Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Poledance als Sport: Um die Stange gezwirbelt
> Der Stangentanz soll von seinem Schmuddelimage befreit werden: Es geht um
> „elegantes Ganzkörpertraining“ statt Sexarbeit.
Bild: Die Perfektion des Sports beim World Poledance Championschip in Peking.
Hart und ein bisschen glipschig fühlt sich die Stange an, in der nackten
Kniekehle. Gar nicht so schwer, daran runterzurutschen, erst langsam mit
abgespreizten Beinen, dann schneller, wenn man sie zu einem Dreieck
zusammenzieht.
Poledance. Probestunde. Erster Stock in einem Gewerbehof kurz vorm Ende der
S-Bahn, versteckt hinter Autowerkstätten und Büromöbel-Direktverkauf. Die
Drillinstruktorin kickt ihre schluffigen Peru-Strickboots in Schlammfarben
von den Füßen. Aufwärmen auf Yogamatten. So knisternd erotisch wie ein
Nachmittag im Pilates-Studio.
Obwohl, natürlich. Das Standard-Outfit sieht aus wie eine
Unterwäsche-Kollektion. Wie bei Beachvolleyballerinnen also. Oder
Bikiniträgerinnen. Nur das die so selten dann auch noch
Innenschenkelfleisch an Stangen klemmen. Ein Bein waagerecht
durchgestreckt, das andere übergeschlagen, schon hänge ich da. Gar nicht so
schwer. Gut nur, dass die Studiobetreiberinnen so milde waren, keine
Spiegel zu montieren. Weil: Halten ist ja nicht das Gleiche wie grazil
aussehen. Unverknautscht. Oder gar schön.
Weil das beim Poledance natürlich sehr wohl eine Kategorie ist. Schön
aussehen. Die Stange sei auf Zehenspitzen zu umtänzeln. Nimm den
Oberschenkel mal ein bisschen runter. Das wirkt eleganter. Brust raus.
Haare werfen. Sätze, die am Fußballfeld oder an der Kletterwand so nicht
vorkommen. Das ist eher so die Kategorie rhythmische Sportgymnastik.
## „Riten aus der Rotlichtbranche“
Es ist, sagen wir mal, aufschlussreich, wie viele Leute nervös anfangen zu
kichern und zu kalauern, wenn die Rede aufs Poledancing kommt. Schon klar,
Puff, Stripclub, Bitchmoves, die Stange als Phallus. Komisch, dass ich das
über Ballettstangen noch nie gehört habe. Oder über Hockeyschläger. Beim
Boxen denkt ja auch keiner an Hitler. Ich habe auch noch nie jemanden
peinlich berührt räuspern hören, dass ihm Salsa zu sexuell aufgeladen sei.
Oder gar Tango.
„Adaption von Riten aus der Rotlichtbranche“, bescheinigt
Kommunikationswissenschaftlerin Daniela Schaaf von der Sporthochschule Köln
dem Poledance. Vier von fünf möglichen Punkten auf der Porn-Skala.
Ganzkörpertraining mit Eleganz, entgegnen die Poledancerinnen.
Weil Poledance natürlich immer noch versucht, sich vom
Untenrum-Schmuddelimage zu befreien. Was eher so mittelgut funktioniert,
wenn eine der Trainerinnen nachher erzählt, sie habe ewig keine Stange zum
Trainieren zu Hause gehabt. Habe damals im Club gearbeitet und halt da üben
können. Und sich die Poledance-Profis kurz später dann so akrobatisch
aufwändig an den Stangen und auf dem Boden räkeln, dass unübersehbar ist,
dass sich bei diesem Sport also auch intimzurasieren ist.
Rollerderby oder Kickboxen ist das hier nicht gerade. Weswegen ich es auch
beim besten Willen nicht schaffe, ironisch gebrochene weibliche
Selbstermächtigung in diese Probestunde reinzuinterpretieren. Aber taugt
das wirklich noch zum Aufreger? In einer Zeit, in der jede Hausfrau ihre
Popohau-Fantasien, eingewickelt in rosa „Leseratte“-Stoffbuchüberzieher, in
„50 Shades of Grey“ spazieren trägt?
## Männer, die sich von Stangen spreizen
Vor einiger Zeit belehrte mich eine Swingtänzerin über das Wesen von Sport.
Entscheidend sei nicht, dass man sich bewegt und schwitzt, meinte sie.
Sport sei es dann, wenn man einen Trainingsanzug anziehen muss, meinte sie,
die in Bars im Stiftrock tanzt. Und das im Alltag gleich anbehält. Nur
konsequent, weil alles, was man leidenschaftlich tut, natürlich irgendwann
in den Lifestyle einsickert. Andererseits sind wir doch so langsam drüber
über das Mannsweiber-Klischee von Fußballerinnen.
Eigentlich geht Poledance auf Männer zurück, habe ich mir vorher in der
Wikipedia angelesen. Auf Mallokhoma, einen indischen Traditionssport.
Männer, die sich von Stangen spreizen. In von der Schwerkraft eigentlich
verbotenen Posen. Ohne einen Hauch von Erotik.
Gedanken, über die ich schon wieder an der Arm-Bein-Koordination scheitere.
Und am lasziven Hüftehängenlassen. Gut eingebitcht sieht wahrscheinlich
anders aus.
Noch mal bitte, im Takt zur Musik. Plastik-lasziver R’n’B, natürlich. Oh,
oh, oh, ah, ah, badoum. In meinem Kopf ein Parallelohrwurm von Peter Fox.
Irgendwas mit Tanzen und einem schönen Elefanten. So fühle ich mich gerade
eher. „Ist auch am Anfang alles viel auf einmal“, sagt die freundliche
Eintänzerin, die mir beim Verhaspeln zusieht, ein bisschen mitleidig. Und
dass man an der Stange klemmend besser noch mal die Hüfte einknickt. Weil’s
halt schöner aussieht.
13 Oct 2015
## AUTOREN
Meike Laaff
## TAGS
Sexarbeit
Tanz
Uckermark
Sylt
Sexarbeit
## ARTIKEL ZUM THEMA
Poledance als Tanzsportart: Vom Rotlicht zum Leistungssport
Mittlerweile gilt Poledance als anerkannte Tanzsportart. Die Hamburgerin
Nele Sehrt bringt anderen das Fliegen an der Stange bei.
Kolumne Unter Leuten: Ein Ökospießer beim Bauern
„Auf die Stange müssen Se zum Erntedankfest rauf, die Mädels“. Ob er von
seinen Sauen spricht oder seinen Töchtern, ist mir nicht klar.
Bordellbetrieb auf Sylt: An den Stadtrand verbannt
Eine Bordellbesitzerin wollte eine Ladenfläche im Zentrum Westerlands
mieten. Ein Gericht hat nun den Betrieb dort verboten.
Feministin über Sexarbeit: „Alle Frauen tauschen Sex gegen Geld“
Wenn Frauen Prostituierte befreien wollen, lohnt es sich, zweimal
hinzusehen, meint die englische Feministin Laurie Penny.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.