# taz.de -- Kolumne Unter Leuten: Der Jäger der verlorenen Sprachen | |
> Rund 6.000 Sprachen gibt es. Die Hälfte davon ist vom Aussterben bedroht. | |
> Daniel Kaufman kämpft dagegen an, dass sie vergessen werden. | |
Bild: Daniels Kaufmans Jagdrevier: Jackson Heights, ein multiethnischer Stadtte… | |
Den Jäger der verlorenen Sprachen, wie Daniel Kaufman genannt wird, habe | |
ich mir anders vorgestellt. Irgendwie abenteuerlicher. So wie Indiana | |
Jones, mit Lederjacke und Schlapphut. Falsch gedacht. Der 40-jährige | |
Professor trägt Poloshirt und eine randlose Brille, hinter dem mit Akten | |
überladenen Schreibtisch seines Büros am Queens College in New York kann | |
man ihn leicht übersehen. | |
Von 6.000 Sprachen auf der Welt ist jede zweite vom Aussterben bedroht. | |
Daniel Kaufman kämpft gegen das Vergessen. Seit sechs Jahren spürt er | |
gefährdete Sprachen auf. Nicht in abgelegenen Dörfern im Baltikum, in | |
Afrika oder Südamerika. Sondern mitten in New York. | |
Ich wollte Kaufman treffen und erfahren, wie man das macht: eine Sprache | |
retten. Kaufman lacht. Jedenfalls nicht wie in der Notaufnahme eines | |
Krankenhauses, sagt er. Ein Leben zu retten ist oft einfacher, als eine | |
Sprache vor dem Tod zu bewahren. Kaufman spaziert regelmäßig die Roosevelt | |
Avenue in Jackson Heights entlang. | |
Die Nachbarschaft gehört zum Stadtteil Queens, sie ist seit Jahren eine der | |
quirligsten Gegenden New Yorks. Mexikanische Fast-Food-Läden, chinesische | |
Nagelstudios und philippinische Reisebüros reihen sich dicht aneinander. | |
Gesprochen wird mehr Spanisch als Englisch, aber auch ein Gemisch | |
asiatischer Dialekte. | |
Kaufman hört genau hin. Fragt Passanten, woher sie stammen, in welcher | |
Sprache sie reden. Manchmal sind es Dialekte, die nur in zwei, drei Dörfern | |
gesprochen werden. Kaufman lädt die Menschen an sein College ein, lässt sie | |
erzählen, zeichnet alles auf. Um die Sprachen nicht nur zu archivieren, | |
sondern am Leben zu erhalten, müsste viel mehr geschehen. „Kinder aus | |
kulturellen Minderheiten brauchen eigene Schulen und eine besondere | |
Förderung“, sagt er. | |
In den USA von Donald Trump ist das kaum vorstellbar, meint Kaufman und | |
schaut resigniert auf die Papierstapel vor sich. Nach dem aggressiven | |
Wahlkampf gegen Muslime und Hispanics werden viele Einwohner ihre Herkunft | |
verbergen. | |
4 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Philipp Eins | |
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