziehungen sähen anders aus, wenn Frauen unabhängig
wären. Frauen sähen anders aus, wenn sie unabhängig wären.
Sie meinen ohne Make-up und Lippenstift?
Nein, Feminismus sollte sich nicht mit dem Urteil über das Aussehen der
anderen beschäftigen. Jede Art, sich zu kleiden, wird zur Unterdrückung,
wenn man denkt, man müsse sich nun so oder so kleiden. Ich zum Beispiel
hätte viel Make-up, wenn ich heute nicht so spät dran gewesen wäre. Und man
muss sagen: Die Vorstellung, dass Feministinnen hässlich sind, hat sehr
viele junge Frauen abgeschreckt. Es ist ihre größte Angst, hässlich zu
sein. Es geht darum, auch diese verinnerlichte Kontrolle abzubauen: Eine
Freundin von mir rät immer zu einem Experiment: Ziehen Sie die hässlichsten
Sachen an, die Sie haben, sehen Sie so furchtbar aus, wie Sie können. Und
dann gehen Sie aus. Und Sie sehen, dass es den Leuten egal ist. Das ist
sehr befreiend.
23 Feb 2014
## AUTOREN
Heide Oestreich
## TAGS
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