Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Debatte Datensicherheit: Grenzenloser Zugriff
> Ein US-Gericht erweitert den Datenzugriff für die Strafverfolgung über
> die USA hinaus. Der Vertrauensverlust wird anwachsen.
Bild: Facebook-Server in Schweden: Auch hier sind die Daten vor den US-Behörde…
Das Urteil ist so absurd, dass es an schrägen Vergleichen nicht mangelt: Da
hat eine Richterin in New York entschieden, dass ein IT-Unternehmen
Nutzerdaten von einem Server außerhalb der USA an die
US-Strafverfolgungsbehörden weitergeben muss. Die Judikative dehnt also den
Machtbereich der Exekutiven auf die ganze Welt aus.
Der Nachhall im Netz ist voll Häme und Spott: Könnte dann nicht auch China
Zugriff auf die Daten von dort produzierten Geräten verlangen? Oder das
Land, in dem der Anbieter sitzt, der die Software hergestellt hat?
Das Urteil kommt für die großen IT-Konzerne der USA zum denkbar
schlechtesten Zeitpunkt. Denn so gerne sie mit den Behörden kooperieren –
siehe Google, das Mails auf kinderpornographischen Bilder hin durchleuchtet
und mutmaßliche Funde weitermeldet – so wenig vergessen die Unternehmen ihr
Geschäftsmodell. Und das lautet: Viele Nutzer, viele Daten. Auch wenn es
oft nicht danach aussieht: Die Voraussetzung dafür ist immer noch ein
Mindestmaß an Vertrauen der Nutzer in den Anbieter. Aber dieses Vertrauen
geht nach und nach verloren.
Der Nutzer eines Free-Mail-Accounts mag noch recht wenig über Vertrauen
nachdenken. Aber schon der oder diejenige, die eine Abschlussarbeit in der
Cloud speichert, will sich sicher sein, dass sie nicht bei einem
Festplattencrash verloren geht.
Und wenn ein Unternehmen seine Mitarbeiter von unterschiedlichen Standorten
in der Cloud eines anderen Anbieters arbeiten lässt, muss es darauf
vertrauen können, dass die Daten auch ausschließlich dort bleiben. Und
nicht womöglich an die Konkurrenz gelangen, zum Beispiel über ein
fingiertes Strafverfahren, in dessen Folge Dateien beschlagnahmt werden und
der Kläger aus den USA dann in der Akte findet, was er sucht. Ja, das
klingt nach Verschwörungstheorie. Aber für Wirtschaftsspione ergeben sich
hier tatsächlich Möglichkeiten.
Und es gibt Zahlen, die einen Vertrauensverlust vor allem bei den
Geschäftskunden zeigen. Besonders beim Cloud-Computing. Das zentrale
Speichern von Daten außerhalb des eigenen Rechners gewinnt bei Unternehmen
zunehmend an Bedeutung.
Zum Jahresanfang waren es laut Branchenverband Bitkom bereits 40 Prozent
der Unternehmen in Deutschland, die Cloud-Dienste nutzten. 15 Prozent
bevorzugten eine Lösung außerhalb der eigenen Unternehmens-Infrastruktur.
Und da ist schon der Knick aufgrund der NSA-Debatte drin: Jedes zehnte
Unternehmen hat bestehende Cloud-Lösungen aufgegeben, noch mehr haben
bereits geplante Cloud-Projekte zurückgestellt.
Dieser Vertrauenverlust wird zunehmen, wenn Kunden nicht mehr sicher sein
können, dass ihre physisch in Europa gespeicherten Daten vor dem Zugriff
durch US-Behörden geschützt sind. Hieß es bisher noch, dass der
Serverstandort maßgeblich ist, wird es dann auf den Unternehmensstandort
ankommen. Und zwar nicht den Standort einer Unternehmenstochter, sondern
der Zentrale.
## Sag nur leise https
Vielleicht reicht nicht einmal das, und das nächste Gericht verlangt
Zugriff auf sämtliche Server, sobald ein Unternehmen überhaupt in den USA
tätig ist. So gesehen hat das Urteil aus New York – so es denn
rechtskräftig wird – das Potenzial, sich zu einem Konjunkturprogramm für
europäische IT-Unternehmen zu entwickeln.
Dass US-Anbieter aber nach und nach versuchen, verlorenes Vertrauen
zurückzugewinnen, zeigt nicht nur das konsequente Vorgehen von Microsoft
gegen das Urteil. Laut jüngsten Ankündigungen der großen Konzerne scheint
die Privatsphäre der Nutzer zumindest ein bisschen an Bedeutung zu
gewinnen.
So kündigte Google an, das Verschlüsseln von Webseiten fortan im Suchindex
zu belohnen: Wer verschlüsselt, landet weiter oben. Noch sind die
Auswirkungen gering – lediglich bei ein Prozent der Suchanfragen sollen
sich die Ergebnisse ändern. Doch Google kündigt bereits an, die
Verschlüsselung stärker zu gewichten. Und angesichts der Marktmacht von
Google kann man getrost davon ausgehen, dass die Suchmaschinenoptimierer
ihren Kunden schneller eine Verschlüsselung einbauen, als diese https sagen
können.
## Yahoo mit Selbstkritik
Ein weiteres Beispiel ist die Kooperation von Google und Yahoo, die
ankündigten, ihren Nutzern ab dem kommenden Jahr komfortable Lösungen für
eine Email-Verschlüsselung mittels PGP anzubieten. Der Yahoo-Manager, der
die Pläne Anfang August auf einer Konferenz in Las Vegas vorstellte, übte
in seinem Vortrag ausgiebig Selbstkritik. Man habe es bisher nicht
geschafft, die Nutzer angemessen zu schützen; man habe als Branche versagt.
Recht hat er. Interessant ist der Zeitpunkt der Selbstkritik. Auf einmal,
mehr als ein Jahr nach den ersten NSA-Enthüllungen, wird die Angst um
verlorene Nutzer tatsächlich größer als die um Teile des Geschäftsmodells,
nämlich Emails auf Stichwörter scannen, um Werbung einzublenden.
Wie schön wäre es, wenn auch die großen Player in Deutschland, die zwar
nicht scannen, aber sonst gegenüber Behörden freigiebig sind, in Sachen
Datenschutz mit vorne dabei wären und nicht immer nur nachziehen. Denn
klar: Voraussetzung für ein funktionierendes Konjunkturprogramm ist auch,
dass es bessere, im Sinne von privatsphärenfreundlichere, aber sonst eben
nicht schlechtere Angebote gibt.
## Kundendaten im Ausland
Die Zahlen, die den Vertrauensverlust bei der Cloud-Nutzung belegen, sind
vor allem interessant, weil es dabei in der Regel um unternehmenseigene
Daten geht. Im Unterschied zu Kundendaten, deren Verarbeitung Firmen
ebenfalls gerne auslagern. Da ist man weniger zögerlich.
Zum Beispiel der Versicherungskonzern Allianz: Seit April ist der
US-Konzern IBM für die Rechenzentren des Münchner Versicherungsriesen
zuständig. Darin werden die vertraulichen Daten von 78 Millionen Kunden
verarbeitet. Keine Sorge, hieß es, die Server mit den Daten stünden
schließlich in Deutschland und Frankreich.
Eine gewagte Argumentation. Das sieht auch die Bundesregierung so, die
schon im Januar nicht ausschließen konnte, dass die NSA darauf zugreifen
kann. Aber Konsequenzen? Seitens der Bundesregierung? Oder von der Allianz?
Keine.
28 Aug 2014
## AUTOREN
Svenja Bergt
## TAGS
USA
Nutzerdaten
Strafverfolgung
Allianz
USA
Datensicherheit
Apple
Datenschutz
Schwerpunkt Überwachung
Recht auf Vergessen
Schwerpunkt Meta
Spionage
BND
Datenschutz
NSA
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hillary Clintons E-Mails: „Für mich war es einfach praktisch“
Hillary Clinton hat als US-Außenministerin einen privaten Mail-Account
genutzt. Die Mails sollen demnächst veröffentlicht werden.
Verschlüsselung mit GnuPG: Der bescheidene Herr Koch
Er hätte viel Geld verdienen können: GnuPG heißt Werner Kochs Programm zur
Datenverschlüsselung, das niemand geknackt hat. Nicht mal die NSA.
Frauenförderung bei Facebook und Apple: Kinderkriegen wird aufgeschoben
Die beiden IT-Konzerne wollen, das mehr Frauen bei ihnen Karriere machen.
Deshalb zahlen sie Mitarbeiterinnen die Entnahme und das Einfrieren ihrer
Eizellen.
Zu viel gespart, zu wenig Kontrollen: Datenschutz light
In Norddeutschland gibt es kaum anlassunabhängige Datenschutzkontrollen. In
Hamburg sei die Situation „untragbar“, so der Kieler
Datenschutzbeauftragte.
Buch „Data Love“: Die Liebe zur Überwachung
Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski analysiert das Individuum als
Verbündeten seiner Überwachung. Die Warnung ist inbegriffen.
„Recht auf Vergessen“ im Internet: 100.000 Löschanträge gestellt
Nach dem EuGH-Urteil zum „Recht auf Vergessen“ sind bei Google über 100.000
Löschanträge eingegangen. Auch andere Suchmaschinenanbieter sind betroffen.
Datenschutz in Deutschland: Facebook – ist das illegal?
Dürfen Unternehmen auf Facebook für sich werben? Ein Richterspruch im
Norden könnte am Donnerstag eine kleine digitale Revolution auslösen.
E-Mail-Überwachung nimmt zu: Ungeschützter Verkehr
Ein UN-Bericht zur Datensicherheit macht wenig Hoffnung: Die Überwachung
von E-Mails häuft sich. Das Ausmaß sei „höchst besorgniserregend“.
Reaktionen auf Spionageaffäre: Schweigen und kooperieren
Die CIA soll beim Anwerben des Agenten mitgeholfen haben. Dies sei, einem
Regierungsbeamten zufolge, autorisiert gewesen. Die USA wollen sich nicht
äußern.
Datensicherheit im Internet: Ein hoher Preis fürs schnelle Konto
Onlinebetrüger werden immer raffinierter und stehlen gezielt immer höhere
Beträge. Auch beim mTAN-Verfahren gibt es mittlerweile Betrugsfälle.
Folgen der NSA-Affäre: Unbeliebte Cloud
Liest die NSA mit? Unternehmen haben Angst, dass unerlaubt auf sensible
Daten zugegriffen werden könnte. Deshalb sinkt die Nachfrage nach
Cloud-Diensten.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.