| # taz.de -- Flüchtlinge auf Berliner Oranienplatz: Senatorin macht Angebot | |
| > Berlins Integrationssenatorin bietet den Flüchtlingen sechs Monate | |
| > Bleiberecht an – wenn sie den Platz räumen. Unklar ist, ob sie das | |
| > Angebot annehmen. | |
| Bild: Die Hütten auf dem Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg sollen verschwinden,… | |
| BERLIN taz | Nach wochenlangem Ringen um eine Verhandlungslösung am | |
| Oranienplatz liegt nun ein Angebot von Integrationssenatorin Dilek Kolat | |
| (SPD) vor. Sie bietet den meisten dortigen Flüchtlingen ein kurzfristiges | |
| Bleiberecht in Berlin an. Im Gegenzug sollen sie den Platz räumen, Zelte | |
| und Hütten abbauen und dafür Sorge tragen, dass sich dort keine neuen | |
| Asylsuchenden ansiedeln. Dies geht aus dem schriftlichen Angebot hervor, | |
| das Kolat den Flüchtlingen am Wochenende auf Deutsch und Englisch | |
| unterbreitete und das die taz einsehen konnte. | |
| Konkret heißt das: Die Gruppe der politisch stark engagierten Flüchtlinge, | |
| die ein Asylverfahren in Bayern oder Hessen haben und die vor eineinhalb | |
| Jahren aus Protest gegen die deutsche Asylpolitik nach Berlin zogen, soll | |
| ihr Asylverfahren hier fortführen dürfen und in Heime umziehen. Allerdings | |
| entscheidet über eine solche Umverteilung nicht Kolat. Hierüber müsste das | |
| Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) im Auftrag der | |
| Landesregierung mit den anderen Bundesländern verhandeln. Lageso-Präsident | |
| Franz Allert, der Sozialsenator Mario Czaja (CDU) untersteht, lehnte eine | |
| Stellungnahme dazu ab: „Hier liegt die Federführung bei Frau Kolat.“ Allert | |
| bestätigte allerdings anstehende Gespräche. | |
| Für die Gruppe der Lampedusa-Flüchtlinge, die also in Italien entweder Asyl | |
| bekommen haben oder sich dort noch im Asylverfahren befinden, bietet Kolat | |
| eine bis zu sechsmonatige Duldung mit vager Aussicht auf Verlängerung sowie | |
| einen Deutschkurs an. Wer bereits Asyl in Italien bekommen hat, würde | |
| seinen Status damit in der Regel nicht verlieren. | |
| Im schlimmsten Fall würde, wenn in sechs Monaten die Duldung ausläuft, eine | |
| Rückschiebung nach Italien und dortige Obdachlosigkeit riskiert, aber keine | |
| Rückschiebung nach Nigeria oder Eritrea. Die Flüchtlinge dürften dann in | |
| Deutschland Sozialleistungen beziehen, aber nicht arbeiten, was sie | |
| eigentlich wollen. Viele von ihnen haben mehrere Jahre in Libyen etwa als | |
| Ölarbeiter oder Ingenieure gearbeitet und sind gut ausgebildet. | |
| ## Heterogene Gruppe | |
| Wenn allerdings das Asylverfahren in Italien noch nicht abgeschlossen ist, | |
| würde dieses mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der deutschen Duldung beendet | |
| werden. Denn die Duldung verbietet den Flüchtlingen, regelmäßig nach | |
| Italien zu fahren, um das Asylverfahren fortzusetzen. Auch hier jedoch gibt | |
| es einen Pferdefuß: Eine Duldung erteilt die Ausländerbehörde – und die | |
| untersteht Innensenator Frank Henkel (CDU). Sein Sprecher verneinte feste | |
| Absprachen: „Es laufen noch Gespräche.“ Dilek Kolats Sprecher sagte: „Es | |
| gibt noch kein abgestimmtes Papier. Wir sind noch in Verhandlungen.“ | |
| Unklar ist auch noch, ob die Flüchtlinge selbst das Angebot annehmen. Die | |
| Gruppe ist alles andere als homogen. Insbesondere von denjenigen, die die | |
| Gerhard-Hauptmann-Schule besetzen und im Heim der Caritas in Wedding | |
| überwintern, haben einige es satt, um Essen oder Hygieneartikel betteln zu | |
| müssen. Sehr wahrscheinlich also, dass viele von ihnen nach jedem Strohhalm | |
| greifen und den Vorschlag annehmen würden. | |
| ## Hoch politisiert | |
| Wer aber aus Bayern nach Berlin kam, um das deutsche Asylsystem zu | |
| kritisieren, schätzt die Situation möglicherweise anders ein. Einige dieser | |
| hoch politisierten Flüchtlinge waren es schließlich auch, die im Herbst das | |
| Angebot des Bezirks abgelehnt hatten, in das Caritasheim zu ziehen, und es | |
| vorzogen, einen weiteren Winter ihren Protest auf dem Platz fortzusetzen. | |
| Flüchtlinge, die in Italien ihr Asylverfahren noch nicht abgeschlossen | |
| haben, stehen wiederum vor einer anderen Frage: Wollen sie eine befristete | |
| deutsche Duldung, von der ungewiss ist, ob sie verlängert wird – oder doch | |
| auf Asyl in Italien hoffen? | |
| Ein Erfolg kann das Angebot Kolats nur werden, wenn alle Beteiligten | |
| mitziehen. Und Kolat selbst ist zum Erfolg verdammt: Sie kann nicht | |
| wochenlang unter Verschwiegenheit verhandeln, ohne ein funktionierendes | |
| Ergebnis zu präsentieren. Ende März läuft zudem die Frist aus, bis zu der | |
| mehr als 100 ehemalige Oranienplatzbewohner in Heimen untergebracht sind. | |
| Die grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika | |
| Herrmann, hatte gegenüber der Morgenpost schon deutlich gemacht, „dass es | |
| für die Flüchtlinge und Unterstützer schwierig werde, wenn sie alles | |
| ablehnten, was der Senat vorschlage.“ Sie habe „den Regierenden | |
| Bürgermeister Klaus Wowereit so verstanden, dass er dann auch eine Räumung | |
| des Oranienplatzes mithilfe der Polizei nicht ausschließt“. | |
| 12 Mar 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Marina Mai | |
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