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# taz.de -- Datensammeln im Internet: Dein ganz persönlicher Einkaufstipp
> Die Geheimdienste tun es, die großen Internetkonzerne tun es, kleine Apps
> tun es auch. Wofür werden die vielen Daten über einzelne Personen denn
> gesammelt?
Bild: Heut schon was geshoppt?
Mehr oder weniger ungestört von Edward Snowdens Enthüllungen sammeln die
staatlichen Geheimdienste wie die NSA einerseits und alle möglichen
Wirtschaftsunternehmen wie Facebook, Google, Amazon oder Kreditkartenfirmen
andererseits immer weiter und immer umfangreicher Daten über uns alle. Sie
werten sie auch gezielt aus und nutzen die daraus gewonnenen Erkenntnisse
für ihre Zwecke. Staat und Wirtschaft gehen hier gemeinsam gegen
Bürgerinnen und Bürger, gegen die Zivilgesellschaft vor.
Währenddessen diskutiert diese darüber, was dagegen zu tun ist, aber auch,
ob das überhaupt relevant und nicht stattdessen ein Schritt in die
sogenannte Informationsgesellschaft ist. Unter dem Titel der privacy steht
dabei das Recht auf Vertraulichkeit und Ungestörtheit im Mittelpunkt – das
nämlich heißt „Privatheit“. Dabei wird die Frage, warum und wofür Daten
gesammelt werden und was damit geschieht, wieso also surveillance
(Überwachung) für Staat und Wirtschaft so interessant sind, eher
ausgeblendet. Manchmal erscheint privacy nur noch als eine Art Luxus aus
vordigitalen Zeiten, der sich eigentlich überlebt hat.
Was sind die Folgen, die es hätte, wenn es Google, NSA und Co gestattet
wäre, alle Daten zu sammeln und zu speichern, die diese Herrscher über die
Datenflüsse im Internet interessieren? Was heißt es für den einzelnen
Menschen, wenn Facebook und Apple, Amazon und der deutsche
Verfassungsschutz und all diese Giganten der Ausforschung ebenso wie die
alten Datensammler, die Kreditkartenfirmen und Banken zusammen mit den
staatlichen Kontrollinstanzen all diese Daten auswerten, beliebig
zusammensetzen und auf Einzelfragen zuspitzen, sie jahrelang aufheben,
immer weiter vermehren und benutzen dürfen, wofür immer sie wollen?
Alles, was jemand im Netz tut, hinterlässt – verharmlosend ausgedrückt –
Datenspuren. Diese Datenspuren werden von zahlreichen lauernden Programmen
festgehalten und in entsprechende Datenbanken einsortiert. Mit dem von
einer gemeinnützigen Stiftung finanzierten Plug-in Lightbeam für Firefox
beispielsweise kann jeder feststellen, wer ihn gerade im Netz verfolgt:
reichlich viele.
## Gezielte Aufforderungen
Zudem versuchen Webakteure wie Google, Skype oder Amazon und auch viele
Apps auf dem Smartphone ganz gezielt, die Benutzer zu spezifischen
Handlungen zu bewegen, um darüber Daten sammeln zu können – so etwa die
Datenkrake Facebook mit ihrer immer wieder gestellten Frage, ob man diese
oder jene Person kenne.
Auch die Programme der Geheimdienste versuchen, möglichst umfassend alle
Lebensäußerungen aller Menschen zu erfassen und auszuwerten – erst dann
haben sie ja alles getan, um die Gesellschaft in Ruhe und Ordnung zu
halten.
Gesammelt wird im Netz dementsprechend alles, was jemand tut, wofür sie
oder er sich interessieren, worüber und wie gesprochen wird, was angesehen,
gekauft und gelesen wird und auch was nicht interessiert. Ziel ist es,
jeden Einzelnen umfassend beschreiben und sein Handeln und Kommunizieren,
Konsum und Hobbys, soziale Beziehungen, Einstellungen und Haltungen
analysieren zu können. Und daraus dann Konsequenzen zu ziehen. Das verleiht
Macht und erlaubt, vielfältig Einfluss zu nehmen.
Seitens der Datensammler ist es dazu zunächst notwendig, dass die Daten den
Personen zugeschrieben werden können. Für Facebook ist das kein Problem,
weil dieses sogenannte soziale Netzwerk seine Kunden dazu zu zwingen
versucht, ihren Klarnamen anzugeben. Andere Webanbieter verlangen die
Angabe der Handynummer, eine gültige E-Mail-Adresse oder sonstige
eindeutige Identifizierungsmöglichkeiten, um die herum sie Daten
einsortieren können. Immer wichtiger werden aber auch Verfahren, die nicht
mehr auf die Kooperation der Betroffenen angewiesen sind: Cookies, die in
unseren Computern gespeichert werden, um uns zu beobachten und zu
identifizieren, Gesichtserkennung, um Fotos zuzuordnen, und neuerdings der
sogenannte digitale Fingerabdruck.
Dieser besteht zum Beispiel aus einer umfassenden Liste der technischen
Einstellungen des verwendeten Browsers – welche Farben, welche Schriftarten
oder welche Plug-ins werden benutzt? Die Wahrscheinlichkeit, auf diese
Weise einen User wiederzuerkennen, ist umso größer, je mehr
Einstellungsmöglichkeiten es gibt, und solche Einstellungen werden selten
geändert.
## Identifizierung bringt Geld
Schon mit solchen Identifizierungsverfahren kann man tüchtig Geld
verdienen. Wenn jemand beispielsweise einen Flug sucht und ein
interessantes Angebot auf einer Website findet, merkt sie oder er sich
dieses, sucht aber noch weiter, ob es vielleicht noch etwas Besseres gibt.
Oft kehrt man dann wieder zu diesem guten früheren Angebot zurück, um es zu
buchen. Das freut den Anbieter, und weil er über Cookies oder digitalen
Fingerabdruck erkennt, dass da jemand zurückkommt, kann er den Preis
schnell noch ein wenig erhöhen und behaupten, die billigere Reise sei nicht
mehr erhältlich, und die ein wenig teurere alsbald auch vergriffen. In
aller Regel wird der User nun schnell buchen.
Auch die Verwendung von Kredit- und Kundenkarten ist hilfreich, um Kunden
zu identifizieren und die von ihnen erzeugten Daten eindeutig zuzuordnen.
Walmart zum Beispiel, der größte Einzelhändler der Welt, nutzt die
Sekunden, wenn alle Waren an der Kasse eingelesen sind und die Rechnung
gedruckt wird, um jeden Käufer, jede Käuferin auf der Basis der gemachten
Einkäufe in eine Typologie einzuordnen. Diese Einordnung wird dann dazu
verwendet, um auf die Rückseite der Rechnung noch einen Gutschein
aufzudrucken – für irgend etwas, was dieser Typus gerne kauft oder
benötigt, etwa für Hundefutter oder Windeln.
Auf diese Weise will man ihn erneut zu Walmart locken. Wenn sich schon
derartige schlichte Verfahren nach der Kontrolle der betriebseigenen
Marktforschung rentieren – was kann ein Einzelhändler dann machen, wenn er
über die Daten einer Person aus vielen Einkäufen verfügt und sie brauchbar
auswertet?
Ein weiteres Beispiel liefert das Onlinepokern. Beim Internetpokern gibt es
keinen Tisch und keine gemeinsame Situation mehr, in der man das Verhalten
der anderen beobachten kann, ihre Mienen, ihren Atem. Stattdessen können
Onlinepokerspieler auf andere Informationen zurückgreifen: Pokerspieler
haben auf einer Onlineplattform einen frei gewählten, dann aber festen
Onlinenamen, man weiß also nicht unbedingt, wer sie sind, aber man kann sie
wiedererkennen.
Es gibt nun eine Reihe von Diensten, die alle Daten, die eine
Pokerplattform über einen Spieler speichert, übernimmt, auswertet,
aufbereitet und sie als Informationen anderen Spielern zur Verfügung
stellt. Damit kann jeder Teilnehmer Informationen über seine jeweiligen
Mitspieler erhalten und verwenden – wie dieser mit welchen Karten bisher
gespielt, was er gesetzt und wann er geblufft hat. Erfahrene Spieler ziehen
daraus einen großen Vorteil. Selbst beim Pokern, wo die Menschen sich nicht
durchschauen lassen wollen, sind also Datensammlungen hilfreich.
## Datenschutz ist Menschenrecht
Unternehmen und Geheimdienste wissen zum Teil mehr und viel Konkreteres
über uns als wir selbst, und sie nutzen dieses Wissen für ihre Geschäfte
und Interessen. Sie geben vor, König Kunde beziehungsweise Königin Kundin
zielgenau bedienen und die Bürgerinnen und Bürger schützen zu wollen, aber
sie wollen vor allem erfolgreich manipulieren – oder glaubt irgendjemand,
dass die Deutsche Bank, die Telekom oder Walmart auf Gewinne, die
US-amerikanische NSA und der deutsche Verfassungsschutz auf mögliches
Wissen und die Einleitung von staatlichen Maßnahmen verzichten werden, nur
weil die Datengrundlage ethisch unsauber oder vielleicht sogar ungesetzlich
war?
Das Sammeln von Daten hat also Folgen, gegen die man sich kaum wehren kann
und die das Leben der Menschen relevant beeinträchtigen werden.
Menschenrechte begründen sich daraus, dass sie Voraussetzungen für ein
selbstbestimmtes Leben in der Gesellschaft sichern wollen. Dazu gehört auch
ein effektiver Datenschutz und nicht nur ein Gefühl subjektiver
Ungestörtheit.
Wir alle leben mit wachsenden Anteilen unseres Alltagslebens, unserer
sozialen Beziehungen und unseres Denkens und Fühlens innerhalb der
digitalen Medien, und die Medien sind ein unverzichtbarer Teil unseres
Lebens, Kommunizierens und Handelns. Das Sammeln von Daten und vor allem
deren gezielte und interessengeleitete Auswertung (die häufig vergessen
wird in der Diskussion) machen uns und unser Leben zu Objekten von Staat
und Wirtschaft.
Was derartige kontinuierliche Beobachtungsstrategien in der Psyche von
Menschen anrichten können, wenn sie bekannt sind, haben theoretisch der
französische Philosoph Michel Foucault und empirisch die Sozialpsychologie
gezeigt – vielleicht ist das auch einer der Gründe, dass viele das nicht
wahrhaben wollen. Man passt sich an und kontrolliert sich vorauseilend
selbst. Ein Verharmlosen ist da ebenso gefährlich wie der Rückzug auf eine
ignorante Ungestörtheit.
23 Feb 2014
## AUTOREN
Friedrich Krotz
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