# taz.de -- Senator Rabe über 9-jähriges Gymnasium: „Stadtteilschule ist ei… | |
> Kommt G9, gerät Hamburgs Schul-Modell unter Druck, warnt Schulsenator | |
> Ties Rabe. Man müsste Stadtteilschulen schließen und Gymnasien bauen. | |
Bild: "Nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg entscheiden": Schulsenator… | |
taz: Herr Rabe, was passiert mit dem Zwei-Säulen-Modell, wenn Hamburg das | |
G9, also das neunjährige Gymnasium, wieder einführt? | |
Ties Rabe: Niemand weiß, wie sich Schülerströme entwickeln. Aber wenn die | |
Hälfte derer, die heute auf der Stadtteilschule Abitur machen, künftig das | |
Gymnasium besuchen, dann sind das 1.500 Schüler. Wir hätten dann 65 Prozent | |
auf dem Gymnasium und 35 Prozent auf der Stadtteilschule. Dann hätten wir | |
15 Gymnasien zu wenig und 15 Stadtteilschulen zu viel. | |
Ist das Zwei-Säulen-Modell ein Erfolg? | |
Im Vergleich zu allen Modellen, die Hamburg in früherer Zeit hatte, und | |
auch zu anderen Ländern ist es eine Erfolgsgeschichte. Wir haben die Zahl | |
der Schulabbrecher halbiert, die der Abiturienten verdoppelt. Es ist | |
richtig, die Zahl der Schulformen zu reduzieren. | |
Aber ist dieses Modell noch zu halten, wenn G9 kommt? | |
Die Stadtteilschulen kämen sicherlich unter Druck. Auch die Inklusion wird | |
sicher schwieriger, wenn die Stadtteilschule weniger Schüler hat. Man kann | |
in Wahrheit aber nicht von ,der Stadtteilschule‘ sprechen. Es gibt etwa 15 | |
Stadtteilschulen, die stehen sehr gut da und haben viele Anmeldungen. Und | |
es gibt 15, die aus unterschiedlichen Gründen Probleme haben. Zum Beispiel | |
bauliche, weil sie auf dem Reißbrett aus mehreren Schulen fusioniert | |
wurden. Oder weil sie in einer sozialen Randlage liegen und Schüler lieber | |
Schulen in angeblich besseren Gegenden aufsuchen. Im Nachhinein betrachtet | |
sind diese Schulen zu schnell und unüberlegt gestartet worden, viele | |
Probleme hätten vor dem Start gelöst werden müssen. | |
Die Grünen kritisieren, dass Sie das Grundsatzreferat Stadtteilschule | |
abgeschafft haben. | |
Das war eine Stelle – und wir haben dafür die Leitung der Schulaufsicht | |
Stadtteilschule deutlich verstärkt. Aber anders als die Grünen investieren | |
wir 40 bis 50 Millionen Euro im Jahr, damit die Stadtteilschule ein Erfolg | |
wird. Wir haben 25 Stadtteilschulen zu Ganztagsschulen gemacht, was viel | |
Geld kostet. Wir haben die Zahl der Oberstufen von 22 auf 47 erhöht. Wir | |
haben 550 Stellen in das System gegeben, auch um die Unterrichtsqualität zu | |
verbessern und Klassen zu verkleinern. Kein anderer Bereich in der Stadt | |
kann das von sich sagen. Es bleibt allerdings abzuwarten, was eine mögliche | |
G8/G9-Reform kostet. | |
Warum? | |
Wir wollen zum Beispiel 14 Stadtteilschulen bis 2019 quasi neu bauen und | |
insgesamt für schönere Stadtteilschulen 700 Millionen Euro ausgeben. Wenn | |
jetzt G9 kommt, brauche ich die vielleicht gar nicht und muss neue | |
Gymnasien bauen. | |
Die Initiative droht jetzt, die Verhandlungen mit der SPD abzubrechen, wenn | |
sie kein konkretes Angebot bekommt. | |
Wir werden keine inhaltlichen Vorschläge zur Änderung der Schulstruktur | |
machen, bevor die betroffenen Schulkonferenzen eine Einschätzung abgegeben | |
haben. Wir sind gern dazu bereit, gemeinsam mit der Initiative über die | |
Beteiligung weiterer Betroffener zu sprechen. Aber es geht nicht an, über | |
die Köpfe der Betroffenen hinweg zu entscheiden. Und es kann auch nicht | |
sein, dass die Initiative nur bestimmte Gruppen zu Wort kommen lässt und | |
anderen das Recht zur Meinungsäußerung abspricht. | |
Wo könnte denn die Schnittmenge für eine gemeinsame Lösung liegen? | |
Entscheidend ist doch, was Eltern, Lehrer und Schüler in Hamburg wirklich | |
wollen. Das wird nicht am Verhandlungstisch zu klären sein. Notfalls muss | |
das ein Volksentscheid klären. Wir haben der Initiative eine attraktive | |
Sammelzeit ermöglicht. Zu Beginn der Herbstferien wissen wir, wie viele | |
Unterschriften sie abgeben. Dann kann die Initiative bis zur nächsten | |
Bundestagswahl den Zeitpunkt für eine Volksabstimmung entscheiden. | |
Aber wie könnte ein Kompromiss aussehen? | |
Es gibt viele Modelle, über die man nachdenken kann. Vom „Flexi-Jahr“ in | |
Bayern für jeden Schüler, einer begrenzten Zahl von G9-Gymnasien in | |
Schleswig-Holstein oder Hessen bis hin zur vollständigen Rückkehr wie in | |
Niedersachsen. | |
Bedeutet G9 an den Gymnasien nicht eine Abwertung der Stadtteilschule? | |
Das Problem ist, dass Eltern den Gymnasien mehr vertrauen. Obwohl viele | |
Stadtteilschulen in der Lage sind, neben den Gymnasien zu bestehen. Als es | |
G9 noch flächendeckend gab, hatten Gesamtschulen keine schlechteren Zahlen | |
als Gymnasien. Aber es gibt deutliche Vorteile. An der Stadtteilschule hat | |
ein Schüler in der Woche zwei Stunden mehr Unterricht und deutlich bessere | |
Ganztagsangebote als ein G9-Abiturient am Gymnasium – also mehr Zeit, um | |
Lernrückstände wettzumachen. Und es gibt deutlich kleinere Klassen. | |
Bremen und Berlin haben mehr Kinder in der zweiten Schulform neben dem | |
Gymnasium. Dort gibt es kein Elternwahlrecht, stattdessen werden Schüler | |
auch nach Leistung sortiert. Eine Lösung für Hamburg? | |
Nein, das wäre in Hamburg nicht durchzusetzen und auch nicht sinnvoll. Ich | |
tue mich schwer damit, dies auf das Anmeldeverfahren zurückzuführen. Aber | |
lassen Sie es mich so sagen: Wenn das G9 wieder am Gymnasium eingeführt | |
wird, stellen sich eine Reihe von Fragen rund um die Stadtteilschule neu. | |
Die CDU will die Inklusion aussetzen, um die Stadtteilschulen zu | |
stabilisieren. | |
Das wäre nach unserer Auffassung schon allein rechtlich nicht möglich, weil | |
es gegen die von der CDU-Bundesregierung unterzeichnete | |
UN-Behindertenrechtskonvention verstößt. Und es wäre auch falsch, Schüler | |
wieder abzuschieben. | |
30 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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