# taz.de -- Kommentar Merkels EU-Wahlkampf: Nett winken, rechts blinken | |
> Rechtzeitig zur Europawahl will Merkel noch ein paar Stimmen am | |
> Stammtisch oder bei der NPD sammeln. Dabei weiß sie es eigentlich besser. | |
Bild: Die rechte Hand ist oben. (Nur eine Beschreibung der Tatsachen.) | |
Es ist infam. Kurz vor Toresschluss springt die Bundeskanzlerin noch auf | |
den populistischen Zug auf. Sozialschmarotzende Ausländer aus der | |
Europäischen Union, die nur herkommen, um ein paar Euros abzugreifen, | |
sollen abgeschreckt, abgestraft und abgewiesen werden. Mit dieser | |
originären Botschaft der Christlich Sozialen Union (CSU) will Merkel | |
rechtzeitig zur Europawahl noch ein paar Stimmen am rechten Rand, am | |
Stammtisch oder bei AfD und NPD sammeln. | |
Das ist deshalb so infam und ungeheuerlich, weil sie es besser weiß und ihr | |
klar ist, dass sich die komplizierte Rechtslage überhaupt nicht auf den | |
billigen Slogan, die EU sei keine Sozialunion, reduzieren lässt. Wie | |
unsozial und wie unchristlich ihr widerlicher Trompetenstoß ist, wird sie | |
bald am unwillkommenen Beifall merken. | |
Eine gute Figur macht die Kanzlerin ja ohnehin nicht, wenn ihr selbst vom | |
Oberpriester der Nation auf indirekte, aber unmissverständliche Weise die | |
Leviten gelesen werden. Bundespräsident Gauck hat am Donnerstag 22 | |
Migranten im Schloss Bellevue als Mitbürger willkommen geheißen und dabei | |
den treffenden Satz gesagt, dass auch Deutsche vor nicht allzu ferner Zeit | |
ihr Glück in der Fremde gesucht hätten. Sie seien damit sehr wohl | |
„Armutseinwanderer“ und „Wirtschaftsflüchtlinge“ gewesen. Es geht aber | |
nicht nur um die historische Ignoranz einer Kanzlerin. | |
In einem Deutschland, das auf Zuwanderung angewiesen ist, Migranten, | |
Einwanderer und Flüchtlinge zu verprellen, ist fahrlässig und dumm. Wir | |
brauchen diese Menschen. Wir sind ein Einwanderungsland, nach den USA im | |
Jahr 2013 sogar das beliebteste auf der Welt. | |
Es ist eine europäische Ironie, dass die Kanzlerin mit ihrer knallharten | |
Sparpolitik die bittere Armut der unteren 20 Prozent der Bevölkerung in | |
Staaten wie Portugal, Spanien, Griechenland und Irland befördert und | |
insbesondere die Jugend aus diesen Staaten zu Arbeitsmigranten gemacht hat. | |
Die deutsche Politik hat Europas Probleme mitverursacht. Sie darf sich | |
nicht mit billigen Parolen aus der Verantwortung stehlen. | |
22 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Georg Baltissen | |
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