# taz.de -- Kolumne Macht: Recht gilt nicht nur für Nette | |
> Die Verteidigung von Alice Schwarzer macht keinen Spaß. Aber sie ist | |
> Opfer eines Skandals geworden – ihr Steuergeheimnis wurde verletzt. | |
Bild: Man darf Alice Schwarzer doof finden, auch ihren moralischen Zeigefinger.… | |
Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch darauf, in Talk-Shows eingeladen zu | |
werden, und auch kein Recht auf Sympathien der Öffentlichkeit. Man darf | |
Leute doof oder verlogen oder insgesamt unerträglich finden. Ganz | |
unabhängig davon, ob sie Grund haben, die Justiz zu fürchten. | |
Der Ärger über Steuerbetrug ist nachvollziehbar. Zumal ja die meisten brav | |
zahlen. Albern, wenn Alice Schwarzer nun eine Kampagne hinter der Empörung | |
über ihr Verhalten vermutet. Trotzdem ist sie Opfer eines Skandals | |
geworden. | |
Ein demokratischer Rechtsstaat funktioniert nur, wenn man sich darauf | |
verlassen kann, dass seine Vertreter die geltenden Regeln einhalten. Es | |
muss völlig egal sein, ob ein Finanzbeamter gerne das Steuergeheimnis | |
abschaffen möchte. Ob eine Polizistin es für falsch hält, dass | |
Homosexualität nicht mehr strafbar ist, oder ob ein Amtsarzt findet, dass | |
die Namen aller Drogensüchtigen in die Lokalzeitung gestellt werden | |
sollten. | |
Sie alle haben ihren Mund zu halten über das, was sie von Amts wegen | |
erfahren. Es sei denn, sie sind – von Amts wegen – dazu verpflichtet, | |
Sachverhalte öffentlich zu machen. Wer diese Unterscheidung nicht zu | |
treffen vermag, sollte existenzgefährdende Sanktionen fürchten müssen. | |
Genau das passiert derzeit nicht. Wenn Volkes Stimme nach Vergeltung ruft, | |
gelten Indiskretionen inzwischen als lässliche Sünden. Während gleichzeitig | |
Edward Snowden – wie ich finde: zu Recht – als Held gefeiert wird. Weil er | |
den Datenschutz verteidigt. | |
Das passt nicht zusammen. Das Recht auf Privatsphäre darf sich nämlich | |
nicht an der Frage orientieren, ob jemand sich so verhält, wie es der | |
Mehrheit gefällt. | |
## Was ich verstehe oder nicht | |
Normen werden derzeit in alarmierendem Ausmaß vom Volksempfinden bestimmt. | |
In Thüringen ist ein Beamter des Umweltministeriums in eine untergeordnete | |
Behörde versetzt worden, weil er in Botswana auf Elefantenjagd gegangen | |
ist. | |
Mir ist unbegreiflich, wie jemand Spaß daran haben kann, einen Elefanten zu | |
erschießen. Oder einen Hirsch. Aber es geht bei dem Thema nicht darum, was | |
ich verstehe oder nicht. | |
Das weltweite Verbot von Elfenbeinhandel schützt Elefanten vor dem | |
Aussterben. Deshalb ist es sinnvoll. Aber es gibt Länder, in denen diese | |
Tiere nicht von der Ausrottung bedroht sind, sondern sich so stark | |
vermehren, dass sie das Ökosystem gefährden. Zum Beispiel in Botswana und | |
Simbabwe. | |
Wenn also die Regierung eines unabhängigen Landes unter bestimmten | |
Umständen eine Jagdgenehmigung erteilt und ein Beamter eines anderen Landes | |
bereit ist, dafür zu bezahlen –worin besteht das Problem? | |
Man muss das Verhalten des Beamten nicht sympathisch finden. Man muss mit | |
ihm nicht befreundet sein wollen. So wenig wie mit jemandem, der oder die | |
jahrelang Steuern hinterzogen hat. Aber warum fragt niemand danach, ob es | |
eigentlich legitim ist, die Zukunftsaussichten von jemandem zu vernichten, | |
der sich korrekt an alle Gesetze gehalten hat? | |
Die Verteidigung von Alice Schwarzer und dem Beamten aus Thüringen macht | |
keinen Spaß. Sie wecken keine Sympathien. Dennoch verfügen sie über | |
Grundrechte. Hätten sie die nicht, dann wären es keine. | |
Und deshalb war es nicht in Ordnung, die Steuerprobleme von Alice Schwarzer | |
zu veröffentlichen. Oder den Beamten aus Thüringen zu versetzen. Das | |
Rechtssystem ist nicht nur für nette Leute erfunden worden. | |
7 Feb 2014 | |
## AUTOREN | |
Bettina Gaus | |
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