| # taz.de -- Lesung von Laurie Penny in Berlin: Sex statt Arbeit | |
| > Was für eine kluge Entertainerin: Autorin und Feministin Laurie Penny | |
| > glänzt bei einer Lesung in Berlin. Ein Ortstermin. | |
| Bild: Schon mal in Berlin: Laurie Penny im Jahr 2013 auf der re:publica. | |
| Etwa in der Mitte der Veranstaltung wird Laurie Penny gefragt, ob sie in | |
| Großbritannien auch so ein großer Star sei wie in Deutschland. Da muss die | |
| 28-Jährige, die hierzulande gerade als Gesicht eines neuen Feminismus | |
| herumgereicht wird, laut lachen. „Ich habe keine Ahnung, warum es mit mir | |
| in Deutschland so abgeht“, sagt sie in breitestem Englisch. In London würde | |
| sie manchmal vor zehn, zwölf Leuten lesen. Aber diese Deutschlandtour, das | |
| sei „a holiday in celebrity“. | |
| Ellenlang ist die Schlange vor dem Eingang, bevor es losgeht. Und | |
| pickepackevoll ist schließlich der Saal des SO 36 in Berlin-Kreuzberg. Man | |
| habe auch auf einen größeren Veranstaltungsort ausweichen können, sagte | |
| Stefanie Lohaus, die Chefredakteurin des Missy Magazine, die den Abend | |
| moderierte. Aber auf Wunsch von Laurie Penny sei man beim unabhängigen | |
| linken Ort des SO 36 geblieben. Großer Applaus unter denen, die nun dicht | |
| gedrängt auf schmalen Bänken sitzen. | |
| Zuerst wird auf Deutsch aus dem neuen Buch „Unsagbare Dinge“ (Edition | |
| Nautilus) vorgelesen. Die Abschnitte, in denen Laurie Penny versucht, sich | |
| das Schimpfwort „Schlampe“ (englisch: slut) zurückzuholen; in denen sie die | |
| romantische Liebe als Unterdrückungsinstrument des Patriarchats | |
| dekonstruiert; und der Abschnitt, in dem sie sagt, dass das neoliberale | |
| Patriarchat „uns“ dazu bringt, uns selbst zu hassen, „wenn wir jung oder | |
| arm, anders oder eine Frau sind“ – mit dieser These ist sie in den | |
| vergangenen Wochen groß rausgekommen. | |
| ## Das Heimspiel | |
| Der Abend ist natürlich ein Heimspiel, das Laurie Penny sichtlich genießt. | |
| Einmal nicht den Mainstreammedien erklären, dass Selbstoptimierung eine | |
| Falle ist. Stattdessen sich vor der eigenen Peergroup, den | |
| linksalternativ-queer-studentischen Kontexten, präsentieren. | |
| Sie weiß aber auch, dass sie etwas bieten muss. Angesichts weiblicher | |
| Lebensläufe, die sich daran abmühen, sowohl in der Karriere als auch in der | |
| eigenen Familie perfekt zu sein, spricht Penny von einer work-work-balance, | |
| die sie natürlich ablehnt. Besonders gut kommt beim Publikum an, als sie | |
| meint, dass beim Thema Sexarbeit für sie der Punkt „Sex“ gar nicht das | |
| Problem sei, sondern eher der Punkt „Arbeit“. | |
| Selbstverwirklichung durch Arbeit, diesen Horizont der Frauenbewegung seit | |
| den Sechzigern hinterfragt Penny vehement. Befreiung liegt für sie im | |
| Ausleben eines anarchischen Hedonismus. Am Schluss ruft sie alle Anwesenden | |
| auf, noch etwas zu trinken: „Die Revolution beginnt an einer Bar!“ | |
| Hinterher fragt man sich, warum die Feminismus-Debatten in Deutschland oft | |
| so grobschlächtig sind. Vielleicht deshalb, weil viele immer noch so tun, | |
| als ob die Frage „Feminismus – ja oder nein?“ lauten würde. Dabei ist die | |
| interessantere Frage doch längst: Welcher Feminismus? Am Feminismus der | |
| Laurie Penny ist jedenfalls gar nicht so sehr das „Neue“ spannend, sondern | |
| vielmehr das Integrative. Mitmachen kann jedeR, die oder der okay ist. | |
| 18 Jun 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Dirk Knipphals | |
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