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# taz.de -- Krise in Kinshasa: Putschgerüchte gehen um
> In der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo bricht Panik aus: Im
> Stadtzentrum fallen Schüsse, vom Sitz des Präsidenten ertönen
> Explosionen.
Bild: Kongolesische Sicherheitskräfte am Montag in Kinshasa.
KINSHASA taz | Panik herrscht im Zentrum Kinshasas, der Hauptstadt der
Demokratischen Republik Kongo. Die Bevölkerung war gerade auf dem Weg nach
den Feiertagen und dem Wochenende die alltägliche Arbeit wieder
aufzunehmen, da hallen Schüsse durch die Straßen. Die Menschen rennen
davon.
Die ersten Salven ertönten aus der Richtung des Staatssenders, einem großen
Gebäude im Stadtviertel Gombe. Ein paar Banditen hätten mit Macheten den
Staatssender RTNC angegriffen und würden jetzt von der Präsidentengarde
vertrieben, heißt es aus dem Informationsministerium, welchem der
Staatssender untersteht. Das werde bald vorbei sein. Da sei man
zuversichtlich.
Doch nach einem spontanen Übergriff von ein paar Banditen sieht es nicht
aus. Knapp eine Stunde später beginnen Feuergefechte am über 30 Kilometer
entfernten internationalen Flughafen Ndjili. Dann hallen zwei gewaltige
Explosionen aus der Richtung des Sitz des Präsidenten durch die Stadt. Kurz
darauf wird rund um das Militärlager, in welchem der Stabschef sein
Hauptquartier hat, gekämpft. Die Angreifer hätten im Staatssender
Journalisten als Geiseln genommen, sagt Oberst Mwana Mputu, Sprecher der
Polizei in Kinshasa.
In Angst und Panik hasten die Menschen nach Hause oder verstecken sich in
Gebäuden hinter hohen Mauern. Überall klingeln Telefone. Jeder versucht
seine Angehörigen zu erreichen: „Schließt die Tür und versteckt euch“,
schreit die Kassiererin im Supermarkt ihren Kindern zu Hause via Telefon
zu. Ihre Hände zittern, als sie dem nächsten Kunden das Wechselgeld
überreicht. Dann beginnt sie zu weinen.
## Die letzte Krise ist 2 Jahre her
Es ist gerade einmal zwei Jahre her, als die Einwohner Kinshasas während
den Präsidentschaftswahlen 2011 wochenlang unter Dauerstress litten, das
Militär die Boulevards patrouillierte und nächtliche Schüsse zu hören
waren. Krisen wie diese legen stets das ganze Leben der Menschen lahm, es
gibt keine geöffneten Geschäfte, niemand geht zur Arbeit, es gibt kein Geld
und damit kein Essen auf dem Tisch. Bislang konnte man sich in der
15-Millionenstadt Kinshasa im Westen des gewaltigen Landes sicher sein,
dass der Krieg über 2000 Kilometer weit weg im Osten wütet. Jetzt hat die
Staatskrise auch die Hauptstadt im Griff.
Und auch in der Provinzhauptstadt Lubumbashi im mineralienreichen Katanga
wird geschossen, laut ersten Informationen ebenfalls rund um das
Militärlager.
Ein Augenzeuge berichtet am Telefon vom Flughafen, rund 20 Männer „die nach
ruandischer Abstammung aussahen“ seien mit Macheten und Spitzhacken in das
Terminal eingedrungen. Sie seien von der Präsidentengarde getötet worden.
Dies klingt fast nach einer Selbstmordaktion oder nach einer geplanten
Aktion, die letztlich verraten wurde und dadurch scheiterte. Bereits vor
den Wahlen waren dieselben strategischen Punkt angegriffen worden.
Die Krise zündete einige Tage nachdem in den höchsten Strukturen von
Polizei und Geheimdienst hochrangige Positionen umbesetzt wurden.
Polizeichef General Charles Bisengimana wurde jetzt offiziell im Amt
bestätigt, das er bislang nur übergangsweise inne hatte. Sein Vorgänger
General John Numbi wurde 2010 angeklagt, den Mord an Kongos berühmtesten
Menschenrechtler Floribert Chebeya, Direktor der Organisation 'La Voix des
Sans Voix' (Stimme der Stummen), in Auftrag gegeben zu haben. Daraufhin
wurde er suspendiert.
Er wurde nie vor das Militärgericht gestellt, weil er einen höheren Rang
hatte als der Militärrichter. Seinen Generalsrang hatte er behalten. Doch
seit Freitag war klar, er werde nie wieder an seinen alten Posten zurück
kehren. Das scheint vielen in der Hierarchie sauer aufgestoßen zu sein.
## Gerüchte über Tutsi-Staatsstreich
General Numbi stammt aus Katanga, der Heimatprovinz des Klans rund um
Präsident Joseph Kabila. Die Katanger stellen schon immer die hohen Posten
in Militär, Polizei und Geheimdienst.
Der jetzt offiziell neue Polizeichef Bisengimana ist ein Tutsi aus dem
Ostkongo, der zwar als Kabila-treu gilt, aber die Stimmung im Land ist nach
dem Krieg im Osten äußerst Tutsi-feindlich. So gingen gleich nach den
ersten Schusswechseln wilde Gerüchte um, die Tutsi würden in Kinshasa einen
Staatsstreich anzetteln wollen. Vielleicht stecke General Numbi dahinter,
aus Protest, dass er seinen Posten verloren habe.
Auch in der Militärhierarchie kriselte es in den vergangenen Wochen. Ein
Machtkampf zwischen Stabschef General Didier Etumba und Chef des Heeres,
General Francois Olenga, sei im vollen Gange. Auch der nach dem Fall von
Goma suspendierte Heereschef Gabriel Amisi alias TangoFour solle etwas im
Schilde führen, heißt es aus Sicherheitskreisen. Für Analysen der
Vorkommnisse scheint es noch zu früh. In Botschaften und im
UN-Hauptquartier laufen derzeit Krisensitzungen.
Drei Stunden nach den ersten Schusswechseln beruhigt sich die Lage in
Kinshasa. Informationsminister Lambert Mende spricht im Radio und TV: Die
Bevölkerung solle ihr normales Leben weiter führen, die Situation sei unter
Kontrolle. Dies sei eine „Aggression von Terroristen“ gewesen. Man habe
drei Gefangene gemacht und rund 40 „Terroristen“ erschossen.
Doch so recht wollen die Leute der Ruhe nicht glauben. Kongos größte
Brauerei Bralima will ihre Händler losschicken, Bier auszuliefern. Fast
hundert Männer brüllen und toben im Innenhof. Sie weigern sich. Es sei
nicht sicher auf den Straßen. Erst als die Polizei vorbeikommt und eine
Patrouille bereit stellt, beruhigen sie sich und steigen in ihre Lastwagen.
30 Dec 2013
## AUTOREN
Simone Schlindwein
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