Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- „Bad Bank“ für Atomkraftwerke: Die ehrliche Stromrechnung
> Danke, Atomlobby: Der Vorschlag der Stromkonzerne, die Atomindustrie dem
> Bund zu überlassen, führt endlich zu einer realistischen Kostendebatte.
Bild: Das AKW Obrigheim in Baden-Württemberg: Stück für Stück muss der stil…
BERLIN taz | Die Empörung ist einhellig und kommt aus allen Parteien:
„Frechheit“, „Aprilscherz“, „skandalös“ oder „kein Ablasshandel�…
die Reaktionen auf den Vorschlag der Stromkonzerne, ihr Atomgeschäft in
einer öffentlich-rechtlichen Stiftung als „Bad Bank“ auszugliedern. Von den
Unternehmen gibt es keine offiziellen Stellungnahmen, aber das Thema ist
ein heißes Eisen. In Industrie und Politik wollen viele über diese Fragen
auch mit Journalisten reden. Nur zitieren lassen will sich niemand.
Dabei bietet der Vorstoß große Chancen. Er zeigt, dass Atomkraft in
Deutschland eine ökonomische Altlast ist; er verweist auf die ungesunde
Symbiose von Politik und Atomwirtschaft; er bietet die Gelegenheit, die
beiden mehr oder weniger CO2-freien Energieformen ökonomisch gegeneinander
abzuwägen und die grotesken Kosten darzustellen, welche die nukleare Option
hier und in anderen Ländern bringt.
Und er bringt einen anderen Vorschlag wieder ins Spiel, der die Kosten der
Erneuerbaren für die Kunden deutlich reduzieren könnte: eine „Bad Bank“ f…
die Entwicklungskosten der Energiewende.
## Wer bezahlt jetzt?
Denn bislang kreisen Debatten über die Energiewende um die Frage: „Wie
wahnsinnig sind wir eigentlich, uns diese teuren erneuerbaren Energien zu
leisten?“ Dank den Vorständen der deutschen Stromkonzerne RWE, Eon und EnBW
lautet die Frage jetzt endlich: „Wie wahnsinnig waren wir eigentlich, uns
diese teure Atomenergie zu leisten? Und wer bezahlt jetzt dafür, den Dreck
wegzumachen?“
Der Poker um die Zukunft des Endes bei der Atomkraft hat begonnen, und die
Einsätze sind hoch. Schon lange fordern Atomgegner bei SPD, Grünen und
Umweltverbänden, die Konzerne teilweise zu enteignen. Wie in anderen
Staaten wollen sie die Rückstellungen von etwa 30 Milliarden Euro, die die
Konzerne von Gesetz wegen für Abriss und Entsorgung der Atomanlagen
gebildet haben, sicher in einem Fonds bunkern.
Denn die Angst geht um, dass die Konzerne irgendwann in die Insolvenz
rutschen und dieses Kapital mitnehmen könnten. Auch aus dem SPD-geführten
Bundesumweltministerium gab es zuletzt solche Überlegungen.
Nun haben die Atomkonzerne ihre Bedingungen genannt: Das Atomgeschäft, von
einer Gelddruckmaschine zum Klotz am Bein geworden, wollen sie mitsamt den
Rückstellungen an den Staat übergeben, der dann aber auch für Restbetrieb,
Abriss und Entsorgung des radioaktiven Mülls zu sorgen hätte. Dazu könnten
die Konzerne einige ihrer Klagen wegen der Energiewende zurückzuziehen, die
den Staat bis zu 15 Milliarden kosten könnten.
## Die nuklearen Zwillinge
Beide Seiten behaupten, dem Gegner stehe das Wasser bis zum Hals. Die
Konzerne verbreiten, wegen der teuren Klagen müsse der Staat einlenken. Die
Politik verweist darauf, wie sehr die ungeklärten Atomkosten die
Kreditwürdigkeit der Unternehmen belasten. Aber diese Gegnerschaft der
nuklearen Zwillinge Politik und Wirtschaft ist nur vorgetäuscht.
Die Bundesregierung drängte in den 60er Jahren die damals unwilligen
Konzerne in die Nukleartechnik. Die personellen Verflechtungen zwischen
Firmen, Behörden und Politik sind legendär, die Finanzminister planen mit
den Steuern aus dem Atomgeschäft. Und die Konzerne gehören teilweise der
öffentlichen Hand: Vattenfall dem schwedischen Staat, RWE zu einem Viertel
den NRW-Kommunen und EnBW fast zur Hälfte dem grün-schwarzen
Baden-Württemberg.
Schon immer hat der Staat von den Atombetreibern die Haftung bei möglichen
Unfällen übernommen, was nach Expertenrechnung bei einem „Großschaden“
schnell mal 500 Milliarden werden könnten. Die Konzerne sind längst wie die
Banken in der Finanzkrise „too big to fail“ und zu systemrelevant, um sie
scheitern zu lassen.
Eine „schonungslose ökonomische Gesamtbilanz“ zu Atomsubventionen und
Folgekosten hat deshalb der grüne Umweltminister von Niedersachsen, Stefan
Wenzel, gefordert. Das werde „vermutlich auch andere Staaten vom
Atomausstieg überzeugen“.
## Stromkunden entlasten
Aber wenn schon eine ehrliche Rechnung, dann richtig: Der ehemalige
CDU-Umweltminister Klaus Töpfer und andere Experten plädieren schon länger
für einen „Altlastenfonds“: Ein großer Teil der Entwicklungskosten vor
allem der Solarenergie soll über Kredite finanziert werden und nicht wie
derzeit über die strompreistreibende EEG-Umlage. Die aktuelle Belastung der
Stromkunden von derzeit 20 Milliarden Euro im Jahr würde drastisch sinken,
das Geld käme wieder rein durch künftige Gewinne der stets billiger
werdenden Wind- und Solarenergie.
Ein ähnlicher Vorschlag der bayerischen CSU-Wirtschaftsministerin Ilse
Aigner wurde im Januar mit dem Argument versenkt, eine „Energiewende auf
Pump“ dürfe es nicht geben – dabei sind die völlig unabsehbaren Kosten f�…
die nukleare Entsorgung finanziell viel riskanter.
Wie das Pokerspiel zwischen Politik und Konzernen ausgeht, ist offen.
Wichtig aber wäre es für Deutschland, in der Debatte um eine globale
Energiewende eine umfassende Rechnung präsentieren zu können.
Staaten wie Großbritannien, China oder Indien, die sich jetzt entscheiden
müssen, ob sie Atomkraftwerke oder Windräder bauen sollen, könnten sehen:
So hoch sind die echten Kosten für das Abenteuer Atom. Und so niedrig
liegen sie bei den Erneuerbaren.
13 May 2014
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Atomkraftwerk
AKW
Banken
Atommüll
Entsorgung
Atomausstieg
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft
Solarenergie
Energie
Erneuerbare Energien
Schwerpunkt Atomkraft
Deutsche Bank
Energiewende
Schwerpunkt Atomkraft
Atomkraftwerk
Energiewende
Atomkraftwerk
Endlagerfrage
Atomkraftwerk
Schacht Konrad
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kosten des Atomausstiegs: Vattenfall will 4,7 Milliarden Euro
Als Entschädigung für die Stilllegung seiner Akws in Deutschland fordert
Vattenfall 4,7 Milliarden Euro. Es ist nicht die einzige Klage dieser Art.
Folgekosten von Atomkraft: Wo ist die Kohle?
Die Bundesländer fordern Klarheit: Wer zahlt den Abbau eines AKW, wenn der
Betreiber pleite ist? Was passiert, wenn sich ein Konzern verweigert?
EU genehmigt Beihilfe für britisches AKW: Ohne Subvention lohnt sich das nicht
Großbritannien will seine alten Atomkraftwerke durch neue ersetzen. Die EU
hat nun angekündigt, Subventionen für den Neubau zu genehmigen.
Wegen des schönen Wetters: Solar-Boom zu Pfingsten erwartet
Die Industrie braucht wenig, gleichzeitig produzieren die
Photovoltaikanlagen wegen der Sonne besonders viel Strom. Die Netzbetreiber
sind alarmiert.
Erneuerbare Energien: Der Boom ist nicht genug
Entwicklungsländer machen Energiewende, der Sonnenstrom wächst wie nie
zuvor – und trotzdem reicht alles nicht, um die Erderwärmung aufzuhalten.
Arbeit dank Ökostrom-Umlage: Maue Solarbranche, super Windjobs
Mehr als 370.000 Menschen arbeiten im Bereich der Erneuerbaren Energien.
Auch die EEG-Umlage habe Arbeitsplätze gesichert, so das
Wirtschaftsministerium.
Vattenfall-AKWs in Deutschland: Schweden haftet nicht mehr
Nach einer Umstrukturierung ist der schwedische Staatskonzern Vattenfall
nicht mehr für die Risiken seiner deutschen AKWs verantwortlich.
Größter Aktionär bei Deutscher Bank: Peanuts für den Scheich
Die Deutsche Bank will Aktien im Wert von acht Milliarden Euro ausgeben und
ihr Kapital erhöhen. Ein Geldgeber ist der Scheich von Katar, der groß
einsteigt.
Folgekosten der deutschen AKW: VEB Atomkraft
Die Energieindustrie will dem Staat ihre Atomkraftwerke übertragen. Wie
soll dieser die Sozialisierung der stetig steigenden Verluste verhindern?
Europäische Atomgemeinschaft: Die Jugendsünde Europas
Alle EU-Staaten sind zur Förderung der Atomkraft verpflichtet. Doch
Mängelbehebung an AKWs ist freiwillig, Nachbarländer haben keine Handhabe.
Stiftung für Atomkraftwerke: Merkel sagt Nö
Den Vorschlag dreier Energiekonzerne, Atomkraftwerke und ihre Altlasten in
eine öffentlich-rechtliche Stiftung zu überführen, lehnt die
Bundeskanzlerin ab.
Energiewende in Deutschland: 45 fossile Kraftwerke vor dem Aus
Trendwende auf dem Strommarkt: Die Produktion etwa mit Kohle ist in den
ersten vier Monaten des Jahres deutlich gefallen. Das hat Konsequenzen.
Verstaatlichung von AKWs: Wer hat mit wem gesprochen?
Die SPD-geführten Ministerien für Wirtschaft und Umwelt bestreiten
Gespräche mit Stromkonzernen. Merkels Sprecher hingegen nicht.
Kommentar Bad Bank für AKW: Zu verstrahlt, um wahr zu sein
Die Atomindustrie will die Ausstiegskosten verstaatlichen. Aber kein
Politiker wird den Lobbyisten noch einmal eine Menge Geld hinterherwerfen.
Betreiber wollen AKWs abstoßen: VEB Atomkraft im Angebot
Stromkonzerne bieten an, AKWs und Atommüllentsorgung in einer öffentlichen
Stiftung zu bündeln. Dafür könnten Klagen zurückgezogen werden.
Entsorgung radioaktiver Abfälle: Konrad könnte kippen
Ein großer Teil radioaktiven Abfälle darf im geplanten Endlager Schacht
Konrad nicht angenommen werden. Darüber ärgert man sich in
Baden-Württemberg – weil es den eigenen Müll betrifft.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.