# taz.de -- Konventionelle Landwirtschaft: Biobauer lohnt sich nicht | |
> Alle wollen öko – nur die Landwirte nicht. Denn mit konventionellen | |
> Methoden verdienen sie neuerdings mehr. Die Bioprodukte liefert das | |
> Ausland. | |
Bild: Bald wieder im Angebot: lecker Pestizide in Kuhform. | |
SCHWANBECK taz | Karsten Schumeier gibt auf. Schumeier, 46 Jahre, stämmig, | |
staubige Jeans, schwere Stiefel und blaue Arbeitsjacke mit Faserpelzkragen, | |
ist Biobauer im mecklenburgischen Dorf Schwanbeck – noch. Denn er hat | |
entschieden: „Ich steige im nächsten Jahr aus.“ Er will wieder | |
konventionell arbeiten. | |
Noch zieht Schumeiers Traktor einen Metallbalken mit Federstahlzinken übers | |
Feld. Dieser „Striegel“ reißt Unkraut aus dem Boden und verschüttet es. E… | |
Teil der trockenen Erde wirbelt auf. „Drei Überfahrten pro Saison brauchen | |
wir“, sagt der Landwirt. „Ab nächstem Jahr fahren wir einmal mit der | |
Pflanzenschutzspritze drüber.“ Pestizide werden also wieder die | |
Artenvielfalt schmälern und das Grundwasser belasten. | |
Bio-Aussteiger wie Schumeier tragen dazu bei, dass seit 2011 das Wachstum | |
der Fläche schrumpft, die Ökobauern in Deutschland bewirtschaften. 2013 | |
soll es bei nur noch 1 Prozent gelegen haben – so wenig wie seit über 20 | |
Jahren nicht. Und das ist nur eine vorläufige Schätzung des Bunds | |
Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), die in der Vergangenheit | |
regelmäßig höher als die endgültige Zahl war. Dabei sind bisher sowieso | |
lediglich 6,3 Prozent aller Äcker, Wiesen und Weiden in der Bundesrepublik | |
bio. Das offizielle Ziel der Bundesregierung – 20 Prozent – scheint | |
unerreichbar. | |
Wenn Schumeier umgestellt hat, werden es wieder 1.000 Hektar weniger sein. | |
Das ist mehr Fläche, als manche Städte groß sind. „Es ist sehr schade, weil | |
ich mich sehr gut in den Ökolandbau eingearbeitet habe“, sagt Schumeier auf | |
dem Feld. Kalter Nordwind bläst seinen Scheitel zur Seite. „Aber was nützt | |
das, wenn der Preis nicht stimmt?“ | |
Denn das ist derzeit eines der größten Probleme in Deutschlands | |
Biolandwirtschaft: Mit ihren Produkten erzielen Ökobauern zwar immer noch | |
höhere Preise als konventionelle. Aber der Abstand ist geschrumpft. Der | |
Hauptgrund dafür ist, dass die Preise für konventionelle Ackerfrüchte in | |
den vergangenen Jahren stärker gestiegen sind als die für biologische. | |
Allein 2012/2013 legten die Chemielandwirte im Testbetriebsnetz des | |
bundeseigenen Thünen-Forschungsinstituts im Vergleich zum Vorjahr um 19 | |
Prozent zu, die ökologischen aber nur um 10 Prozent. | |
## Milliarden für die Konventionellen | |
Oft kann der Preisabstand nicht mehr ausgleichen, dass die Bios je Fläche | |
weniger ernten, unter anderem da sie auf chemisch-synthetische Pestizide | |
und Dünger verzichten müssen. Die Folge: Im Wirtschaftsjahr 2012/13 haben | |
Ökobetriebe laut Thünen-Institut im Schnitt erstmals seit der | |
Jahrtausendwende weniger als die herkömmliche Konkurrenz verdient. Und das, | |
obwohl sie zusätzlich zu den Agrarsubventionen für alle Bauern Staatshilfen | |
extra für den Ökolandbau bekommen: 2012 steckten EU, Bund und Länder | |
insgesamt rund 170 Millionen Euro in die Branche. Aber das ist nur ein | |
Bruchteil der Milliarden, die in die konventionelle Landwirtschaft fließen. | |
Das sind Zahlen, die einen wie Schumeier zurück in die konventionelle | |
Landwirtschaft treiben. Denn er sagt von sich selbst: „Ich bin kein | |
überzeugter Öko. Ich laufe nicht mit Rastalocken und Jesuslatschen rum.“ Zu | |
Bio ist der gebürtige Niedersachse vor zwölf Jahren eher zufällig gekommen: | |
Damals kaufte Schumeier den Betrieb, der schon auf Bio umgestellt war. Weil | |
Öko damals lukrativer war, blieb er einfach dabei. „Früher“, erzählt | |
Schumeier, „riefen Händler bei mir an: Habt ihr noch was? Ein paar Tonnen | |
Weizen oder Raps?“ Das ist Geschichte. „Jetzt muss ich anrufen. Und die | |
Händler sagen mir: Die Läger sind voll.“ | |
Das liegt nicht etwa daran, dass die Verbraucher in Deutschland zu wenig | |
Biolebensmittel kauften. 2013 sei der Markt um satte 7,2 Prozent gewachsen, | |
teilt der BÖLW mit. Die Nachfrage der Konsumenten ist also da. | |
Doch die Händler befriedigen die Nachfrage seit einigen Jahren immer | |
stärker mit Produkten aus dem Ausland statt von Biobauern in Deutschland. | |
Vom Wirtschaftsjahr 2009/10 zu 2012/13 sind die Öko-Getreideimporte um rund | |
37 Prozent auf 156.000 Tonnen gestiegen, heißt es in einer Studie, die die | |
Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (Ami) in Kürze veröffentlichen will. | |
Die konventionellen Einfuhren legten lediglich um 14 Prozent zu. Damit | |
kamen 17 Prozent des Biogetreides aus Ländern wie Rumänien, der Ukraine | |
oder Ungarn. Zuvor waren es 3 Prozentpunkte weniger. | |
## Biobauern unter Preisdruck | |
„Die Importe sind schuld, dass die Bio-Getreidepreise so niedrig sind“, | |
sagt Berthold Dreher, dessen Unternehmen Dreher Agrarrohstoffe sowohl mit | |
ökologischer als auch konventioneller Ware handelt. „Bioweizen aus der | |
Ukraine kostet in Deutschland 18 bis 22 Prozent weniger als deutsche Ware.“ | |
Deshalb stehen die Biobauern der Bundesrepublik unter einem hohen | |
Preisdruck. Die konventionellen Preise dagegen variieren Dreher zufolge von | |
Land zu Land nicht so stark. „Die Preisbildung ist da viel stärker | |
globalisiert. Alle schauen auf die Rohstoffbörsen zum Beispiel in Paris, | |
die Matif.“ | |
Der konventionelle Markt ist auch größer. Herkömmlicher Mais ist besonders | |
seit dem Boom von Biogasanlagen ab 2004 auch als Gärmaterial für | |
Biogasanlagen gefragt – das treibt den Preis und auch die Pachtzinsen, die | |
Ökobauern zahlen müssen. Und während Biobauern fast ausschließlich für | |
Europa produzieren, können ihre konventionellen Konkurrenten zu akzeptablen | |
Preisen auch etwa nach Ägypten exportieren. | |
All das sind Gründe, weshalb ein Unternehmer wie Schumeier zurück zur | |
konventionellen Landwirtschaft wechselt. Eine Studie des Thünen-Instituts | |
zeigt, dass ökonomische Motive zu den wichtigsten Gründen gehören, weshalb | |
Ökobauern rückumstellen. | |
Dennoch scheint Bundesagrarminister Christian Schmidt das schwächelnde | |
Wachstum der Biofläche egal zu sein. Jedenfalls hält das Ministerium des | |
CSU-Politikers die Entwicklung keinesfalls für beunruhigend, wie es der taz | |
mitteilte. Schließlich würden ja nur die Wachstumsraten der Biofläche | |
sinken, eine Schrumpfung der Fläche sei in diesem Jahr hingegen nicht zu | |
erwarten. Aber wie mit Wachstumsraten von nur noch 1 Prozent das Ziel „20 | |
Prozent Ökofläche“ zu erreichen ist, bleibt ihr Geheimnis. | |
28 Apr 2014 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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