# taz.de -- Streit um das Oranienplatz-Camp: Kein Friede den Hütten | |
> Flüchtlinge ersetzen die Zelte auf dem Kreuzberger Oranienplatz durch | |
> Bretterbuden. Senat und Bezirk schieben sich gegenseitig die | |
> Verantwortung zu. | |
Bild: Bretterbuden sollen die zerschlissenen Zelte ersetzen. | |
Nun ermittelt die Polizei doch wegen Brandstiftung: Am Dienstagmorgen | |
brannte ein Zelt auf dem Oranienplatz ab, in dem laut anderen Flüchtlingen | |
auf dem Platz zu der Zeit ein Algerier schlief. Am Dienstag hatte die | |
Polizei zunächst lediglich von „verbranntem Müll und Hausrat“ gesprochen. | |
Bewohner des Camps hatten der taz hingegen von einer nächtlichen | |
Brandstiftung erzählt, bei dem der Zeltbewohner verletzt wurde und sich in | |
ärztliche Behandlung begeben musste. Polizeisprecher Michael Merkle | |
bestätigte der taz nun, dass der polizeiliche Staatsschutz mit den | |
Ermittlungen betraut wurde, weil ein politisches Tatmotiv naheliege. | |
Die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram kritisierte die mangelnde Sensibilität | |
und interkulturelle Kompetenz der polizeilichen Ermittler vor Ort. „Erst | |
nach meiner mehrfachen Intervention wurden die Ermittlungen dem | |
polizeilichen Staatsschutz übertragen. Ich gehe davon aus, dass jetzt mit | |
dem nötigen Ernst ermittelt wird“, sagte die migrationspolitische | |
Sprecherin ihrer Fraktion. Eine rechtsextremistische Motivation liege ihrer | |
Meinung nahe, weil in letzter Zeit immer wieder Männer am Platz gesehen | |
wurden, die mit fremdenfeindlichen Sprüchen provoziert hätten. | |
## Brand und Buttersäure | |
Vor zwei Wochen war zudem der Toilettenwagen der Campbewohner abgebrannt | |
und Buttersäure in das Infozelt geschüttet worden. Wegen des | |
Toilettenwagens ermittelt die Polizei inzwischen ebenfalls wegen eines | |
möglichen politischen Tatmotivs. | |
Währenddessen geht der Streit um die Bretterbuden auf dem Flüchtlingscamp | |
in eine neue Runde. Seit einigen Tagen haben die Flüchtlinge begonnen, die | |
Zelte auf dem O-Platz durch befestigte Bretterhütten zu ersetzen. Der Senat | |
und der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg schoben sich am Mittwoch | |
gegenseitig die Verantwortung für deren Abbau zu. Innensenator Frank Henkel | |
(CDU) sieht das Bezirksamt in der Pflicht, gegen die „rechtswidrige | |
Nutzung“ des Platzes vorzugehen: „Jede Situation, die sich als verfestigend | |
darstellt, macht einen rechtswidrigen Zustand noch rechtswidriger“, sagte | |
Henkel dem RBB. | |
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg erklärt sich indes für nicht zuständig, | |
weil Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) schließlich mit den | |
Flüchtlingen verhandle. Eine Stellungnahme zum Stand der Gespräche lehnte | |
Kolat am Mittwoch ab. Sowohl die Flüchtlinge als auch die Senatorin haben | |
Stillschweigen über den Fortschritt der Gespräche vereinbart. | |
Unterdessen sollen laut der Grünen-Abgeordneten Bayram die Gespräche | |
gestern fortgesetzt worden sein. Aus der Senatsverwaltung für Integration | |
gab es indes zunächst keine Bestätigung für diesen Termin. | |
Dass die Flüchtlinge Hütten bauen, zeugt indes nicht gerade von großen | |
Erwartungen in die Verhandlungen. Auf dem Oranienplatz wurde weiter | |
gehämmert: Bisher stehen 25 der recht abenteuerlich aussehenden Bauwerke. | |
Nach eineinhalb Jahren Platzbesetzung seien viele Zelte verschlissen, | |
erklärt der Nigerianer Ahmet, der sich als ein Sprecher der Bewohner | |
ausgibt. „In einer Holzhütte ist es wärmer als im Zelt, und es kann nicht | |
so leicht zerstört werden.“ | |
Vor allem aber: Die Platzbewohner fürchten, dass die wenigen verschlissenen | |
Zelte bald nicht mehr reichen werden für die große Zahl der | |
Oranienplatzbewohner. 72 Bewohner gebe es derzeit, sagt Ahmet. Ende des | |
Monats rechnet er mit 200. Dann nämlich läuft die Frist ab, während deren | |
viele Oranienplatzbesetzer in einem früheren Seniorenheim der Caritas im | |
Wedding und in einem Flüchtlingsheim in Marienfelde über den Winter | |
provisorisch Unterschlupf fanden. | |
Den Männern und Frauen vom Oranienplatz steht mehrheitlich kein Platz in | |
einem regulären Asylheim zu. Sie sind über Libyen und die italienische | |
Mittelmeerinsel Lampedusa nach Europa gekommen, haben in Italien Asyl | |
beantragt und oft auch erhalten. Dort allerdings gibt es weder Unterkünfte | |
noch sonstige Hilfen. Viele sind nun mit einem Touristenvisum nach | |
Deutschland gekommen. Hier haben sie allerdings keinen Anspruch auf Arbeit | |
oder Sozialleistungen. Darum, so Ahmet, würden sie jetzt Hütten bauen, um | |
auch im April noch eine Bleibe zu haben. | |
## Nerven liegen blank | |
Die Stimmung auf dem Platz ist unterdessen so schlecht wie selten zuvor. | |
Eineinhalb Jahre Wohnen unter freiem Himmel haben an den Nerven der | |
Flüchtlinge gezehrt. Es gibt Streit um Baumaterial für Hütten. Ein Mann | |
will der taz verbieten, unentgeltlich auf dem O-Platz zu fotografieren. | |
„Wir brauchen das Geld für Essen. Die Zeitungen müssen zahlen“, sagt er. | |
Die taz hatte von einem Streit zwischen Oranienplatzbewohnern und ihren | |
Unterstützern berichtet, ob möglicherweise Spendengelder veruntreut wurden. | |
Fest steht indes: Offene Baustellen auf dem O-Platz gibt es derzeit genug. | |
5 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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