# taz.de -- Mangel an Schulplätzen: Eltern protestieren gegen „Schulloch“ | |
> Kinder aus St. Pauli und der Neustadt hätten keine Chance, auf ein nahes | |
> Gymnasium zu kommen, kritisiert eine Eltern-Initiative. Fünftklässler | |
> müssten bis nach Osdorf und Finkenwerder reisen. | |
Bild: Klappt es nicht mit der Wunschschule, kann der Weg lang werden. | |
Wenn Kinder nach der vierten Klasse auf eine weiterführende Schule | |
wechseln, dürfen sie mit ihren Eltern drei Schulen aussuchen: die | |
Erstwunsch-, die Zweitwunsch- und die Drittwunsch-Schule. Doch Kinder aus | |
dem Gebiet Schanzenviertel – St. Pauli – Neustadt bekämen oft keinen dieser | |
Wünsche erfüllt, berichtet Anke Rödiger, deren Kinder betroffen sind. Das | |
ganze sei ein unwürdiges Pokerspiel. „Es besteht keine frei Schulwahl.“ | |
Tatsächlich gibt es zum Beispiel südlich des Sternschanzenparks überhaupt | |
kein Gymnasium. Beliebt bei Eltern der Ganztagsgrundschule Sternschanze ist | |
darum das Ganztagsgymnasium Klosterschule am Berliner Tor. „Bis zu acht | |
Stunden haben Eltern mit ihren Kindern dort gewartet, um ein | |
Anmeldegespräch zu führen“, berichtet Rödiger. Erst recht spät wurde klar, | |
dass viele keine Chance haben, weil sie zu weit weg wohnen. Eine andere | |
Mutter sagt, sie habe ihr Kind daraufhin an einem Altonaer Gymnasium | |
anmelden wollen, sich dann aber in Panik für eine Eimsbüttler | |
Stadtteilschule entschieden, weil es hieß, ihre Tochter würde sonst einem | |
Gymnasium in Osdorf oder Finkenwerder zugeteilt. | |
Im sogenannten „Eimsbüttler Schuldreieck“ gibt es gleich drei Gymnasien. | |
Doch auch die seien voll, berichtet Winfried Rangnik, der mit dem | |
Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium eines dieser drei leitet. Rangnik richtet zum | |
Herbst nicht wie bisher vier, sondern fünf neue fünfte Klassen ein. „Es | |
wird gebaut, es gibt wieder mehr Schüler, die Familien wohnen gerne in der | |
Stadt“, sagt er. Auch die Grundschulen seien „knallvoll“. Und anders als | |
früher würden heute fast alle seine Schüler im nahen Umkreis wohnen. | |
Der Einzugskreis rund um die Schule wird jedes Jahr neu definiert – je nach | |
Anmeldelage. Der Radius werde den anmeldenden Eltern von der Behörde | |
verheimlicht, sagt Anke Rödiger, um keine Panik entstehen zu lassen. Doch | |
so wüssten Eltern nicht, was sie erwartet. Sind die Erst-, Zweit- und | |
Drittwunschschule voll, hat man nur noch Anspruch auf irgendeine Schule der | |
gewünschten Schulform in „altersangemessener“ Entfernung. „Das sind etwa… | |
Minuten Wegzeit mit dem HVV“, sagt Vater Alexander Stotz. Ein Kind, dass so | |
weit weg wohne, habe es schwer, Freundschaften zu pflegen. | |
Die betroffenen Eltern haben eine Online-Petition gestartet, in der sie | |
fordern, dass 20 Prozent der Plätze an umliegenden Gymnasien für Kinder aus | |
dem auch „Bermuda-Dreieck“ genannten Gebiet reserviert werden. Zudem | |
fordern sie eine weiterführende Schule für St. Pauli. | |
Die Schulbehörde bestreitet, dass es ein Benachteiligung gibt. Alle Kinder | |
der Ganztagsschule Sternschanze, die sich an den zwei nächst gelegenen | |
Gymnasien und den zwei nächst gelegenen Stadtteilschulen bewarben, hätten | |
dort einen Platz bekommen, sagt Sprecher Peter Albrecht. Von anderen „hoch | |
angewählten“ Schulen seien Kinder aufgrund der Entfernung abgewiesen | |
worden, hätten aber einen Platz an der „von ihnen gewählten Schulform | |
gefunden“. | |
Letzteres sagt allerdings nichts über die Länge des Schulwegs aus. Er kenne | |
einen Jungen, der jetzt mit der Fähre zum Gymnasium Finkenwerden reisen | |
muss, berichtet Alexander Stotz. Ferner gebe es einen Fall, in dem ein Kind | |
von einem der beiden Gymnasien abgewiesen wurde. | |
Allerdings gibt es im „Bermuda-Dreieck“ Stadtteilschulen. Und auch die | |
führen zum Abitur. „Es ist sehr bedauerlich, dass diese Gruppe von einem | |
’Schulloch‘ spricht und in Wirklichkeit ein Gymnasiums-Loch meint“, sagt | |
der Leiter der Stadtteilschule am Hafen, Jan Baier. Seine Schule erreiche | |
zwar regelmäßig die Fünfzügigkeit, „aber die Anwahl könnte besser sein�… | |
sagt er. „Von einem ’Schulloch‘ kann eigentlich nicht die Rede sein“, | |
schreibt auch der Elternrat der Schule. Dies wäre mit Blick auf Kinder und | |
Lehrer dieser Schule „geradezu verletzend“. | |
Dies sei nicht ihre Absicht, entgegnet Anke Rödiger. Für die vielen | |
Grundschulkinder im Viertel gebe es einfach zu wenige weiterführende | |
Schulen. | |
6 Jun 2014 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
## TAGS | |
Abitur | |
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