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# taz.de -- Kommentar Gauck und die Linkspartei: Botschaft vom Feldherrenhügel
> Der Bundespräsident darf sich zu Parteipolitik äußern. Aber: Sollte er
> das auch? Die Äußerungen zu Rot-Rot-Grün in Thüringen sind unangebracht.
Bild: Joachim Gauck, hier beim Staatsbesuch in Kanada
Joachim Gauck hält die Linkspartei in Thüringen für nicht vertrauenswürdig
und der SED verhaftet. Worauf sich dieses Urteil gründet, erfahren wir
nicht. Das so zu sehen, ist, auch wenn Argumente fehlen, sein gutes Recht.
Es herrscht Meinungsfreiheit.
Doch nicht der Privatmann Gauck, sondern der Bundespräsident hat dies
gesagt. Der sollte einen triftigen Grund haben, sich in Parteipolitik
einzumischen. Gibt es den?
Wenn Bodo Ramelow in Erfurt Ministerpräsident wird, ist das keine Gefahr
für die Demokratie oder die Verfassung. Es ist, nach 25 Jahren
CDU-Regierung, ein normaler politischer Wechsel. Der Bundespräsident ist
offenbar der Ansicht ist, dass die Linkspartei noch immer unter
Generalverdacht zu stellen ist – obwohl sie seit 13 Jahren in ostdeutschen
Ländern ordentlich und unspektakulär mitregiert. Faktisch interveniert das
Staatsoberhaupt damit für eine Verlängerung der CDU-Regentschaft in
Thüringen. Das ist nicht die Aufgabe des Bundespräsidenten.
In Thüringen werden, wenn es so kommt wie geplant, auch SPD und Grüne
Ramelow zum Ministerpräsidenten wählen. Beide sind aus der
Bürgerrechtsbewegung der DDR hervorgegangen, in der Gauck eine eher
übersichtliche Rolle gespielt hat. Die Warnung des Bundespräsidenten vor
der Linkspartei hat rhetorische Schwungmasse, weil Gauck eben auch als
ostdeutscher Bürgerrechtler spricht.
## Historische Moral
Er tut so, als wisse er es besser als SPD und Grüne in Thüringen. Das ist
eine Anmaßung vom Feldherrenhügel. Was in Thüringen politisch möglich und
nötig ist, spielt von dort aus gesehen keine Rolle. Auch dass sich die
Linkspartei dazu durchgerungen hat, die DDR als Unrechtsstaat zu
bezeichnen, zählt nicht – auf dem Feldherrenhügel weiß man sich im Besitz
der historischen Moral.
Vor zehn Jahren koalierte die CDU in Hamburg mit der Schill-Partei, einem
wirren Haufen von Rechtspopulisten. Damals konnte man sich, wenn man
ängstlich veranlagt war, um die Demokratie sorgen. Jedenfalls gab es dafür
damals mehr Argumente als 2014 in Thüringen. Dass sich diese Befürchtungen
später ebenso schnell auflösten wie die Schill-Partei, zeigt, dass
Gelassenheit sowieso meist richtig ist.
Johannes Rau hat sich damals keineswegs dazu verleiten lassen, vor der
Schill-Partei zu warnen. Warum? Weil Parteipolitik und
Koalitionsverhandlungen in den Ländern zu kommentieren nicht der Job des
Bundespräsidenten ist. Rau wusste das. Gauck hingegen, nicht frei von
Hybris, hält sich für allzuständig.
## Nicht gescheit
Solche Kurzschlüsse schaden dem Amt. Dass das Bundesverfassungsgericht
kürzlich entschieden hat, dass der Bundespräsident in Grenzen auch über
Parteien seine Meinung kund tun darf, ändert nichts daran. Nicht alles was
der Bundespräsident darf, ist auch gescheit.
Die Linkspartei im Osten ist keine verpuppte totalitäre Bedrohung. Das
begreift jeder, der sich einigermaßen frei von ideologischen Scheuklappen
das Personal, das Programm und die politische Praxis der Partei im Osten
anschaut. Die CDU, die eine wenig ruhmreiche Vergangenheit als Blockpartei
hat, benutzt solche SED-Klischees, wenn ihr nichts anders mehr einfällt.
Dass der Bundespräsident nun in das gleiche Horn tutet, ist peinlich.
Und etwas mehr. Rot-Rot-Grün in Erfurt ist das Ergebnis eines langwierigen,
mit Basisbefragungen abgesicherten politischen Prozesses. Doch ob
Rot-Rot-Grün auch regieren wird , hängt an der äußerst dünnen Mehrheit von
einer Stimme. Joachim Gauck hat mögliche Dissidenten im Thüringen Landtag
schon mal moralisch ermutigt, Rot-Rot-Grün hinterrücks zu verhindern. Das
ist Dienst an der Demokratie a la Gauck.
2 Nov 2014
## AUTOREN
Stefan Reinecke
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