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# taz.de -- Bilanz einer umstrittenen Reise: Auf ihr Brüder, lasst uns wallen
> Umweltsenator Joachim Lohse hat sein Flug nach Chicago
> Rücktrittsforderungen eingebracht – und der bremischen
> Windenergie-Branche Werbung in den USA.
Bild: Wirbt ein Umweltsenator wie Joachim Lohse für die Windenergie, kann das …
BREMEN taz |An einer Stelle ist Joachim Lohse (Grüne) dann doch noch ins
Stocken geraten, im Radio-Interview: In Bremen hitzig attackiert, weil er
die [1][USA] besucht hatte, war der Bremer Umweltsenator dort von Jerome
McDonnell ins Studio eingeladen worden. Zum [2][Worldview]-Talk.
Diese außenpolitische Radio-Show produziert McDonnell seit 1995 fürs
National Public Radio in Chicago. Und offenbar nicht überrascht hatte
Lohse, dass der Moderator ihn zwischendurch auf die irre Aufregung um
vermeintliche Strompolizisten anspricht, die von Tür zu Tür gehen und den
Energieverbrauch kontrollieren würden, davon habe er in Bremer Zeitungen
gelesen. Mit „Big fuzz about nothing“ findet Lohse dafür genau den
richtigen Ausdruck. Etwas verblüfft wirkt er aber, als der Interviewer
versucht, nachzuvollziehen, was das eigentlich sein soll, Bremerhaven:
„That’s the port-city, port-area of your municipal …?“
Ja, ähm, nein, so stimmt es nicht: Und so kommt’s, dass Lohse den
HörerInnen ein bisschen Bremer Heimatkunde näherbringt und die ja von außen
besehen recht bizarre, aber auch bezaubernde Idee eines Minilandes aus zwei
Städten erläutert. Live, zur Mittagszeit und in ganz Illinois. Der US-Staat
ist in etwa so groß wie England. Er hat fast 13 Millionen Einwohner. Abends
kommt die Sendung dann noch einmal um 21 Uhr als Aufzeichnung, übernommen
auch von den übrigen NPR-Stationen sowie der Auslandswelle International
Public Radio. Und das Satellitenradio Sirius verbreitet sie auf dem
gesamten nordamerikanischen Kontinent.
„Ich hatte schon den Eindruck, dass Bremen für die meisten ein ziemlich
unbekannter Fleck auf der Landkarte gewesen ist“, sagt er jetzt auf
Nachfrage der taz: „Ein aktuelles Bewusstsein von Bremen als wichtigem
Wirtschafts- und Industriestandort“, das gebe es in den Staaten kaum. „Das
muss den Leuten nähergebracht werden“.
## Volle 15 Sendeminuten
Dabei hatte er ein bisschen Glück gehabt: Bei der Reiseplanung stand sicher
noch nicht fest, dass McDonnell am 6. Juni anlässlich des D-Day-Jubiläums
seiner einstündigen Radio-Show einen [3][Deutschland-Schwerpunkt] verleihen
würde – in der dann der „Senator of environment, urban development and
transportation in the city of Bremen“ auf vollen 15 Sendeminuten den Part
der Stimme aus der gesellschaftlichen Gegenwart des Feindes von einst
übernehmen durfte.
Dass Lohse den Chicago-Trip wichtiger fand als die Leitung einer
Deputationssitzung zum Verkehrsentwicklungsplan, den selbst die Opposition
für ausgewogen hielt, hatte für wütende Medien-Angriffe auf den Senator
gesorgt. Das macht journalistisch sinnvoll, die Reise zu rekonstruieren und
nach ihrer Bilanz zu fragen. Das Generalkonsulat hat den Besuch aus Bremen
jedenfalls als „vollen Erfolg“ bewertet. Lohse habe mit seinen Auftritten
und im Austausch mit dem Stab von Gouverneur Pat Quinn „durch seine
kompetenten Ausführungen einen hervorragenden Eindruck gemacht“, schreibt
der stellvertretende Generalkonsul Mario Soos im offiziellen Bericht ans
Auswärtige Amt, der taz.bremen vorliegt. Ja, ohne ihn hätte dort sogar „das
Windenergie-Symposium nicht realisiert werden können“.
Das war Herzstück der Reise. Es gemeinsam mit Goethe-Institut und der
amerikanischen Umweltorganisation Sierra Club zu stemmen, war der deutschen
Auslandsvertretung wichtig. Im hippen Chicago Loop und dort im sehr
exklusiven [4][Union League Club], in dem schon Abraham Lincolns
Unterstützer über die Zukunft der USA nachdachten, berieten nun 35
klimapolitische und energiewirtschaftliche Entscheider aus Illinois über
die Chancen der Erneuerbaren, Ideen zur Kostengestaltung und Möglichkeiten
des Know-how-Transfers, gerade in Fragen der Offshore-Windkraft. Für die
sei „die Teilnahme eines hochkarätigen deutschen Experten eine
unerlässliche Voraussetzung für das Zustandekommen der Veranstaltung“
gewesen, referiert das Diplomatenschreiben.
## Vom Boom profitieren
Die Debatte ums Thema wird derzeit in den USA sehr breit und sehr hitzig
geführt, seit Barack Obama den USA Klimaziele erstmals verbindlich
verordnete: eine Reduktion des CO2-Ausstoßes der Energiegewinnung um 30
Prozent bis 2030. Und während der Präsident dafür auf politischer Ebene
noch wüst beschimpft wird, sondieren Unternehmer bereits die industriellen
Möglichkeiten der „renewable energy“. Und der Staat stimuliert
Investitionen: So war bei der Konferenz im ULC auch Chris Wissemann, der
Chef von Fisherman’s Energy zugegen: Das Unternehmen hat gerade erst als
eines von drei Unternehmen vom US-Energieministerium einen Grant in Höhe
von fast 46,7 Millionen Dollar gewonnen, als Anschubfinanzierung für den
Plan, im Lake Michigan, 15 Kilometer vom Hafen von Chicago, einen ersten
Offshore-Windpark zu bauen. Es geht darum, einen Boom zu starten. Und
wenn’s losgeht, will Deutschland davon möglichst auch profitieren.
Seit Jahren verfolgt die Bundesregierung daher das Projekt einer
„[5][transatlantischen Klimabrücke]“ – auch aus hehren umweltpolitischen
Motiven. Aber, dass man in diesem Bereich einen technologischen Vorsprung
und eine funktionierende Industrie hat, ist dafür genauso wichtig. Bei dem
Symposion sei auch darauf hingewiesen worden, „dass es so etwas wie
Partnerschaften oder Mentoring-Verhältnisse zwischen dänischen und
amerikanischen Unternehmen gibt“, so Lohse. „Da wurde dann nachgefragt, ob
etwas ähnliches auch mit Bremerhavener Firmen denkbar wäre – oder auch
unserem Fraunhofer-IWES-Institut.“
Er habe jedenfalls eine Einladung ausgesprochen, „natürlich“, sagt er. Und
die habe man „mit großem Interesse aufgenommen“. Noch bestimmter heißt es
im konsularischen Schreiben, „das Netzwerk deutscher und amerikanischer
Akteure in der Klima- und Energiepolitik konnte um ein weiteres Stück
ergänzt werden“.
Der Weser-Kurier und die CDU fordern geschlossen den Rücktritt des
Senators.
15 Jun 2014
## LINKS
[1] http://www.volksliederarchiv.de/text804.html
[2] http://www.wbez.org/program/290/about
[3] http://soundcloud.com/wbez-worldview/remembering-d-day-german-energy-policy…
[4] http://en.wikipedia.org/wiki/Union_League_Club_of_Chicago
[5] http://www.deutschland.de/de/topic/umwelt/energie-technologie/oekologischer…
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
USA
Windkraft
Umweltpolitik
Müllabfuhr
CDU
Immobilienspekulation
Bremen
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