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# taz.de -- Israelischer Ex-General: „Die Chancen gehen gegen null“
> Der israelische Experte Schlomo Brom erörtert Optionen bei einem
> Scheitern der Kerry-Initiative: vom Status quo bis zum einseitigen Abzug
> aus dem Westjordanland.
Bild: Bis zu neun Meter hoch ist hier nahe der Stadt Tulkarem die israelische S…
taz: Herr Brom, wie schätzen Sie die Erfolgschancen von US-Außenminister
John Kerry ein, Israel und die Palästinenser zu einer Friedensregelung zu
bringen?
Schlomo Brom: Mit der aktuellen Regierung in Israel und in gewissem Maß
auch mit der palästinensischen Führung gehen die Chancen gegen null. Aber
wenn wir das Ziel weniger hoch setzen und sagen: Mit einem Rahmenvertrag,
einem Prinzipienpapier, auf dessen Grundlage weiterverhandelt werden
könnte, ist ein gewisser Erfolg möglich.
Welche Möglichkeiten bleiben, falls Kerrys Mission misslingt?
Die erste Möglichkeit ist, den Status quo fortzusetzen. In meinen Augen
wäre das der Worst Case. Dann gelangen wir an einen Punkt, an dem die
Zweistaatenlösung zur Utopie wird. Ein binationaler Staat wäre eine
Katastrophe für Israel, denn dieser Staat würde seine (jüdische, d. Red.)
Identität verlieren. Es wäre deshalb zwingend, Teileinigungen anzustreben.
Bei einigen Streitpunkten sind die Differenzen riesig. Gleichzeitig gibt es
Bereiche, über die man sich sehr wohl einigen könnte. Dazu müsste man von
dem Prinzip ablassen, dass nichts vereinbart ist, solange nicht alles
vereinbart ist.
In welchen Bereichen wäre eine Einigung möglich?
Das einfachste Problem ist das Wasser. Das war immer ein empfindlicher
Punkt, weil auf beiden Seiten ein Mangel bestand. In Israel hat man
Lösungen gefunden, vor allem mit Errichtung der Entsalzungsanlagen, deshalb
wäre es leicht, hier zu einer Lösung zu kommen. Dasselbe gilt für
empfindlichere Punkte, sogar die Grenzfrage. Es gibt große Regionen, über
die es keinen Disput gibt und die auch ohne endgültige Lösung unter
palästinensische Souveränität gestellt werden können.
Ihr Kollege Amos Jadlin spricht von 85 Prozent des Westjordanlandes. Ist
das realistisch?
Das wäre die dritte Option: ein einseitiger Abzug. Natürlich wäre es
besser, den Abzug mit gegenseitiger Absprache vorzunehmen. Amos Jadlins
Perspektive aus 85 Prozent erscheint mir etwas ehrgeizig angesichts der
politischen Machtverhältnisse in Israel. Wie soll ein Regierungschef wie
Benjamin Netanjahu, der nicht in der Lage ist, Siedlervorposten räumen zu
lassen, ohne einen bilateralen Vertrag aus 85 Prozent des Gebiets abziehen?
Deshalb stelle ich mir einen einseitigen Abzug bescheidener vor.
Israel hat mit dem einseitigen Abzug aus dem Gazastreifen keine guten
Erfahrungen gemacht. Wird die Hamas nicht die Kontrolle über das befreite
Land übernehmen und anschließend Raketen auf Israel abschießen?
Die Regierung, die über den Abzug aus dem Gazastreifen entschied, hat
niemals damit gerechnet, dass es anschließend ruhig bleiben würde. Das
Narrativ vom misslungenen Abzug ist falsch. Nach einem Abzug verändert sich
die Sicherheitslage. Darauf muss man sich einstellen. Das Problem mit Gaza
war, dass Israel vollständig abgezogen ist, also die Kontrolle der Grenzen
den Palästinensern überlassen blieb und damit der Weg für den
Waffenschmuggel geebnet war. Im Westjordanland würde selbst bei einem Abzug
von 85 Prozent des Landes die Grenzregion zum Jordan weiter unter
israelischer Kontrolle bleiben.
Statt einer dritten Intifada ist eine diplomatische Intifada im Gespräch.
Wie sähe eine solche aus?
Eine Maßnahme, von der Abu Masen (Präsident Mahmud Abbas) wiederholt
spricht, ist, den Konflikt zu internationalisieren. Nach der Anerkennung
durch die UN-Generalversammlung könnte Palästina die Mitgliedschaft in
weiteren UN-Institutionen anstreben, die für das Ziel nützlich sind. Dazu
gehören der Internationale Gerichtshof und die Möglichkeit,
Menschenrechtsverletzungen seitens der israelischen Armee oder israelischer
Politiker anzuklagen. Wir müssten zudem damit rechnen, dass sich der
internationale Boykott gegen die Siedlungen und gegen Israel weiter
ausbreitet. Ein zweiter Weg ist der friedliche Widerstand, zum Beispiel
Demonstrationen, die wir schon seit einigen Jahren fast wöchentlich im
Kampf gegen die Trennanlagen beobachten können. Hier besteht natürlich die
Gefahr, dass das in Gewalt abgleitet.
18 Mar 2014
## AUTOREN
Susanne Knaul
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