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# taz.de -- Kolumne Unter Leuten: Ein Ökospießer beim Bauern
> „Auf die Stange müssen Se zum Erntedankfest rauf, die Mädels“. Ob er von
> seinen Sauen spricht oder seinen Töchtern, ist mir nicht klar.
Bild: So lustig geht es zum Erntefest vielleicht auch in der Uckermark zu
Seit dem Spätsommer ist der ferne Osten im uckermärkischen Carwitz
angekommen. Dort halte ich auf der Durchreise bei einem Bauernhof auf der
Suche nach etwas frischem Gemüse und Käse. Der Bauer – gemütlicher
Bierbauch, Oberkörper frei, rotgebrannter Nacken – begrüßt mich freundlich.
Ich grüße zurück. Ob er auch Bioeier hat, will ich wissen. Eine
ungeschickte Frage für jemanden, der in Brandenburg mit Berliner
Kennzeichen unterwegs ist. Der Bauer schaut mich an, er weiß Bescheid.
Wieder einer von diesen hochnäsigen Großstädtern. Ökospießer halt.
„Eier ham wa nicht, Bio- erst recht nicht“, sagt er. Verkaufen kann er mir
nichts. Ich blicke mich um. Der Hof ist voll gestellt mit technischen
Geräten, deren Funktion mir unbekannt ist. Vor einer Scheune steht ein
Traktor, der grüne Lack blättert vom Dach. Tiere sehe ich aber keine.
Gemüsebeete auch nicht. Dafür die weiten saftig grünen Felder der
Uckermark. Eine seiner Töchter macht in Hühner, erzählt der Bauer.
Zehntausende hält sie in einer riesigen Anlage, ganz in der Nähe. Er selbst
hat Getreide und etwas Weidevieh.
Zum Erntedankfest kommen die Landwirte aus der Gegend und legen zusammen.
Fleisch und Bier, da wird geprasst. Komm Se mal mit, sagt der Bauer und
winkt mich zur Scheune. Drinnen steht hinter einigen Strohballen ein
rustikaler Holztisch. Über dem Tisch ragt eine chromfarbene Stange bis
unter das Spitzdach. „Hab ick mir abjeguckt von die Bars in Thailand“, sagt
der Bauer. „Auf die Stange müssen Se zum Erntedankfest rauf, die Mädels.“
Ob er von seinen Sauen spricht oder seinen Töchtern, ist mir nicht ganz
klar. Wenn aber Pole Dance Stangen aus thailändischen Nachtclubs zum
Highlight des Erntedankfests in einer Brandenburger Scheune werden, hat der
Tourismus wohl etwas bewirkt. Der Bauer lädt mich ein, aufs Fest zu kommen.
„Wird bestimmt ein großer Spaß“, sagt er. Ich lehne dankend ab. Schade,
dass ich so ein hochnäsiger Großstädter bin, denke ich auf der Rückfahrt
nach Berlin. Wäre bestimmt ein großer Spaß geworden.
29 Jan 2017
## AUTOREN
Philipp Eins
## TAGS
Uckermark
Tanz
Landwirtschaft
Countrymusic
Kunst
Sprache
Reiseland Israel
Bio-Lebensmittel
Reiseland Kolumbien
Wetter
Uckermark
Energiewende
Sexarbeit
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