# taz.de -- Bodo Ramelow über Rot-Rot-Grün: „Ich bin ganz entspannt“ | |
> Die erste rot-rot-grüne Regierung wird immer wahrscheinlicher. Bodo | |
> Ramelow wäre der erste linke Ministerpräsident. | |
Bild: Angst, nicht zum Ministerpräsidenten gewählt zu werden, hat Bodo Ramelo… | |
taz: Herr Ramelow, ist es ein historisches Ereignis, wenn Sie der erste | |
Ministerpräsident der Linkspartei werden? | |
Bodo Ramelow: Ich kann mit dem Begriff nichts anfangen. Es geht um | |
Thüringer Landespolitik. Es geht darum, dass finanziell ausgetrocknete | |
Gemeinden wieder handlungsfähig werden, nicht um Historie. | |
Es gab sechs lange Sondierungen mit SPD und Grünen. Was war das | |
schwierigste Thema? | |
Es gab keins. Wir haben sehr gründlich und ohne Zeitdruck über alle | |
Bereiche gesprochen. Der Landesvorstand der SPD hat sich einstimmig und | |
ohne Enthaltung für Rot-Rot-Grün entschieden. Das zeigt, dass in den | |
Sondierungen viel Vertrauen entstanden ist. | |
Rot-Rot-Grün hat einen Text entworfen, der offenbar Präambel des | |
Koalitionsvertrages werden soll – mit der Bezeichnung „Unrechtsstaat“ für | |
die DDR. Wie schwer ist dies der Linkspartei gefallen? | |
Das ist ein Missverständnis. Es gibt noch keinen Text für die Präambel. | |
SPD, Grüne und wir haben uns verständigt, dass die Präambel mit einer | |
Beschreibung der DDR beginnen wird. Deswegen hat mich auch manche | |
Ferndiagnose in der taz … | |
… das Interview mit Dagmar Enkelmann … | |
… gewundert. Besser wäre, erst mal mit den Akteueren zu reden. Aus dem | |
DDR-Text werden zwei, drei Sätze in die Präambel übernommen, es wird aber | |
auch um die jüngste Vergangenheit, den NSU-Terror, gehen. Um es klar zu | |
sagen: Eine Linkspartei-geführte Landesregierung muss sich mit Unrecht und | |
Willkür in der DDR auseinandersetzen. Wir haben in dem gemeinsamen Text | |
beschrieben, was mit Unrechtsstaat gemeint ist. Es gab in der DDR ein | |
System mit verbrieften Rechten – doch in der Praxis konnten große und | |
kleine Mächtigen diese aushebeln. Deshalb sagen wir, dass das in der | |
Konsequenz ein Unrechtsstaat war. | |
Fürchten Sie, nicht gewählt zu werden? | |
Nein, ich bin ganz entspannt. | |
Trotz nur einer Stimme Mehrheit für Rot-Rot-Grün? | |
Ich richte mich auf drei Wahlgänge ein und bin sehr gespannt, ob Christine | |
Lieberknecht die Kraft hat, im dritten Wahlgang gegen mich anzutreten. | |
Der SPD-Abgeordnete Uwe Höhn, nun Vize-Landtagspräsident, hat sich nach der | |
Wahl ziemlich skeptisch über Rot-Rot-Grün geäußert. Macht Ihnen das keine | |
Angst? | |
Nein, gar nicht. Diese Skepsis ist, angesichts von nur einer Stimme | |
Mehrheit, doch berechtigt. Deshalb ist es richtig, Skepsis zu äußern. | |
Rot-Rot-Grün hat sich nun auf Inhalte verständigt. Damit werden wir fünf | |
Jahre lang Politik für Thüringen machen – auch mit nur einer Stimme | |
Mehrheit. | |
Ist die Reform der Kreisgebiete, die auf Widerstand treffen wird, mit einer | |
Stimme Mehrheit durchsetzbar? | |
Eine reine Kreisgebietsreform ist mit knapper Mehrheit nicht zu machen. Wir | |
werden als Erstes Verwaltungen evaluieren und dann mit den Kommunen und | |
allen Gebietskörperschaften einen politischen Prozess beginnen. Wenn uns | |
die Rückeinkreisung von Suhl und Eisenach gelingt, wird das ein Beispiel | |
sein, dem andere folgen. Das geht nur durch politische Praxis. | |
Rot-Rot-Grün ist mit dieser knappen Mehrheit gezwungen, den Weg des | |
geringsten Widerstands zu gehen … | |
In Hessen hat die SPD mal mit absoluter Mehrheit eine Gebietsreform | |
verordnet. Das ist krachend gescheitert und wurde später zurückgenommen. | |
Auch eine große Mehrheit im Landtag nutzt also gar nichts, wenn das | |
top-down gemacht wird. Wir müssen einen Konsens mit den Kommunen, Kreisen | |
und Städten finden. Jeder vierte Ort in Thüringen hat derzeit keinen | |
ordnungsgemäßen Haushalt. Das heißt: Jeder vierte Gemeinde- und Stadtrat | |
kann nichts mehr entscheiden. Das ist eine faktische Entdemokratisierung | |
über die Finanzen. Deshalb muss es Veränderungen der Kreisstrukturen geben. | |
Herr Ramelow, die Linkspartei hat noch nie in Thüringen regiert. Wie | |
abhängig werden Sie als Ministerpräsident vom Know-how der SPD sein? | |
Als ich 1990 aus dem Westen nach Thüringen gekommen bin, hatte ich keine | |
Ahnung, was auf mich zukommt. Das war ein gemeinsamer Lernprozess. So | |
ähnlich kamen mir die Sondierungen vor. Ich lasse mich von besseren | |
Argumenten von regierungserfahrenen Sozialdemokraten überzeugen. Und es | |
wird auch Mitglieder der Linkspartei, die Regierungserfahrung haben, im | |
Kabinett geben. Auch da bin ich ganz entspannt. | |
21 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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