# taz.de -- Polizeigewalt in Kinshasa: Kongo macht Front gegen UNO | |
> Nach einem Bericht über extralegale Hinrichtungen durch die Polizei in | |
> Kinshasa soll der oberste Menschenrechtswächter der UN-Mission gehen. | |
Bild: Mit ihnen ist nicht zu spaßen: Polizisten in Kinshasa. | |
BERLIN taz | Weil er einen kritischen Bericht über extralegale | |
Hinrichtungen durch die kongolesische Polizei geschrieben hat, soll der | |
Leiter der Menschenrechtsabteilung der UN-Mission in der Demokratischen | |
Republik Kongo (Monusco) das Land verlassen. Noch am Freitag wurde mit der | |
Ausreise des Briten Scott Campbell gerechnet, nachdem Kongos Innenminister | |
Richard Muyej ihn am Donnerstag abend auf einer Pressekonferenz zur | |
„unerwünschten Person“ erklärt hatte. Eine offizielle Stellungnahme der | |
Monusco gab es nicht, da es auch keine offizielle Benachrichtigung der | |
UN-Mission seitens der kongolesischen Behörden gab. | |
Am Mittwoch hatte Monusco zusammen mit der UN-Menschenrechtskommission in | |
Genf einen vernichtenden Bericht über die Methoden der Polizei bei der | |
Bekämpfung von Bandenkriminalität in Kongos Hauptstadt Kinshasa | |
veröffentlicht. Es ging um die Polizeioperation „Likofi“ (Faustschlag), die | |
zwischen November 2013 und Februar 2014 die Zerschlagung diverser | |
krimineller Gangs in Kinshasa zum Ziel hatte. | |
Kinshasas Banden, kollektiv als „Kuluna“ bekannt, sind für Erpressung, | |
Morde, Vergewaltigungen und Raub in Kinshasas Slumvierteln berüchtigt und | |
werden immer wieder auch als gekaufte Schlägertrupps eingesetzt. | |
Die Monusco-Menschenrechtabteilung (UNJHRO) in Kinshasa dokumentiert in dem | |
Bericht neun extralegale Hinrichtungen mutmaßlicher Kuluna-Mitglieder durch | |
die Polizei sowie 32 Fälle von Verschwindenlassen und schreibt, dies sei | |
mit Sicherheit nur ein geringer Anteil der tatsächlichen Fälle, da nur in | |
wenigen Vierteln der Zehn-Millionen-Stadt Untersuchungen vorgenommen | |
wurden. | |
Die Hinrichtungen erfolgten durch Polizeibeamte „in Masken und in | |
geländegängigen Fahrzeugen ohne Nummernschilder“; teils wurden die Opfer | |
nach ihrer Festnahme per Kopf- oder Rückschuss exekutiert. Zugang zur | |
Leichenhalle des Zentralkrankenhauses von Kinshasa, wo „Dutzende“ | |
Todesopfer solcher Operationen gesammelt wurden, sei den UN-Ermittlern | |
verwehrt worden, so der Bericht. | |
## Musik lautgedreht und dann das Feuer eröffnet | |
Im Einzelnen, führt der Bericht weiter aus, wurden Verdächtige nach der | |
Festnahme erst einem hochrangigen Polizeioffizier vorgeführt und dann in | |
eine Polizeistation des Bezirks Limete gebracht. „Nach Ankunft blieben die | |
Opfer unter Aufsicht eines hochrangigen Offiziers der GMI (Groupe Mobile | |
d‘Intervention), bis Polizeioffiziere die Hinrichtungen unter dem Befehl | |
des höchstrangigen Anwesenden durchführten, während laute Musik gespielt | |
wurde. Die meisten Hinrichtungen erfolgten durch Erschießung, Erdrosselung | |
oder Aufhängen.“ | |
Die Leichen seien dann ins Zentralkrankenhaus gebracht und später auf | |
Lastwagen aus Kinshasa heraustransportiert worden, um dann entweder in den | |
Kongo-Fluss oder in Massengräber geworfen zu werden. | |
Ähnliche Vorwürfe haben UN-Mitarbeiter bereits mehrfacherhoben, zuletzt | |
nach den umstrittenen Wahlen von Ende 2011, als Sicherheitskräfte gewaltsam | |
in Kinshasa gegen Proteste der Opposition vorgingen und zahlreiche | |
Aktivisten verschleppten und töteten. Im Falle der „Operation Likofi“ - die | |
in der Bevölkerung auf mehr Zustimmung stößt, weil die Kuluna-Banden | |
allgemein gefürchtet sind - hat Kongos Regierung selbst vereinzelte | |
Übergriffe zugegeben. | |
## Ein alter Mobutu-Gendarm als Polizeichef | |
Der zuständige Polizeichef von Kinshasa, General Célestin Kanyama gilt als | |
Hardliner und Oppositionelle sagen, er sei an vielen Übergriffen und | |
Menschenrechtsverletzungen der vergangenen Jahre in der Hauptstadt | |
beteiligt. Er diente bereits unter der Mobutu-Diktatur vor zwanzig Jahren | |
im Generalstab der damaligen Gendarmerie und hält seitdem den Spitznamen | |
„Esprit de Mort“ (Todesgeist). | |
Mitte 2013 wurde er zum General befördert und leitet seitdem die | |
verschiedenen Polizeieinheiten der Hauptstadt. Er gilt als Hardliner, ist | |
aber in Teilen der Bevölkerung durchaus beliebt, weil er immer verspricht, | |
mit Kriminalität und Korruption aufzuräumen: man werde die Kuluna genauso | |
zerschlagen wie die M23-Rebellen im Ostkongo, sagte er nach seiner | |
Ernennung im November 2013. Menschenrechtsorganisationen in Kinshasa hatten | |
Kanyama aber schon vor Monaten vorgeworfen, für extralegale Morde im Rahmen | |
der „Operation Likofi“ verantwortlich zu sein. | |
## Regierung kritisiert Veröffentlichung | |
In einer Stellungnahme zu den UN-Vorwürfen, die dem neuen UN-Bericht | |
beiliegt, weist Kongos Regierung den Vorwurf zurück, Polizeibeamte seien | |
maskiert oder in zivil aufgetreten, und fordert die Preisgabe der Namen und | |
Adressen der mutmaßlichen Opfer. | |
Kongos Innenminister Muyej warf in Reaktion auf die Veröffentlichung des | |
Berichts der UN-Menschenrechtsabteilung vor, sie habe „unsere Bemerkungen | |
in keinster Weise berücksichtigt und sich „an ihre Version der Tatsachen | |
gehalten“. Man habe daher Grund, am guten Willen des Leiters der | |
Menschenrechtsabteilung zu zweifeln, und erkläre ihn zur „unerwünschten | |
Person“. | |
Die UN-Mission im Kongo (Monusco), geführt vom Deutschen Martin Kobler, ist | |
mit derzeit 21.186 militärischen und 4.163 zivilen Mitarbeitern die größte | |
der Welt. Ohne Unterstützung durch offensive UN-Eingreiftruppen hätte es | |
Kongos Regierung nicht geschafft, vor einem Jahr die Rebellenbewegung M23 | |
(Bewegung des 23. März) im Osten des Landes zu besiegen. Kongos nationale | |
Polizei PNC wird seit Jahren von UN- und EU-Ausbildern trainiert und | |
strukturiert und mit internationaler Hilfe ausgerüstet. | |
17 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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