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# taz.de -- Rot-Rot-Grün in Thüringen: Flucht nach vorn
> Der Landesvorstand der Thüringer Sozialdemokraten hat sich überraschend
> eindeutig für Rot-Rot-Grün entschieden. Ein unbehagliches Gefühl blieb.
Bild: Man habe sich voller Hoffnung für ein „Projekt, das es so noch nie auf…
ERFURT taz | Lachend verließ kein SPD-Genosse am Montagabend den Salon
„Rom“ im Erfurter Radisson-Hotel. So unerwartet einstimmig die Entscheidung
im erweiterten Landesvorstand für Koalitionsverhandlungen mit Linken und
Grünen auch fiel, so spürbar bleibt ein unbehagliches Gefühl.
Vor der Wahl zwischen der Fortsetzung des Bündnisses mit der CDU und einem
Linksbündnis hätte man sich am liebsten gedrückt. „Wir haben leider keine
Gelegenheit bekommen, in die Opposition zu gehen“, formulierte
Ex-Spitzenkandidatin und Noch-Sozialministerin Heike Taubert. Obschon
Zünglein an der Waage und von beiden Seiten umworben: Machtgeil klangen die
SPD-Genossen nicht.
Zu sehr sind allen die Risiken einer Richtungsentscheidung bewusst, bei der
man aus SPD-Sicht nur Fehler machen kann. Beide Koalitionsvarianten haben
nur eine Stimme Mehrheit im Landtag, weil die Grünen sich weigern, der CDU
eine Mehrheit zu beschaffen. Andreas Bausewein, Erfurter OB,
Verhandlungsführer und designierter SPD-Landesvorsitzender, sagt zur Frage
nach der Stabilität des liebevoll „R2G“ genannten linken Bündnisses: „D…
werden die ersten Abstimmungen zeigen.“
Vor allem aber hatten Landesvorstand, Abgeordnete und Spitzen der
Kreisverbände abzuwägen, was den auf 12,4 Prozent der Stimmen abgesackten
Sozialdemokraten am besten bekommen würde. Mehr als Juniorpartner ist in
keiner Koalition drin. Die Auffassung, dass diese Rolle den Thüringer Sozis
in den bisherigen schwarz-roten Bündnissen nicht bekommen ist, hat sich
mehrheitlich durchgesetzt.
Die Union hat einiges dafür getan, ihren potenziellen Koalitionspartner zu
verprellen. Nicht nur mit unflätigen Anwürfen im Wahlkampf, für die sich
Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht zu Beginn der
Sondierungsgespräche überraschend entschuldigte. Die Klimaverschlechterung
zwischen den Partnern habe schon vor etwa drei Jahren begonnen, sagt Heike
Taubert rückblickend. Höhepunkt war die Attacke von CDU-Fraktionschef Mike
Mohring auf SPD-Kultusminister Christoph Matschie im Frühjahr, die Stimmung
in Thüringer Lehrerzimmern sei schlechter als zu Zeiten der
DDR-Volksbildungsministerin Margot Honecker.
## Eine CDU, „die noch zerstrittener ist als wir“
Zudem misstraut die SPD einer CDU, „die noch zerstrittener ist als wir“,
wie ein Genosse meint. Ob Lieberknecht bei der Ministerpräsidentenwahl alle
Stimmen ihrer Fraktion bekommen hätte, sei fraglich. Der von 100 Prozent
aller 34 CDU-Abgeordneten wiedergewählte CDU-Fraktionschef Mohring warte
nur auf die Chance, die Landesvorsitzende abzulösen. Das geht nur, wenn
Lieberknecht nicht mehr Ministerpräsidentin ist. „Rot-Rot-Grün ist auch für
Mohring die beste Variante“, meint auch Carsten Schneider,
haushaltpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Grund für die
überraschende Einmütigkeit des Votums ist für ihn das „eindeutige Ergebnis
der Sondierungsgespräche“.
50 Seiten gemeinsamer Projekte – weit mehr, als mit der CDU erreichbar
schien – dürften auch die letzten Zweifler in der SPD umgestimmt haben. Die
Empfehlung des Landesvorstandes für den Mitgliederentscheid listet einige
auf: Abschaffung des Landeserziehungsgeldes und Einstieg in die
gebührenfreie Kinderbetreuung, Bildungsfreistellungsgesetz,
Schulsozialarbeit, Energiewende, kommunales Wahlalter 16, schuldenfreier
Haushalt und bessere kommunale Finanzausstattung.
Grundsätzliche Zweifel am Zusammengehen mit den SED-Erben äußerte kaum wer.
Stimmen wie die des Exministers Gerd Schuchardt, der gemeinsam mit dem
Dichter Reiner Kunze vor der „Konterrevolution“ in Thüringen gewarnt hatte,
sind nicht mehr relevant. Und für Bausewein ist der designierte
Ministerpräsident Bodo Ramelow auch „kein typischer Linker“.
Also entschied man sich voller Hoffnung für ein „Projekt, das es so noch
nie auf Länderebene gegeben hat“, so Bausewein. Und das in einer
Eindeutigkeit, über die der bekennende taz-Leser und Fraktionschef Matthias
Hey scherzte, die SPD bleibe eben eine „Wundertüte“. Ob man nach fünf
Jahren Rot-Rot-Grün besser dastehen und vom Wähler belohnt werden wird?
„Wenn ich das wüsste, könnte ich Ihnen auch die Lottozahlen vom Wochenende
ansagen“, lächelt Hey.
21 Oct 2014
## AUTOREN
Michael Bartsch
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