Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Abfallwirtschaft zurück in Staatshand?: Sachverstand auf dem Müll…
> Bremen könnte die Müllabfuhr nach 20 Jahren entprivatisieren. Aber mit
> dem Einfluss ist auch die Expertise dafür verloren gegangen.
Bild: Könnten bald wieder bei der Stadt arbeiten: Bremer Müllmänner.
BREMEN taz | Seit Monaten quälen sich die Bremer Umweltpolitiker mit der
Frage, ob sie die im Jahr 1998 für 20 Jahre vereinbarte Privatisierung der
Müllabfuhr beenden sollen. Für den rot-grünen Bremer Senat, der
grundsätzlich eher für eine solche Rekommunalisierung ist, geht es um mehr
umweltpolitischen Einfluss, aber auch ums Geld: Niemand weiß, wie viel die
private Firma Nehlsen an den Bremer Müllgebühren verdient, sie muss ihre
Bilanzen nicht offen legen. Federführend ist der grüne Umwelt- und
Bausenator Joachim Lohse – er hat vor einem Jahr den Auftrag bekommen,
Daten und Fakten vorzulegen. Bisher schweigt er.
Die umweltpolitische Sprecherin der Bremer Grünen, Maike Schäfer,
präsentierte am Dienstag der Presse die Ratlosigkeit ihrer Partei. Nach
über einem Jahrzehnt der Privatisierung, so erklärte sie, verfüge die
Stadtgemeinde Bremen über keinerlei müllpolitischen Sachverstand mehr. In
der Bremer Verwaltung weiß niemand, wie viel welche Dienstleistung kostet,
niemand verfügt über die Management-Expertise. Der kommunale Umweltbetrieb
Bremen (UBB), in dem restliche Dienstleistungen wie Stadtgrün und die
Friedhofspflege zusammengefasst wurden, ist ein desolater Laden, in dem
sechs von acht Abteilungsleiter-Stellen nicht besetzt sind.
„Wir haben kein Müllauto, keine Mülltonne, keine Müllverbrennungsanlage –
mit der Privatisierung haben wir alles aus der Hand gegeben“, klagte Maike
Schäfer. Das Land könnte längst eine Biogas-Anlage haben, sagt Maike
Schäfer, in die der Biomüll geliefert werden könnte. Darauf hat man
allerdings keinen Einfluss, wenn die Müllentsorgung und
Wertstoff-Verwertung in privater Hand liegt.
Die Grünen können nichts dafür – 1998, regierte die SPD zusammen mit der
CDU, die grüne Opposition war gegen die Privatisierung. Das politische
Fazit der Grünen Schäfer: Mehr kommunalen Einfluss hätte man gern, aber
eine 100-prozentige Rekommunalisierung zu fordern, das traut man sich
nicht. Denn niemand weiß, welche Investitionen erforderlich wären, woher
die Müllwerker und die leitenden Mitarbeiter kommen sollen, wenn die
Privatfirma ihre nicht überlässt.
Dass die Grünen sich jetzt auf diese Debatte einlassen und darauf warten,
dass ihr Umweltsenator irgendwann etwas Kompetentes zum Thema sagt, liegt
an der Gewerkschaft Ver.di. Die droht seit Wochen mit einem Volksbegehren,
denn sie vertritt die 300 Müllwerker, die schon vor 1998 im öffentlichen
Dienst gearbeitet haben. Sie müssen zu öffentlich-rechtlichen Tarifen
bezahlt werden, neue Kräfte hat die Privatfirma Nehlsen nur zu niedrigeren
Tarifen eingestellt. Die Bremer Müllentsorgung ist seitdem eine
Zweiklassengesellschaft, das will Ver.di beenden.
Dabei nutzt Ver.di die Tatsache, dass 2015 in Bremen Wahlen stattfinden.
Die dortige SPD hat sich bisher in der Frage nicht festgelegt, wohl aber
die Linkspartei. Sie will eine vollständige Rekommunalisierung und stützt
sich auf ein Gutachten Ernst Mönnichs, eines alten Kritikers der
Privatisierung. Der hat auf Grundlage der verfügbaren Informationen
vorgerechnet, dass eine Rekommunalisierung keineswegs teurer wäre, selbst
wenn man alle Müllwerker gleich bezahlte. Ein kommunaler Müllbetrieb könnte
nicht nur mit niedrigeren Kreditzinsen kalkulieren als der Privatbetrieb,
auch fünf Millionen Mehrwertsteuer und die Gewinne der Privatfirma würden
wegfallen.
Bei den Grünen blieben am Dienstag viele Fragen offen. Was ist, wenn bei
einer europaweiten Ausschreibung nicht die Bremer Firma Nehlsen gewinnt,
sondern ein auswärtiger Konzern? Muss ein Bieter die alten teureren
Mitarbeiter übernehmen? Was, wenn diese ihr Rückkehrrecht in den
öffentlichen Dienst nutzen? Die Antwort blieb Maike Schäfer vorerst
schuldig.
11 Jun 2014
## AUTOREN
Klaus Wolschner
## TAGS
Müllabfuhr
Privatisierung
Bremen
Rekommunalisierung
Volksbegehren
Senat Bremen
Schwerpunkt TTIP
Müll
Müll
Direkte Demokratie
USA
## ARTIKEL ZUM THEMA
Debatte um Müll-Rekommunalisierung in Bremen: Gegen die Empfehlung
Weil der Staat die Müll-Abholung nicht organisieren kann, soll das laut
Bremer Senats-Beschluss weiterhin eine Privatfirma machen. Gutachter sahen
das anders.
Jura-Prof Andreas Fisahn über Rekommunalisierung: „Aufgeschoben ist aufgehob…
Zehn Jahre auf die Rekommunalisierung der Müllabfuhr hinzuarbeiten, hält
Fisahn angesichts der TTIP Verhandlungen für eine schlechte Idee.
Recycling & Konsumverzicht: Saubere Sache
Jeder macht Müll – in Deutschland fast 600 Kilo pro Jahr. Umweltschützer
würden gern des Entsorgungssystem revolutionieren und die Warenwelt dazu.
Müll-Rekommunalisierung: Die SPD kippt beim Müll - zumindest halb
Der Senat und die Grünen sind verärgert, die Linkspartei freut sich: Die
SPD hat sich zur „vollständigen Rekommunalisierung“ bekannt. Aber was folgt
daraus?
Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft: Der Müll ist auf dem Weg
SPD kritisiert das Gutachten zur Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft.
Es spreche sich zwar für einen kommunalen Betrieb aus, kläre aber nicht den
Weg dorthin.
Müll: Volksentscheid rückt näher
Gewerkschaft Ver.di feiert im Kampf um die Rekommunalisierung der
Abfallwirtschaft einen Etappensieg. Derweil hat ein ENO-Betriebsrat
Hausverbot.
Bilanz einer umstrittenen Reise: Auf ihr Brüder, lasst uns wallen
Umweltsenator Joachim Lohse hat sein Flug nach Chicago
Rücktrittsforderungen eingebracht – und der bremischen Windenergie-Branche
Werbung in den USA.
Rekommunalisierung: Ein Viertel der Netze kehrt zurück
Bremens Senat und der örtliche Energieversorger einigen sich: 25,1 Prozent
der Energienetze kommen wieder in die öffentliche Hand. Dabei geht es auch
ums Prinzip.
Kommentar: Müll-Volksbegehren: Bürgerrechts-Lobby Ver.di
Mit der Ankündigung eines Volksbegehrens zur Müll-Entsorgung schreibt
Ver.di Demokratie-Geschichte.
Demokratisierung: Ver.di: Volksentscheid über Müll
Ab dem 1. Mai will die Gewerkschaft Ver.di Unterschriften sammeln:
Rekommunalisierung der Müllabfuhr ist das Ziel.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.