# taz.de -- Zu wenig Unterschriften: Kampf ums Turbo-Abitur verloren | |
> Das Volksbegehren für das neunjährige Abitur ist in Hamburg gescheitert. | |
> Initiatorin Mareile Kirsch spricht trotzdem von „Bombenerfolg“. Politiker | |
> aller Parteien erleichtert. | |
Bild: Gescheitert: Sprecherin Mareile Kirsch und der Vertrauensmann Ulf Ohms vo… | |
HAMBURG taz | Es gab Kaffee, Selter und Mon Cherie im Kampagnenbüro. Mit | |
müdem Gesicht und einer gewissen Würde gab G9-Iniativensprecherin Mareile | |
Kirsch am Donnerstag das Scheitern des Volksbegehrens „G9-Jetzt-HH“ | |
bekannt. In Ordnern hinter ihr fanden sich 8.951 Listen mit in der Regel | |
fünf Unterschriften. Weil nicht immer fünf drauf sind, seien das „45.000 | |
Minus ein paar Zerquetschte“, rechnete sie vor. | |
Das reicht nicht, so die Botschaft. Das G9-Volksbegehren ist beendet. Nötig | |
für den Erfolg wären in Hamburg 63.000 Unterschriften. Dann könnte man, wie | |
schon 2010 zur Primarschule, eine verbindliche Volksabstimmung erzwingen. | |
Die Truppe in dem Büro in Hafennähe hatte bis zuletzt gehofft, waren doch | |
am Mittwoch noch fast 20.000 Unterschriften eingetrudelt. Doch das reichte | |
nicht. | |
Die Aktion sei trotzdem ein „Bombenerfolg“, sagte die Kirsch in die | |
Kameras. Die Medien tauften sie bereits „Mutter Courage“ der Schulpolitik, | |
weil sie seit zwölf Jahren in verschiedenen Rollen gegen das Turbo-Abitur | |
kämpft, welches auch ihre beiden Kinder mitmachten. Das Team der 50 | |
Sammler, überwiegend Mütter, habe auf der Straße sehr viel Sympathie | |
erfahren. Morgens vor den Grundschulen habe man von Eltern „bis zu 100 | |
Prozent“ Zustimmung erhalten, sagte die Mutter Eva Terhalle-Aries. Die | |
45.000 seien eine klare Botschaft. „Diese Zielgruppe wünscht sich G9 an | |
Gymnasien.“ | |
Im Kontrast zum Zuspruch der Basis stehe das Handeln aller Parteien und | |
offiziellen Gremien der Stadt. Kirsch sagte: „Je höher die Politiker, desto | |
drastischer waren die Horrorszenarien.“ Schulleiter hätten Sammlerinnen vom | |
Schultor verscheucht. Und Lehrer hätten erklärt, dass sie sich nicht trauen | |
würden, zu unterschreiben. Käme das raus, sei die Karriere vorbei. | |
In der Tat gab es ein Schreiben der Schulbehörde, das den Lehrern | |
auferlegte „einseitige Bekundungen zu unterlassen und im Übrigen | |
amtsangemessene Zurückhaltung zu üben“. Selbstverständlich aber dürften | |
Lehrer als Privatperson unterschreiben, sagt Svantje Glismann von der | |
Innenbehörde. Das Wahlamt lasse nur die Gültigkeit der Unterschriften | |
prüfen. Der Gedanke, dass diese persönlich zugeordnet würden, sei „aburd�… | |
Auch sieht Kirsch die Initiative von Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) | |
behindert, weil dieser eine Abstimmung in allen Schulkonferenzen abforderte | |
– die pro G8 ausfiel. Diese Vorgänge könnten gar Anlass für eine | |
Verfassungsklage sein, sagte Kirsch. Klagen will sie aber nicht. Auch solle | |
dies „keine Rechtfertigung dafür sein, dass wir es nicht geschafft haben“. | |
Die so gescholtenen Parteien und schulischen Gremien äußerten einhellig | |
Erleichterung über das Scheitern. Ein Bündnis ist für den Erhalt des G8 an | |
Gymnasien, weil in Hamburg – anders als zum Beispiel in Niedersachsen – das | |
neunjährige Abitur flächendeckend an den 59 Stadtteilschulen angeboten | |
wird, die für alle Kinder offen sind. Ein Erfolg der G9-Initiative, so die | |
Sorge, würde den Stadtteilschulen das Alleinstellungsmerkmal „längere | |
Lernzeit“ nehmen. Auch würde man hinnehmen, dass Eltern diese Schulen | |
ablehnen. | |
„In Hamburg gibt es bereits flächendeckend G9, mehr Auswahl bietet kein | |
anderes Bundesland“, erklärte Schulsenator Ties Rabe (SPD). Er sei froh, | |
dass Hamburgs Kindern nun eine „Gewaltreform“ erspart bleibe. Ihm schloss | |
sich eine Allianz an, von der GEW über Linke, Grüne, FDP, CDU bis hin zur | |
Handelskammer und Arbeitgeberverband Nordmetall. Sogar die Hamburger AfD | |
positionierte sich für G8. | |
„Nur von der Rentner-Partei haben wir ein paar Unterschriften bekommen“, | |
sagte Kirsch. Sie suche trotzdem Wege in die Politik, „das muss nicht über | |
Parteien gehen“. Man könne in Hamburg auch als Einzelperson kandidieren. | |
9 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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