# taz.de -- Trolle im Internet: Heitere Alltagssadisten | |
> Forscher beschreiben Trolle als Menschen mit grausamer Neigung. Das | |
> bestätigt das schlechte Image der Online-Störer und ist doch zu | |
> einseitig. | |
Bild: Außen hui, Innen pfui: Auch dieser Troll ist ein Sadist. | |
BERLIN taz | Internet-Trolle sind prototypische Alltags-Sadisten. Das | |
behaupten kanadische Forscher in einer neuen Studie. Sie beobachteten bei | |
den Störenfrieden von Online-Foren eine überdurchschnittliche Häufung von | |
negativen Charaktereigenschaften. | |
Demnach sind Trolle getrieben von ihrer dunklen Seite, der Dunklen Triade. | |
Als solche bezeichnen Persönlichkeitspsychologen den Hang zu Psychopathie, | |
Machiavellismus und Narzissmus. Das auf Zerstörung ausgerichtete Verhalten | |
der Trolle scheint für gewöhnliche Chat-Teilnehmer meist unmotiviert und | |
unbegründet. Tatsächlich könnten die Beweggründe vieler Trolle zutiefst | |
hedonistisch sein und mit ihrem Sadismus zusammenhängen, wie die Forscher | |
belegen. | |
“Trolls just want to have fun“, fasst Erin Buckels, eine der kanadischen | |
Wissenschaftlerinnen, die Vorstellung der Forschungsergebnisse auf ihrer | |
Website zusammen. Tatsächlich finden Sadisten, ob online oder offline, | |
Freude und Befriedigung daran, andere Menschen zu ärgern oder gar zu | |
quälen. Die Ergebnisse der Studie könnten das allgemein schlechte Image der | |
Trolle weiter schmälern. Das finden nicht alle richtig. | |
“Trolle bieten eine Projektionsfläche für alles an, was man „den Bösen“ | |
zuschreibt. Da regiert oft auch die Phantasie. „Kaum jemand kennt einen | |
Troll persönlich“, sagt Alexander Glück. Der Autor des [1][Handbuchs für | |
den Forentroll] kennt die Vorurteile über Online-Störenfriede. Für ihn sind | |
sie zu einseitig. Seine persönliche Vorstellung vom Troll beschreibt Glück | |
als idealistisch: „Er ist ein Verneiner und Zersetzer, also der klassische | |
Mephisto.“ | |
## Trolle liefern „kreative Anstöße“ | |
“Ich glaube, dass geschickte Trolle eine sehr inspirierende Arbeit machen | |
können.“ Trolle könnten durch ihre Störungen Kommunikationsstrukturen | |
insgesamt verbessern und bestehende Autoritäten, wie beispielsweise | |
Chat-Administratoren, hinterfragen, so Glück. | |
“Bei meiner eigenen Trollerei in Foren ging es mir nicht darum, Menschen | |
regelrecht zu quälen, sondern darum, sie durch ‚kreative Anstöße‘ zu ein… | |
anderen Sichtweise anzuregen“, sagt Glück. Der Autor war jahrelang selbst | |
als Troll aktiv und hat sich dabei nicht als sadistischer Provokateur | |
empfunden. „Wer in Foren aktiv ist, wird immer auch Streit miterleben. | |
Deshalb habe ich dann und wann auch getrollt.“ | |
Glück versuchte heimlich oder offen Diskussionsverläufe durch eigene | |
Beiträge zu bestimmen. Oder aber er erstellte falsche Chat-Gruppen mit | |
kopierten Accounts. Das sollte andere User dazu anregen, ihre | |
Kommunikations-Plattform als solche zu hinterfragen. Glück sagt: „Als | |
Troll, also als jemand, der eine Sache geheim einfädelt, kann man sehr viel | |
Spaß haben, wohlgemerkt ohne Leute böse anzugehen.“ | |
Wie die Ergebnisse der kanadischen Studie zeigen, denken nicht alle Trolle | |
so wie Alexander Glück. Ihr Antrieb ist nicht Idealismus, sondern Rache- | |
und Störsucht – oder einfach Langeweile. Das weiß auch Glück: „Man sitzt | |
vor einem Bildschirm und kann etwas machen und dann passiert irgendwas. | |
Wesentlich dabei ist der Wegfall von natürlichen Hemmungen.“ Der | |
persönliche Kontakt fehlt, das mache mutiger, so Glück. | |
## Fördert Trollen Sadismus? | |
Auch die Forscher der Troll-Studie geben die mögliche Bedeutung der | |
Anonymität im Internet zu bedenken. Weiterhin unklar ist, ob die | |
beschriebenen Sadisten mit den Online-Chats nur einen weiteren Weg gefunden | |
haben, ihre Neigungen auszuleben. Oder, ob gerade das häufige Trollen | |
angelegte sadistische Neigungen fördert. | |
Für die öffentliche Beschäftigung mit Trollen wünscht sich Autor Glück mehr | |
Offenheit: „Es hat keine gute Tradition, dass man sagt: Der da ist ein | |
Troll, also ist er schlecht. Man sollte sich immer fragen, warum dieser | |
Mensch nun genau dies tut und jenes lässt.“ | |
In diese Richtung zielt auch das kanadische Forschungsprojekt. Und Glück | |
will mit seinem Handbuch dazu beitragen, Trolle nicht nur als Übel sondern | |
auch als „erheiternden und bereichernden Aspekt“ des Internets zu | |
verstehen: „Wenn das alles weitergehen soll mit Web 2.0,Interaktivität und | |
all dem, dann wird man sich mit diesem Thema noch gründlicher | |
auseinandersetzen müssen.“ | |
5 Mar 2014 | |
## LINKS | |
[1] http://www.roehrig-verlag.de/products/Kommunikation/Handbuch-fuer-den-Foren… | |
## AUTOREN | |
Lukas Meyer-Blankenburg | |
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