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# taz.de -- Demo gegen Rot-Rot-Grün in Erfurt: Fackelmarsch statt Lichtermeer
> Ausgerechnet am 9. November rief ein CDU-Mitglied zu einer Demo gegen
> Rot-Rot-Grün auf. Unter den 4.000 Menschen waren auch radikale Rechte.
Bild: Die DemonstrantInnen auf dem Domplatz, vereint im Antikommunismus 2.0
Am Sonntagabend waren Domplatz und Severikirche in Erfurt in flackerndes
Licht getaucht. Rund 4.000 Menschen hatten sich dort versammelt. Sie
schwenkten Fackeln und reckten Kerzen in die Luft. „Wer Deutschland nicht
liebt, soll Deutschland verlassen!“, wurde gerufen, und: „Wir sind das
Volk!“ Ein paar stimmten die deutsche Nationalhymne an. Anlass dieser
Zusammenkunft war der 9. November, der von 1989 selbstverständlich. Oder
hatten Sie eben an die Pogrome von 1938 gedacht?
So war es jedenfalls nicht. In Erfurt kam man zu einem Lichterumzug gegen
eine demokratische Wahlentscheidung zusammen. Unter dem Motto „Wir
verwandeln den Domplatz in ein Lichtermeer gegen Rot-Rot-Grün“ hatte
Clarsen Ratz von der Thüringer Mittelstandsvereinigung der CDU zu der
Veranstaltung aufgerufen. Ratz hatte sie gegen das Regierungsbündnis aus
Linken, SPD und Grünen – am 5. Dezember soll Bodo Ramelow zum
Ministerpräsidenten gewählt werden – privat angemeldet. Und eigentlich
hatte er mit deutlich weniger Teilnehmern gerechnet, mit 600 etwa.
Warum die Veranstaltung mit einem solch schwammigen Titel ein so großer
Erfolg war? Vielleicht genau deshalb. Neben der CDU, der nun nach so langer
Zeit der Machtverlust droht, fühlte sich nämlich gleich das gesamte rechte
Spektrum berufen, gegen die neue Regierung auf die Straße zu gehen:
Landtagsabgeordnete der AfD, Politiker der NPD, Kameradschaften und
Mitglieder der Freien Kräfte hatten sich angekündigt. Schon Tage zuvor
hatte eine stattliche Liste der Teilnehmenden aus Neonazikreisen im
Internet kursiert. Zur Teilnahme war auch in verschiedenen Neonaziforen
aufgerufen worden. Überraschend war es also nicht, dass sich das
Lichtermeer eher wie ein Fackelmarsch ausnahm. Denn viele kamen nur
deshalb: um am 9. November Fackeln zu schwenken.
Der Organisator hingegen hatte sich unpolitisch gegeben. Auf einer nicht
öffentlichen Veranstaltung hätte er dafür gesorgt, dass „weder Links- noch
Rechtsextreme da wären“. Aber ein Lichterumzug gegen eine linke Regierung
am 76. Jahrestag der Reichspogromnacht ist eben nicht unpolitisch. Sie ist
eine Einladung zum Schulterschluss mit der radikalen Rechten.
Und die restlichen TeilnehmerInnen zog vermutlich ein anderes – ebenfalls
ziemlich deutsches – Ressentiment auf die Straße. Das gegen die Linken.
Nicht gegen die Partei, Bodo Ramelow oder die SED. Die DemonstrantInnen
eint ein Antikommunismus 2.0, der sich nach dem Ende des Kommunismus, gegen
„die“ Linke wendet – zu denen zählen selbst die Sozialdemokraten, die auf
der Demo als „Verräter“ tituliert wurden, die Liberalen und Demokraten. Und
anders als auf den „Mahnwachen für den Frieden“, wo sich eine obskure
Querfront vom linken und rechten Rand tummelt, konnte man sich auf dem
Domplatz sehen lassen, zwischen CDUlern, Bürgerrechtlern, Konservativen und
Rechten.
Und was soll man auch denken, wenn zum Beispiel der ehemalige
Bürgerrechtler Matthias Büchner am 9. November sagt: „Die DDR war kein
Unrechtsstaat, sie war viel schlimmer“? Was ist noch mal die
Steigerungsform von „schlimmer“? Genau: am schlimmsten. Für die Verbrechen
der Nazis bleibt da tatsächlich kein Platz mehr. Und so hat man sich ganz
nebenbei auch noch des leidigen Gedenkens entledigt, das sonst zum
Jahrestag der antisemitischen Pogrome ansteht.
Die Erfurter jedenfalls scheinen auf den Geschmack gekommen zu sein. Heute
nämlich findet auf dem Domplatz das Sankt-Martins-Fest statt. Und auch das
wird traditionell mit einem Fackelmarsch gefeiert.
10 Nov 2014
## AUTOREN
Sonja Vogel
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