# taz.de -- Rentenbeschluss des Bundestags: Mehr Geld für Muttern | |
> Das Rentenpaket ist durch, Milliarden Beitragszahler-Euro werden | |
> umverteilt. Wer arm oder Akademiker ist, hat aber nichts davon. | |
Bild: Der Weihnachtsmann, äh: Andrea Nahles mit ihrem Geschenk an die RenterIn… | |
BERLIN taz | Das teuerste Sozialprojekt der schwarz-roten Koalition | |
passierte am Freitag den Bundestag. In namentlicher Abstimmung votierte | |
eine große Mehrheit der 460 Abgeordneten für das sogenannte Rentenpaket von | |
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). Die Ministerin betonte, | |
gemeinsames Anliegen von Union und SPD sei es, „gelebte Solidarität als | |
Grundprinzip in unserer Gesellschaft zu stärken“. | |
Das sahen manche anders. Der rentenpolitische Sprecher der Grünen, Markus | |
Kurth, warf der Koalition vor, die Prioritäten falsch gesetzt zu haben und | |
nichts gegen das wachsende Problem der Altersarmut zu tun. | |
Die Verbesserungen in der Rente, die am 1. Juli in Kraft treten, bescheren | |
bestimmten Gruppen von heutigen und künftigen RentenempfängerInnen etwas | |
mehr Geld im Monat. Finanziert wird dies aber mehrheitlich von allen | |
Beitragszahlern der Rentenkasse und indirekt auch von der Gesamtheit der | |
Ruheständler selbst, deren allgemeines Rentenniveau sinkt. | |
Der größte Batzen des Pakets ist die sogenannte Mütterrente. 9,5 Millionen | |
ältere Frauen und 150.000 Männer, die vor 1992 geborene Kinder aufzogen, | |
bekommen an monatlichem Ruhegeld 28 Euro (Osten: 24 Euro) mehr pro Kind. | |
Das macht bei einer Mutter, die drei Kinder betreute, immerhin 84 Euro im | |
Monat zusätzlich in der Haushaltskasse. | |
## 6,7 Milliarden Euro für Mütter | |
Jährlich 6,7 Milliarden Euro kostet das Rentenplus, das ab 1. Juli an die | |
Rentnerinnen automatisch ausgezahlt wird. Mütter, die wegen einer zu | |
geringen Rente noch aufstockende Grundsicherung bekommen, profitieren | |
allerdings nicht davon. Denn der Rentenzuschlag wird mit der Grundsicherung | |
verrechnet. | |
Obwohl die Mütterrente der teuerste Brocken ist im Paket, kreiste die | |
Debatte zum Schluss vor allem um die sogenannte Rente mit 63 für langjährig | |
Versicherte. 45 Jahre muss man versicherungspflichtig geackert haben, um | |
zwei Jahre früher als die Regelaltersgrenze vorsieht ohne Abschläge in den | |
Ruhestand wechseln zu können. Dabei zählen aber auch Zeiten des Bezuges von | |
Arbeitslosengeld I und Erziehungszeiten mit. | |
Diese Altersgrenze von 63 steigt für die Jüngeren parallel zum Anheben der | |
Regelaltersgrenze an. Wer etwa Jahrgang 1965 ist, darf nach 45 | |
Arbeitsjahren erst mit 65 Jahren in eine Rente ohne Abschläge. Für die | |
Altersgenossen liegt die Regelaltersgrenze zu diesem Zeitpunkt dann schon | |
bei 67 Jahren. | |
## Gesetz für Facharbeiter | |
Bis zu 200.000 Menschen könnten jährlich von der Rente mit 63 profitieren, | |
schätzt die Bundesregierung. Rund 1,9 Milliarden Euro, bezahlt vor allem | |
aus Beitragsmitteln, soll die Regelung kosten. Es dürfte ein Gesetz für | |
Facharbeiter sein, denn Akademiker erreichen aufgrund der langen | |
Studienzeiten die 45 Versicherungsjahre nicht. Aber auch viele Handwerker | |
dürften die Arbeitsjahre kaum schaffen. | |
Nach dem Altersübergangsreport des IAQ-Instituts in Duisburg-Essen hören | |
Bauleute im Schnitt mit 58 Jahren auf in ihrem Beruf. Wer im | |
Gesundheitsbereich tätig ist, verlässt den Job im Schnitt mit 61. Unter den | |
Neuzugängen in die Altersrente aus den aktiv Versicherten sind nur zu einem | |
Drittel Leute, die direkt aus einer Beschäftigung in den Ruhestand | |
wechseln. Viele kommen aus der Altersteilzeit, der Arbeitslosigkeit oder | |
dem Bezug von Krankengeld. | |
Damit aber nun niemand auf die Idee kommt, die Zeit bis zum Rentenbeginn | |
mit 63 noch mit zwei Jahren Arbeitslosengeld I zu überbrücken, hat die | |
Große Koalition diese Möglichkeit in letzter Minute ausgeschlossen. In den | |
letzten beiden Jahren vor der Rente mit 63 zählt Arbeitslosigkeit als | |
Beitragszeit nicht mehr mit. | |
## Neurentner bekommen 40 Euro mehr | |
Zu den Altersrentnern kommen die Erwerbsunfähigen. Ein Fünftel aller | |
Rentenneuzugänge sind Erwerbsgeminderte. Im Rentenpaket kriegen diese | |
Neurentner ab 1. Juli diesen Jahres im Schnitt 40 Euro brutto mehr im | |
Monat. Im Unterschied zu den Mütterrenten gilt dies aber nur für | |
Neuzugänge. Daher ist dieser Posten vorerst noch relativ billig: Im | |
nächsten Jahr sind dafür in der Rentenkasse 200 Millionen Euro eingeplant, | |
im Jahre 2030 werden die Ausgaben auf 2,1 Milliarden Euro im Jahr steigen. | |
Arme Erwerbsminderungsrentner, die aufstockende Grundsicherung bekommen, | |
haben aber nichts von dem Geld. Denn wie auch bei der Mütterrente wird das | |
Rentenplus mit der Grundsicherung verrechnet. | |
Ganz am Schluss hat der Wirtschaftsflügel der Union noch die „Flexi-Rente“ | |
ins Paket hineinverhandelt. Danach dürfen Arbeitgeber Beschäftigte, die | |
auch jenseits des 65. Lebensjahres weiter bei ihnen arbeiten wollen, | |
künftig mit Befristung anstellen. Bisher durften diese -sehr wenigen- | |
Älteren nur unbefristete Verträge haben und waren damit kaum kündbar. | |
## Niedrigere Nettolöhne | |
Nur bestimmte Gruppen profitieren von dem Rentenpaket, bezahlen jedoch | |
müssen alle. Der Beitragssatz für die Rentenkasse von 18,9 Prozent vom | |
Bruttogehalt (inklusive Arbeitgeberanteil) ist aufgrund des Rentenpakets | |
nicht wie geplant gesunken und wird künftig schneller steigen als früher | |
vorgesehen. Das mindert die Nettolöhne, nach denen sich wiederum das | |
Rentenniveau richtet. Im Jahre 2030 liegt die Nettostandardrente um 1,6 | |
Prozent niedriger als sie ohne das Rentenpaket wäre, rechnete die Deutsche | |
Rentenversicherung vor. | |
Gerechtigkeitsfragen bleiben offen: Was ist mit der oft zitierten schlecht | |
bezahlten und alleinstehenden Altenpflegerin, die nach 35 Jahren | |
Berufstätigkeit später trotzdem zum Sozialamt muss, weil die Rente nicht | |
reicht? Im Koalitionsvertrag wird diesen Frauen zwar eine Zuschussrente | |
versprochen, ins „Rentenpaket“ aber wurde das Thema vorsichtshalber nicht | |
aufgenommen. Die Frage ist, wieviel Geld und politische Energie für die | |
Aufstockung von Kleinrenten jetzt überhaupt noch übrig sind. | |
23 May 2014 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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