# taz.de -- Prostitutions-Debatte: Ein Freier und seine Prostituierte | |
> Benjamin bezahlt Lea für Sex. Lea ist gern Dame. Was wäre, wenn ihr Job | |
> verboten würde? Wo Benjamin doch „vom Beziehungsmarkt aussortiert“ ist. | |
Bild: Nein, kein Spätkauf. Ein Bordell. | |
Benjamin* spricht über den Sex, den er kauft, wie über Spielregeln, die man | |
nicht verletzen darf. Sonst ist man raus. „Nicht die Birne weich machen | |
lassen“, sagt er. „Nicht am Rumkuscheln sein.“ „Nicht zu emotional sein… | |
„Nicht zu menschlich.“ | |
Prostitution sei auch wie ein Spiel, meint er, ähnlich dem Leben: | |
„Letztlich sucht man immer das, was man nicht findet.“ | |
Benjamin sitzt im Rollstuhl, und er glaubt, die Leute würden „Jaaa, der“ | |
sagen, würden sie erfahren, dass er ein Freier ist. Einer im Rollstuhl, der | |
„kriegt's halt nicht anders“. Der „kriegt keine ab“. Er gehört automat… | |
zu den „netten“ Freiern, die, für die man gerade noch so Verständnis hat. | |
Und sicher ist die Tatsache, dass sich Benjamin „vom „Beziehungsmarkt | |
aussortiert“ und einsam fühlt, ein Grund dafür, dass er Lea 400 Euro im | |
Monat für drei Stunden Sex zahlt. Aber der einzige? | |
Seit Alice Schwarzer, die vergangene Woche ihre Steuerhinterziehung | |
gestand, im Herbst ihr neues Buch herausgegeben hat, „Prostitution – Ein | |
deutscher Skandal“, wird darüber gestritten, ob und wie Prostitution | |
abzuschaffen sei. Neunzig Prominente waren Erstunterzeichner ihres „Appells | |
gegen Prostitution“ in der Emma. | |
Bei Jauch und Maischberger diskutierten Politiker, Feministinnen, | |
Kriminalhauptkommissare, Bordellbesitzer und Sexarbeiterinnen über ein | |
verschärftes Gesetz und darüber, ob seit der EU-Osterweiterung der | |
Menschenhandel mit Mädchen aus Rumänien und Bulgarien floriert. Es | |
diskutierten bloß selten die, die Prostitution in Anspruch nehmen. Aber | |
gehören Freier nicht zur Debatte? | |
In der Titelgeschichte der [1][taz.am wochenende vom 8./9. Februar 2014] | |
kommen Freier wie Benjamin zu Wort. Manche von ihnen quälen sich mit | |
Selbstvorwürfen, andere halten das, was sie tun, für kaum der Rede wert. | |
„Das ist so wie: Ich hab Bock auf ein Eis“, sagt einer. Und viele von ihnen | |
sind irgendwann auf ihren Wegen durch die Sauna-Clubs und Laufhäuser schon | |
auf Spuren von Zwangsprostituition gestoßen: blaue Striemen, leise | |
Nebensätze von Mädchen. | |
Für Lea* ist Benjamin ein Kunde. Auch eine Prostituierte hat eine | |
Schweigepflicht, deswegen möchte sie nicht über ihn sprechen. Sie hat auch | |
bestimmte Grenzen, die sie einhält. Sicherheitsmaßnahmen. Lea will die | |
Adressen von Männern kennen, bevor sie sie trifft. Sie merkt sich keine | |
Gesichter, das sei so ein Selbstschutz von ihr. | |
Sie sagt weder, Prostitution sei ein Beruf „wie jeder andere“, noch, dass | |
er ihr keinen Spaß macht. Sie ist gern Dame, sagt Lea. Sie reist gern und | |
geht gern aus. Sie ist selbstständig, macht ihre Buchhaltung, zahlt Steuern | |
als Gewerbetreibende. Sie sagt: „Ja, Alice. Ja. Ja. Ich hab's mir selbst | |
ausgesucht, dieses Metier.“ | |
Trotzdem hält sich Lea schwammig, was ihren Beruf angeht. Eventmanagement, | |
so was. Ihr Vater hat es geahnt, sie haben einmal darüber geredet und dann | |
nicht mehr. Es sei ihm lieber so, hat er gesagt, als dass sie jemandem „in | |
der heute schweren Zeit“ irgendwie „auf der Tasche“ liegen muss. | |
Lea will kein Tabu. Benjamin wäre froh, er müsste sich „nicht | |
rechtfertigen“. Und so lange beide einfach ihre Geschäftsbeziehung pflegen, | |
ein Freier und seine Prostituierte, müssten sie das eigentlich auch nicht. | |
Wäre da nicht die Debatte. Wären da nicht Schwarzers Forderungen, der | |
Appell, in dem steht, Prostitution verletze die Menschenwürde – ein Text, | |
der Bilder von Prostituierten und Freiern zeichnet, in die Lea und Benjamin | |
nicht hineinpassen. Wären da nicht die Verstrickungen in Gerichtsprozesse | |
und ins Elend, sexuelle Ausbeutung von Minderjährigen, räuberische | |
Erpressung, Zuhälterei, oral auf dem Drogenstrich: zehn bis zwanzig Euro, | |
anal: vierzig bis sechzig. Bordelle mit Geld-zurück-Garantie. Wäre da nicht | |
die Sprache, die für Verbrechen gefunden wurde. | |
„Frischfleisch.“ | |
„Eingeritten werden.“ | |
Muss man Prostitution deshalb verbieten? Weil sie nicht nur Leas Arbeit bei | |
Benjamin ermöglicht, sondern auch Ausbeutung und Unterdrückung? Oder gibt | |
es sinnvollere Maßnahmen, gegen Zwangsprostitution vorzugehen? Ist es | |
überhaupt sinnvoll, die Debatte in den schwarz-weißen Schablonen zu führen, | |
die Alice Schwarzer vorgeschlagen hat? Wenn nicht: Worüber müsste man dann | |
reden? Auch über die grundsätzliche Frage: Gibt es gute Prostitution, okaye | |
Prostitution? | |
Diskutieren Sie mit! | |
Die Titelgeschichte „Kundenkontakt“ lesen Sie in der der taz. am wochenende | |
vom 8./9. Februar 2014. | |
* Namen geändert | |
7 Feb 2014 | |
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[1] /Ausgabe-vom-8/9-Februar-2014/!132408/ | |
## AUTOREN | |
Annabelle Seubert | |
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