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# taz.de -- Rekommunalisierung: Ein Viertel der Netze kehrt zurück
> Bremens Senat und der örtliche Energieversorger einigen sich: 25,1
> Prozent der Energienetze kommen wieder in die öffentliche Hand. Dabei
> geht es auch ums Prinzip.
Bild: Dem Licht wird man die Netz-Eigentumsverhältnisse nicht ansehen: Festlic…
BREMEN taz | Nach drei Jahren komplizierter Verhandlung konnte der Senat am
Dienstag zufrieden vor die Presse treten: Die Privatisierung der Bremer
Energie-Netze soll rückgängig gemacht werden – jedenfalls zum Teil. Mit dem
örtlichen Energieversorger SWB einigten sich die Unterhändler des Senats
darauf, dass die Kommunen Bremen und Bremerhaven de facto eine
Minderheitsbeteiligung von 25,1 Prozent übernehmen. „Nötig“ sei dieses
Verhandlungsergebnis, sagte Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD), „und
maßvoll“.
Das Nötige daran erklärte die Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne): Die
Privatisierung der kommunalen Instrumente der Daseinsvorsorge vor 20 Jahren
sei „keine gute Entwicklung“ gewesen. In Zukunft soll Bremen wieder den Fuß
in der Tür haben, auch wenn die Spielräume der Netz-Gesellschaften aufgrund
bundesweiter Vorgaben äußerst gering sind. Eine kleine umweltpolitische Tür
hat sich Bremen geöffnet: Die Netzgesellschaft könnte für Fernwärme aus
regenerativer Energie-Erzeugung ein geringeres Entgelt nehmen als für
konventionelle.
Nebenbei nennt die Finanzsenatorin wichtig, dass mit der SWB eine feste
Rendite für die Kommunen ausgehandelt wurde, die vermutlich bei drei
Millionen Euro für Bremen und 800.000 Euro für Bremerhaven liegt. Und das
geht so: Die Kommunen zahlen für einen Kredit in Höhe der erforderlichen
225 Millionen Euro einen Kommunal-Zinssatz von 2,8 Prozent. Das geliehene
Geld fließt im Wesentlichen als stille Einlage an die Netzgesellschaft
„Wesernetze“ – und die zahlt dafür 4,6 Prozent Zinsen.
In der letzten veröffentlichten Konzernbilanz aus 2012 sind die
Netzgesellschaften für Bremen und Bremerhaven zusammen mit 40 Millionen
Euro Jahresergebnis konsolidiert. Die Kommunen haben derzeit
Mitspracherechte wie für einen 25,1-Prozent-Anteil, ihr formeller Anteil
beträgt aber nur ein Prozent. Bei der Gewinnausschüttung gehen sie somit
weitgehend leer aus – tragen dafür aber auch kein Risiko.
„Maßvoll“ war die Viertel-Rekommunalisierung Böhrnsen zufolge, weil dadur…
ein handfester Streit mit dem Energieversorger habe vermieden werden
können. Der Vertrag erhöhe die „Verbundenheit der Stadt“ mit der SWB und
ihrem Mutterkonzern, dem Oldenburger Energielieferanten EWE. Und er sei ein
„Beitrag zur Standortsicherung“: Zusammen haben die Netzgesellschaften rund
700 Mitarbeiter.
Vor nicht allzu langer Zeit hatte es heftig zwischen der EWE und dem Bremer
Rathaus gekracht. Da wollten sich die Oldenburger ihre Konzerntochter SWB
einverleiben, um „Synergieeffekte“ zu erzielen. Damals hatte man sich auf
einen Kompromiss geeinigt: Bremens Senat nahm zur Kenntnis, dass die EWE
wichtige Funktionen auch der SWB in andere Firmen auslagert. Diese
operativen Firmen sollen zwei Firmensitze haben – Bremen und Oldenburg –,
bei Stellenabbau wären beide gleichermaßen betroffen. Gleichzeitig einigte
man sich auf den Erwerb von 25 Prozent an den Netzen.
Insbesondere die Betriebsräte der SWB haben sich gegen die
Rekommunalisierung gestellt und versucht, Druck auf die SPD auszuüben.
Treibende Kraft des Rekommunalisierungsprozesses war über die Jahre der
frühere SPD-Landesvorsitzende Andreas Bovenschulte – der nun aber nicht
mitfeiern konnte: Er kandidiert inzwischen für das Amt des Bürgermeisters
in der 30.000-Seelen-Gemeinde Weyhe.
Hauptsächlich geht es aber ums Prinzip: Hinter den Kulissen wird in Bremen
auch über die Rekommunalisierung der Müllabfuhr gestritten. Da hat der
private Eigentümer seit 1998 die Alt-Belegschaft mit Tarifverträgen aus der
Zeit des Öffentlichen Dienstes schrumpfen lassen, neue Mitarbeiter wurden
zu schlechteren Bedingungen bei einer neuen Müll-Gesellschaft eingestellt.
Dort sind die Betriebsräte eine treibende Kraft der
Rekommunalisierungs-Debatte, Bremens grüner Umweltsenator Joachim Lohse
hält sich bisher sehr zurück.
Zwar treibt dass die Stadt die Müllgebühren für die Privatfirma ein, kann
aber den Bürgern nicht sagen kann, wie viel Gewinn das Unternehmen
einfährt. Nach Hamburger Vorbild hat die Gewerkschaft Ver.di in Bremern
einen Bürgerentscheid über die Rekommunalisierung der Müllabfuhr
angekündigt. Als Termin dafür ist die nächste Bürgerschaftswahl im
kommenden Jahr angedacht.
13 May 2014
## AUTOREN
Klaus Wolschner
## TAGS
Energieversorgung
Müllabfuhr
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